„Sportwelt“ hat Dortmunds Bäder gerettet Liebe Stadt, der Finanz-Trick klappt nicht mehr

Stadt hat getrickst - und die „Sportwelt“ hat Dortmunds Bäder gerettet
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Stadt hat getrickst - und die „Sportwelt“ hat Dortmunds Bäder gerettet

Freibäder sind teuer. Niemand braucht sie – oder sagen wir korrekter: Kaum jemand braucht sie, mal abgesehen von den 10 bis 20 so richtig heißen Tagen im Jahr.

Und Hallenbäder? Horrende Energiekosten verursachen sie, weil Wasser und Luft das ganze Jahr über auf 26 oder 30 Grad gehalten werden müssen. Nur damit Kinder schwimmen lernen – in Vereinen, Kursen oder mit der Schulklasse im Unterricht. Nur damit sie nicht ertrinken im Sommer – oder wenn es in den Oster- oder Herbstferien in den Süden geht.

Wie lässt sich denn Geld sparen?

Ja gut, dann sind da noch die vielen hundert Sport- und Rettungsschwimmer, die Tausenden Früh-, Andauernd- oder Gelegentlich-Schwimmer. Die Polizisten und Feuerwehrleute, die sich fit halten und für den Ernstfall am Gewässer trainieren.

Zusammengerechnet hatten allein die Hallenbäder in Dortmund im Jahr 2023 rund 1,1 Millionen Besucher: etwa 300.000 im öffentlichen Betrieb, über 300.000 von Vereinen, Polizei, Feuerwehr und der Uni - plus knapp 550.000 Schülerinnen und Schüler. Hinzu kommen all diejenigen, die die Bäder im Revierpark Wischlingen oder die Freibäder besucht haben.

Okay, Sie merken es sicherlich. In großem Stil schließen kann eine Stadt ihre Hallen- und Freibäder nicht. Da gibt es doch einen öffentlichen Auftrag, den sie zu erfüllen hat. Aber wenn nicht durch Schließung – wie lässt sich denn dann Geld sparen in Zeiten knapper Kassen?

Finanzieller Trick der Stadt

Vor Jahrzehnten schon kam die Stadt Dortmund auf einen finanziellen Trick: Was, wenn sie die Hallen- und Freibäder nicht selbst betreibt, mit eigenem Personal? Sondern wenn sie möglichst viele Aufgaben an Ehrenamtliche abgibt?

An all die Schwimmvereine etwa. Wenn die kein Interesse haben, Bäder zu erhalten, wer dann? Mensch, dann sollen die sich doch um den Betrieb der Hallen- und Freibäder kümmern. Und die DLRG heißt ja „Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft“. Beim wem also wäre die Schwimmaufsicht in besseren Händen?

„Sportwelt“ hat die Bäder erhalten

„Die Vereine haben 20 Jahre lang die Wasserflächen offen gehalten“, sagt ein hoher Dortmunder Sportfunktionär. Fast wortgleich formulieren es andere, die sich mit der Struktur der Hallen- und Freibäder auskennen. 75 bis 80 Millionen Euro habe die Stadt über all die Jahre dadurch gespart, dass sie lieber andere habe machen lassen.

Seit 2004 gibt es die „Sportwelt Dortmund“, in der die Schwimmvereine und die DLRG eben nicht das machen, was ihr eigentlicher Auftrag ist – Menschen das Schwimmen oder das Retten beizubringen. Nein: Sie übernehmen die öffentliche Aufgabe, die Bäder zu betreiben. Oft mit Aufgaben in der Grauzone zwischen Ehrenamt und Lohnarbeit. Und meistens am finanziellen Limit des Möglichen.

Tarifvertrag oder nicht?

Wer bei der Stadt oder bei einer Tochtergesellschaft angestellt ist, bekommt Lohn nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Aber wer bei einem privaten Bäderbetrieb beschäftigt ist? Tja.

Bisher macht der Stadtkämmerer denn auch keinen Hehl daraus zu erklären, das Konstrukt Sportwelt plus die privat von einzelnen Vereinen betriebenen Bäder würden Dortmund Jahr für Jahr mehrere Millionen Euro sparen.

Das System droht unterzugehen

Nur: Diese Zeiten scheinen vorbei. Das System hat sich fast tot gespart. Das gesamte System Bäderfinanzierung ist dabei unterzugehen. Weil die Stadt ihren Zuschuss zu den Betriebskosten einfach nicht weit genug anhebt. Um im Bild zu bleiben: weil sie die Schwimmflügel nicht genug aufgepustet hat.

Jahrelang aber wurde das Thema weggedrängt. Klar: Spätestens seit 2021 liegen die Zahlen auf dem Tisch. Mindestens 113 Millionen Euro müsste die Stadt in die Hand nehmen, um ihre Bäder auf dem aktuellen Stand zu erhalten - wahrscheinlich sogar das Doppelte, wenn man den Preisanstieg bei Baukosten berücksichtigt.

Diskussion? Ehrlich, bitte!

Im Klartext: Die Stadt müsste in den nächsten Jahren eigentlich 100 oder 200 Millionen Euro für die Frei- und Hallenbäder ausgeben, aber 2 oder 3 Millionen Euro zusätzlich als Betriebskostenzuschuss für die Sportwelt oder die Schwimmvereine sind nicht drin?

Es wird höchste Zeit, diese Diskussion ehrlich zu führen - mit allen Zahlen auf dem Tisch. Als Dortmunds Politiker unlängst für einen Neubau der Jungen Oper stimmten, wussten sie ja auch, dass sie damit 80 Millionen Euro ausgeben. Umgerechnet wären das die Hälfte aller notwendiger Schwimmbad-Sanierungen plus ein paar Jahre ungestörter Betrieb.