Allenfalls noch musealen Charakter haben ehemalige Schutzräume in Dortmund, wie der Bunker an der Ruhrallee. Feuerwehr-Chef Dirk Aschenbrenner verweist auf die Zuständigkeit des Bundes. © Menne/RN-Archiv
Ukraine-Konflikt
Sorgen um Ukraine-Krieg: Gibt es in Dortmund eigentlich noch Schutzräume?
Ein Übergreifen des Ukraine-Krieges auf Deutschland ist sehr unwahrscheinlich, sagen Experten. Trotzdem machen sich die Behörden auch in Dortmund verstärkt Gedanken über Schutz vor Angriffen.
Gebäude in Trümmern, Schutzsuchende in Kellern und Bunkern - bei vielen älteren Dortmunderinnen und Dortmundern werden bei den aktuellen Bildern aus ukrainischen Städten unschöne Erinnerungen an die Kriegsjahre in der eigenen Stadt wach. Zugleich gibt es aktuelle Sorgen, dass sich der von Russland begonnene Krieg ausdehnen könnte.
Auch wenn die Gefahr, dass der Krieg nach Deutschland kommt, als gering eingeschätzt wird, stellt sich die Frage, welches Schutzkonzept es hier für die Zivilbevölkerung gibt. Zuständig für den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz ist die Feuerwehr.
Allerdings verweist Feuerwehr-Chef Dirk Aschenbrenner zuerst auf die Zuständigkeit des Bundes. „Zivilschutz ist nach dem Gesetz vordringliche Aufgabe des Bundes. Er ist auch zuständig für die öffentlichen Schutzräume. Die Stadt hat da nur eine nachgeordnete Funktion“, erklärt er.
Es gibt keine öffentlichen Schutzräume mehr
Das Problem ist: „Öffentliche Schutzräume wie zum Beispiel Luftschutzbunker gibt es nicht mehr“, klärt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastophenhilfe (BBK) auf.
„Im Jahr 2007 beschlossen Bund und Länder gemeinsam, öffentliche Schutzräume nicht weiter zu erhalten. Mit dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts schien das Szenario eines konventionellen Krieges mit großflächigen Bombardierungen und dem Einsatz chemischer und nuklearer Waffen nicht mehr zeitgemäß“, heißt es zur Erläuterung.
Physisch vorhanden sind natürlich viele alte Bunker noch. Deutlich sichtbar sind die klobigen Betonklötze, die meist noch aus der NS-Zeit stammen. Anfang der 1940er-Jahre waren im Stadtgebiet insgesamt 24 Hochbunker mit meterdicken Wänden gebaut worden - mit Platz für jeweils mehr als 1000 Menschen.
Der alte Hochbunker an der Deusener Straße ist inzwischen in Privatbesitz. © Oliver Volmerich
Der Bund hat sie allerdings alle nach und nach verkauft. Einige sind noch in altem Zustand vorhanden, wie etwa an der Deusener Straße - andere, wie an der Faßstraße in Hörde, abgerissen. Einige wurden zu Wohnhäusern umgebaut oder überbaut, wie an der Landgrafenstraße oder an der Ruhrallee / Leipziger Straße.
2015 wurde der alte Bunker an der Faßstraße in Hörde abgerissen. Hier steht jetzt der Media Markt. © Felix Guth
Das massive Bauwerk, das von dem terrassenförmigen Wohnhaus unter dem Titel „Südtribüne“ überbaut wurde, geht über mehrere Etagen in die Tiefe. Es hatte eine besondere Rolle: als Befehlsbunker.
Bunker mit Museumscharakter
Die besondere Geschichte wurde auch nach dem Krieg fortgesetzt, als der Bunker als Schaltzentrale für Katastrophenschutzübungen genutzt wurde. Die alte Einrichtung ist zum großen Teil noch im Originalzustand erhalten und konnte bis zuletzt auch bei Führungen besichtigt werden.
Unter dem neuen Wohnkomplex "Südtribüne" liegt zwischen Leipziger Straße und Ruhrallee der ehemalige Befehlsbunker. © Oliver Volmerich
Ähnlichen Museumscharakter hat der Bunker an der Zwickauer Straße, der nach dem Krieg zu einem Atombunker umgebaut worden war, in dem sogar eine mehrtägige Übung mit Freiwilligen stattfand.
Eine Dortmunder Besonderheit ist auch der Tiefstollen unter der Innenstadt, der als größte Bunkeranlage in Deutschland gilt. Er zieht sich über eine Länge von mehr als vier Kilometern mit mehreren Seitenstollen vom Hauptbahnhof über das Westentor bis zum Westpark. Hier war Platz für mehr als 80.000 Menschen. Bis in die 90er-Jahre wurde der Tiefstollen vom Bund unterhalten.
Ein Blick in den Tiefstollen unter der Dortmunder Innenstadt. © Stadtarchiv
„Die Stollenanlage ist heute aber nicht mehr nutzbar“, weiß Dirk Aschenbrenner. Das gilt auch für modernere Anlagen wie die Tiefgarage unter dem Rathaus, die ebenfalls als Schutzbunker mit dicken Türen ausgebaut worden war. „Auch sie ist aus der Wartung raus“, sagt der Feuerwehr-Chef.
Ohnehin wäre die Rolle von öffentlichen Schutzräumen mit besonderen Vorkehrungen wie Luftfilter zu relativieren. Vorgesehen sind sie für zwei Prozent der Bevölkerung - also gerade einmal für 12.000 Menschen in Dortmund.
Der ehemaligen Bunker an der Landgrafenstraße wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. © Oliver Volmerich
Und was gibt es als Alternative? „Guten Schutz bietet generell die vorhandene Bebauung, sowohl vor fliegenden Objekten als auch vor Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen“, erklärt das BBK.
Tipps des Bundesamtes für Bevölkeungsschutz
Es rät dazu, im Fall eines Angriffs „in einen innenliegenden Raum mit möglichst wenigen Außenwänden, Türen und Fenstern“ zu gehen. Denn Glasflächen könnten bei Explosionen durch die Druckwelle zersplittern und Verletzungen verursachen.
Wenn man in der Stadt unterwegs ist, sollte man in ein Gebäude mit Innenräumen gehen oder „unterirdische Gebäudeteile“ wie zum Beispiel U-Bahn-Stationen aufsuchen - so, wie es jetzt auch viele Menschen in der umkämpften ukrainischen Hauptstadt Kiew machen.
Das BBK betont allerdings auch: „Dass Deutschland vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine einem Luftangriff ausgesetzt sein wird, ist unwahrscheinlich.“ Trotzdem macht man sich sowohl beim Bund wie auch in den Kommunen wieder Gedanken, den Zivilschutz in den Fokus zu nehmen.
„Der Bund müsste dafür auch erst einmal eine Finanzierungsgrundlage schaffen“, sagt Dirk Aschenbrenner. In Dortmund wurde auf Beschluss der Verwaltungsspitze bereits eine neue Arbeitsgruppe Bevölkerungsschutz eingerichtet, bei der Feuerwehr soll eine Abteilung zur Bedarfsplanung für den Katastrophenschutz eingerichtet werden.
Anlass dafür war allerdings nicht der Ukraine-Krieg, sondern die Corona-Pandemie - etwa mit Überlegungen, ein Not-Krankenhaus einzurichten. Und Störfälle und Unwetterkatastrophen waren Anlass dafür, ein neues Sirenen-Warnsystem aufzubauen, nachdem auch die alten Sirenen nach dem Ende des Kalten Krieges abgebaut worden waren.
Neues Sirenensystem im Aufbau
In Dortmund läuft zurzeit der Aufbau eines neuen Systems mit modernen Sirenen in mehreren Stufen, den der Rat der Stadt schon im Oktober 2015 beschlossen hatte. In der ersten Stufe wurden 16 Sirenen im Umfeld von Störfall-Betrieben installiert.
Damit sind bislang die nördlichen Stadtteile zwischen Wickede und Huckarde abgedeckt. In der zweiten Stufe stehen zentrale Verkehrswege, auf denen Gefahrgüter transportiert werden, im Mittelpunkt – also das Umfeld von Autobahnen und Bahnstrecken.
So wie hier auf dem Dach des Feuerwehr-Ausbildungszentrums in Lindenhorst sehen die modernen Sirenen aus. © RN-Archiv
Von 49 Sirenen in den ersten beiden Ausbaustufen sind inzwischen 26 in Betrieb, 5 im Bau und 18 in der Planung beziehungsweise kurz vor der Umsetzung. In einer dritten Stufe sollen 30 weitere Sirenen dazu kommen.
Wenn sie abgeschlossen ist, wäre das Stadtgebiet zu mindestens 90 Prozent abgedeckt. Ob dann weitere Anlagen nötig sind, um die Lücken zu schließen, müsse man mit Probealarmen herausfinden, heißt es.
Wichtig ist aber auch, dass die Menschen wissen, was die Sirenentöne bedeuten, betont Dirk Aschenbrenner. „Deshalb muss auch die Information und Kommunikation deutlich verbessert werden“, sagt der Feuerwehr-Chef.
Er setzt vor allem auf ein Zusammenspiel aus Sirenen, Warn-App Nina und Handy-Warnung für bestimmte Funkzellen. „Das Sinnvollste ist es, mehrere Warnwege zu nutzen“, sagt Aschenbrenner.
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