Ein Bunker in Dortmund

© Susanne Riese

Geheimnisvoller Ort in Dortmunds Unterwelt säuft langsam ab

rnHistorischer Schatz

Zur geheimnisvollen Dortmunder Unterwelt gehören auch Bunkeranlagen. Einer der besonders spannenden und gut erhaltenen Tiefbunker ist durch Wassereinbrüche bedroht.

Saarlandstraßenviertel

, 15.01.2020, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der ehemalige Befehlsbunker gehört zu den eindrucksvollsten Zeugen der Zeitgeschichte in Dortmund. Jetzt droht dem unterirdischen Bau aus dem Zweiten Weltkrieg der Untergang. Durch Bauarbeiten an der Oberfläche dringt massiv Wasser in die Räume ein. Bunkerwart Harry Lausch versucht zu retten, was zu retten ist. Die Schäden sind dennoch dramatisch.

Mehr als 75 Jahre hat sich die unterirdische Bunkeranlage an der Ruhrallee gut gehalten. Der Neubau eines großen Wohnkomplexes, wegen seiner Terrassenform Südtribüne genannt, weckte den unterirdischen Betonkoloss aber aus seinem Dornröschenschlaf.

Bagger rissen oberirdische Bauten wie Garagen ab und legten die Wände frei, nun kratzen sie an der Oberfläche. Die Deckschicht der gut drei Meter dicken Bunkerdecke ist bereits zum großen Teil abgetragen.

In den Fluren und langen Gängen steht das Wasser.

In den Fluren und langen Gängen steht das Wasser. © Janis Büse

Nun kann das Wasser, das seit Tagen an mehreren Stellen in die Räume sickerte, fast ungehindert durch den Stahlbeton dringen. „Mir schwimmen die Felle davon“, sagt Harry Lausch, der sich seit 2011 um den Bunker kümmert. Seit sechs Jahren bietet er Touren durch die Katakomben an.

Nach einer Führung am 11. Januar startete er gemeinsam mit seiner Frau eine Rettungsaktion. Sie sammelten die durchnässten Unterlagen, Ordner und Dokumente ein, um sie zu trocknen und einzulagern. „Wir haben alles, was abzuschrauben war, gesichert.“ Technische Geräte und Mobiliar deckten sie, so weit es ging, mit Folien ab.

In der ehemaligen Telefonzentrale hat sich der Schimmel besonders üppig ausgebreitet. Am Boden bilden sich neue Wasserflecken.

In der ehemaligen Telefonzentrale hat sich der Schimmel besonders üppig ausgebreitet. Am Boden bilden sich neue Wasserflecken. © Janis Büse

Bislang waren Bausubstanz und Ausstattung des alten Kommandobunkers in einem passablen Zustand. Strom- und Wasserversorgung funktionierten, auch die Maschine für den Luftaustausch läuft auf Knopfdruck geräuschvoll vor sich hin.

Die Ausstattung der mehr als 1000 Quadratmeter großen unterirdischen Räume stammt größtenteils aus den 70er-Jahren, als der Katastrophenschutz der Stadt die zentral gelegenen Schutzräume übernahm.

Ursprünglich wurde der Bunker 1943/44 als zentraler Gefechtsstand der Flak errichtet und gleichzeitig als Schutzraum für die NSDAP-Parteifunktionäre und die Stadtspitze genutzt.

In Zeiten des Kalten Krieges wurde das Innenleben modernisiert, 1977 hielt der Krisenstab die erste Übung in den schmucklosen Räumen ab. 1992 wurde die Kommandozentrale aufgegeben. Doch bis jetzt stapeln sich die Dokumente auf dem eigens angefertigten riesigen Stabstisch, Zigarettenkippen liegen im Aschenbecher und schimmelige Seifenstücke neben dem Spülstein.

Bunte Schimmelkulturen an den Wänden

Kaum ein Ort in Dortmund atmet so viel Geschichte wie diese unterirdischen Räume und Gänge. Derzeit ändert sich das äußere Erscheinungsbild radikal:

Die CG-Gruppe aus Berlin hat das Gelände samt Bunker übernommen und errichtet die „Südtribüne“ mit 65 Wohnungen. Der Neubau wird auf drei massiven Säulen ruhen, darunter wird die Bunkerdecke als Parkfläche genutzt.

Notdürftig fangen Eimer das durch die Bunkerdecke sickernde Wasser auf.

Notdürftig fangen Eimer das durch die Bunkerdecke sickernde Wasser auf. © Susanne Riese

Ein Feuchtigkeitsproblem gibt es in der unterirdischen Anlage schon lange, davon zeugen bunte Schimmelkulturen an den Wänden und Kalkzapfen an der stahlverkleideten Decke. Jetzt aber stehen satte Pfützen auf den Fluren, in der Leitzentrale reiht sich eine Parade von Plastikeimern auf, die das überall eindringende Wasser mehr schlecht als recht auffängt. Der Bodenbelag zeigt Wasserlachen, Feuchtigkeit zieht in die großen Luftbildaufnahmen und Karten an den Wänden und hinterlässt kreisförmige Flecken.

Am 11. Januar hat Harry Lausch die vorerst letzte Gruppe durch die klammen Gänge geführt. Alle weiteren Buchungen für Bunker-Besuche sagt er ab. „Das Wasser wird hier demnächst durch die Decke rauschen“, befürchtet er. Die große Frage sei auch, wie lange die Technik das noch mitmacht.

Harry Lausch erklärt den Teilnehmern der Bunkertour die Technische Leitzentrale.

Harry Lausch erklärt den Teilnehmern der Bunkertour die Technische Leitzentrale. © Janis Büse

Lausch hat trotzdem große Hoffnung, den Verfall stoppen zu können. Denn die Baufirma verspricht eine neue Deckschicht für die Bunkerdecke, die später als Bodenplatte für die Parkebene dienen wird. Auch die Wände sollen abgedichtet werden.

Trockenlegung und Sanierung müssen folgen

Laut Projektleiter Franz Benölken habe die alte Oberfläche den statischen Anforderungen nicht gerecht werden können. Spätestens in zwei Monaten soll der Spuk aber vorbei sein. „Ich gehe davon aus, dass die neue Decke bis Ende März aufgetragen ist.“ Dann wäre der Bunker wieder dicht. Der Bauherr wolle ihn erhalten und betreibe dafür einigen Aufwand.

Voraussichtlich im August/September soll die neue „Südtribüne“ stehen. „Ich gehe davon aus, dass sich der Schaden in Grenzen halten wird“, sagt Lausch optimistisch nach einem Gespräch mit Projektleiter Michael Müller.

„Dann müssen wir über Trockenlegung und Sanierung nachdenken“, sagt Harry Lausch. Einen Bautrockner hat er sich bereits besorgt.

Harry Lausch sagt, er habe schon immer eine Leidenschaft für ungewöhnliche Orte gehabt. Der Führungsbunker sei ihm besonders ans Herz gewachsen. Deshalb tut er alles, um ihn zu bewahren. Er wünschte, dieses einzigartige Stück Dortmund stünde unter Denkmalschutz. „Das würde einiges einfacher machen.“

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