Skurriler Streit um Straßenschild in Dortmund Namensgeber für beliebte Wohnstraße soll verschwinden

Namensgeber für Straße soll wechseln - und Anwohner nichts mitbekommen
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Anfang 2022 fanden Schüler am Anna-Zillken-Berufskolleg an der Arndtstraße in Dortmunds Innenstadt bei einer Projektwoche heraus: Der Namensgeber „ihrer“ Straße, Ernst Moritz Arndt (1769 bis 1860), war nicht nur Schriftsteller und Historiker – er war offenbar auch antisemitisch eingestellt.

Also wandten sich die Schüler an die Vor-Ort-Politiker der östlichen Innenstadt. Ihr Gedanke: Ob es nicht sinnvoll sei, die Arndtstraße umzubenennen? Herausgekommen ist nun ein Vorschlag der Verwaltung, in dem sie zwar keine „Umbenennung“ anregt. Dafür anderes.

Sie schlägt vor, alle Straßenschilder in der Arndtstraße mit einem Legendenschild zu ergänzen. Darauf wird hingewiesen, dass Arndt „als einer der bedeutenden Lyriker in der Epoche der Befreiungskriege“ gilt.

Und weiter: „Trotz des grundsätzlich freiheitlichen Grundgedankens finden sich in seinen politischen Schriften auch teilweise antisemitische, vor allem aber nationalistische Töne“, so der Text, der mit Beteiligung des Stadtarchivs und der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache formuliert worden ist.

Bei ihrer Sitzung am Dienstag (29.8.) sollen die Vor-Ort-Politiker in der östlichen Innenstadt über den Vorschlag entscheiden. Aber kommt es tatsächlich dazu? Bezirksbürgermeisterin Christiane Gruyters meldet inzwischen Zweifel an: „Wir haben noch nicht abschließend diskutiert. Möglicherweise werden wir die Entscheidung verschieben.“

Welche(r) Arndt soll es sein?

Hintergrund: Der Abschnitt der Arndtstraße zwischen Ostwall und Heiliger Weg fällt in die Zuständigkeit ihrer Kollegen aus der Bezirksvertretung Innenstadt-West. Und die grün-rote Mehrheit weiß bereits, wie sie am Mittwoch (23.8.) zu den Legendenschildern verhalten will: „Wir lehnen den Vorschlag ab“, sagt Grünen-Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß. Zumal inzwischen noch weitergehende Vorschläge angedacht werden, wie Christiane Gruyters auf Anfrage bestätigt.

Demnach kursiert obendrein die Idee, die Legendenschilder für zunächst zwei Jahre zu installieren – und die Arndtstraße danach umzuwidmen. Das heißt aber nicht etwa, dass die Straßenschilder ausgetauscht würden. Im Gegenteil.

Das Kalkül lautet: Der Name Arndt möge ruhig bleiben – gemeint sein soll eine Persönlichkeit mit gleichem Nachnamen. Nur der Vorname, der müsse eben anders sein. „Das würde bedeuten, dass die Arndtstraße weiterhin so heißt und für die Anwohner keine Adressenänderung fällig wird“, sagt Gruyters. „Es müsste halt nur der Eintrag ins städtische Kataster verändert werden.“

„Völliger Blödsinn“, entgegnet Olaf Meyer (SPD), Vize-Bezirksbürgermeister in der Weststadt. „Für mich ist das nicht nachvollziehbar.“ Bislang habe es keine Diskussion um den Straßennamen gegeben. „Warum sollen wir die Bürger jetzt plötzlich mit Macht darauf aufmerksam machen?“, fragt Meyer. Erst recht, da eines der Legendenschilder ausgerechnet in der Nähe des jüdischen Kindergartens angebracht werden würde.

„Kein Legendenschild bei uns“

Bei der jüdischen Kultusgemeinde wiederum reagiert man gelassen. Die Recherchen der Berufsschüler seien „sicherlich dankenswert“, sagt Zwi Rappaport, der Vorsitzender der Gemeinde. Er selber stehe dem Vorschlag für Legendenschilder „eher neutral gegenüber“, machte Rappaport deutlich, dass er das Thema auf der politischen Agenda nicht auf Platz eins hieven möchte. „Ich finde, wir haben insgesamt deutlich größere Probleme“, so Rappaport beispielsweise mit Blick auf die Umfragewerte der AfD.

Der östliche Abschnitt der Arndtstraße beginnt mit dem jüdischen Kindergarten. Soll dort auf jemanden aufmerksam gemacht werden, der antisemitische Töne anschlug?
Der östliche Abschnitt der Arndtstraße beginnt mit dem jüdischen Kindergarten. Soll dort auf jemanden aufmerksam gemacht werden, der antisemitische Töne anschlug? © RN

Es bleibt dabei: Die Vor-Ort-Politiker aus der westlichen Innenstadt wollen dem Vorschlag der Verwaltung nicht folgen. Stattdessen wollen sie an ihre Kollegen aus der Ost-Stadt plädieren, die Arndtstraße nicht erst in zwei Jahren, sondern sofort auf ihrer gesamten Länge umzuwidmen. Selbst, wenn sich die Bezirksvertreter aus der östlichen Innenstadt am Ende für die Legendenschilder entscheiden, stellt Fuß schon mal klar: „Auch dann wird auf unserem Abschnitt jedenfalls kein Legendenschild hinkommen.“

Dafür gibt es aber schon Ideen, wem die Straße künftig gewidmet werden könnte: der Bauhaus-Architektin und Fotografin Gertrud Arndt (1903 bis 2000). Folge: Die Namensgeberin wäre neu, die Straßenschilder hingegen blieben die alten. Und der Bürger, so das Kalkül, hätte von all dem nichts mitbekommen.

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