Friedrich Fuß fällt auf. Mit seiner hellen Lockenpracht wird er in „seinem“ Stadtbezirk schnell erkannt. „Das ist unser Bezirksbürgermeister“, raunen sich die Damen vom Awo-Walking-Treff im Westpark zu. Friedrich Fuß grüßt freundlich. „Meine Haare sind mein Markenzeichen. Damit leuchte ich richtig“, stellt er mit einem Augenzwinkern fest. „Ich habe dadurch eine ganz andere Präsenz.“
Die helle Lockenpracht ist auch eine der Konstanten im Leben von Friedrich Fuß. „Die hatte ich schon als Kind“, sagt er und zeigt als Beweis ein Kindheitsfoto. „Da war ich fünf Jahre alt.“ Am Donnerstag (18.5.) wurde Friedrich Fuß 70 Jahre alt. Und die Locken leuchten noch immer.

Der runde Geburtstag wird für Friedrich Fuß politische Konsequenzen haben. Doch dazu später mehr. Erst einmal sind die 70 Jahre ein Anlass, Bilanz zu ziehen. Und die fällt für den Grünen-Politiker sehr positiv aus. „Mit meinem Lebenslauf bin ich sehr zufrieden“, sagt Friedrich Fuß beim Rundgang durch den Westpark. Auch weil dieser Lebenslauf nicht immer geradlinig verlief.
Geboren ist Friedrich A. Roesner, wie Fuß mit Geburtsnamen hieß, am 18. Mai 1953 in Höxter als eines von sieben Kindern einer Bauernfamilie. „Ich hatte fünf Schwestern und sollte eigentlich Bauer werden“, erzählt er. „Doch mit 19 bin ich von Zuhause weggelaufen.“ Dafür ließ er sogar das kurz bevorstehende Abitur sausen. Friedrich Fuß ist homosexuell. „Und als Homosexueller konnte man es auf dem Dorf nicht aushalten.“

Stadtluft macht frei. Dieses Motto aus dem Mittelalter galt auch für Friedrich Fuß. Mit seinem damaligen Freund zog es ihn nach Dortmund. Seine erste berufliche Station war allerdings - aus heutiger Sicht ist auch das eine überraschende Wendung im Lebenslauf - zur Bundeswehr. „Acht Jahre war ich da“, erzählt Friedrich Fuß. Er wurde zum Scharfschützen ausgebildet, wurde dann Sanitäter und arbeitete als Krankenpfleger im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz.
Dann die nächste Wendung. Weil er privat schon im Ruhrgebiet sesshaft geworden war, fing Fuß nach der Bundeswehr-Zeit bei der Ruhrkohle AG an - als Krankenpfleger im Institut für Arbeitswissenschaften, das damals in Huckarde angesiedelt war. Er war an Untersuchungen zur Humanisierung des Arbeitslebens beteiligt. „Ich war auf allen Zechen der Ruhrkohle und auch im Saarland“, erinnert sich Friedrich Fuß.

Ausgefüllt hat ihn der Job allerdings nicht. „Ich hatte den Stress, dass ich keinen Stress hatte. Das hat mich richtig krank gemacht“, sagt Friedrich Fuß. Sein Arzt empfahl ihm abendliche Aktivitäten. Und so wurde Fuß zum Theater-Nerd.
In der Ära von Schauspieldirektor Guido Huonder wurde er Stammgast im Schauspielhaus. Im Hamlet mit Kammer-Schauspielerin Ines Burkhardt war er in jeder Vorstellung. „Ich saß immer in der ersten Reihe“, erzählt Fuß. „Nach der letzten Hamlet-Vorstellung hat mich Ines Burkhardt auf die Bühne geholt.“ Und das kann man auch im übertragenen Sinne verstehen. Ines Burkhardt wurde gewissermaßen zur Patin für den Einstieg von Friedrich A. Roesner alias Fuß ins Theaterleben.
Einstieg ins Theaterleben
Für seine erste Regieassistenz legte der damals 35-Jährige die Urlaubstage von zwei Jahren zusammen, arbeitete mit an der Inszenierung von Tschechows Platonow. Die Inszenierung von Annegret Ritzel, damals die 1. Oberspielleiterin am Schauspiel Dortmund, wurde 1988 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und dort von der Kritik gefeiert.
Zeitweise stand Friedrich A. Roesner sogar selbst auf der Bühne. Als vor einer Aufführung ein Schauspieler erkrankte, sprang er für ihn ein. Das Problem: Irgendwann musste er sich entscheiden zwischen dem Job bei der Ruhrkohle AG und dem Theater. Er entschied sich fürs Theater. „Pekuniär eine schlechte Entscheidung“, sagt Fuß. „Ich hatte etwa 1000 Mark weniger im Monat. Aber inhaltlich war es die beste Entscheidung.“
Mit „Josef und Maria“ von Turrini inszenierte Friedrich Fuß am Schauspiel Dortmund sein erstes Stück als Regisseur. „Das war gewissermaßen mein Gesellenstück“, sagt er. Danach heuerte er als Disponent am Theater Krefeld/ Mönchengladbach an. Von da aus ging es nach Berlin und Bern und schließlich nach Koblenz, wo Annegret Ritzel 1999 die Intendanz übernommen hatte.

Die Liebe zog Friedrich Fuß zurück nach Dortmund. Lebenspartner Dirk Fuß, sein heutiger Ehemann, ist Ur-Dortmunder. „Den kriegt man hier nicht weg“, sagt Friedrich Fuß. Also wurde auch er endgültig in Dortmund sesshaft - und startete seine politische Karriere.
Von der SPD zu den Grünen
Ein politisch denkender Mensch war Fuß schon als Jugendlicher. Mit 19 Jahren war er in die SPD eingetreten. 1980 gründeten sich die Grünen. Die Friedensbewegung, in der sich auch Friedrich Fuß engagierte, war eine ihrer Wurzeln. Also trat er 1981 in die noch junge Partei ein, in der man schnell Funktionen übernehmen musste.
„Meine Wohnung in der Robert-Koch-Straße war damals die erste Postadresse der Grünen in Dortmund“, erinnert sich Friedrich Fuß.

Als er nach seiner Theaterzeit nach Dortmund zurückkehrte, setzte er die politische Karriere bei den inzwischen etablierten Grünen fort. Zur Kommunalwahl 2004 kandidierte er für die Bezirksvertretung Innenstadt-West. „Ich war der letzte auf der Liste“, erzählt Fuß. Deshalb reichte es erst mal nicht zum Einzug in die Bezirksvertretung.
Aber die Grünen im Rat beriefen ihn als Sachkundigen Bürger in den Bürgerdienste-Ausschuss. Und als die Position des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters in der Innenstadt-West vakant wurde, rückte er in die Bezirksvertretung nach und übernahm im November 2008 den Posten.
Weil der damalige SPD-Bezirksbürgermeister Ulrich Krüger längere Zeit krank war, musste er gleich viele offizielle Termine übernehmen. „Die Leute haben dann gemerkt: Ich kann das“, stellt Friedrich Fuß fest. Da war es nur folgerichtig, dass er weiter Karriere machte. Als es nach der Kommunalwahl 2009 zu einem grün-schwarzen Bündnis in der Bezirksvertretung kam, wurde Fuß zum ersten grünen Bezirksbürgermeister in Dortmund gewählt.
Das blieb er auch, als nach der Wahl 2014 ein grün-rotes Bündnis zustande kam - mit der Vereinbarung, dass er sich mit SPD-Mann Ralf Stoltze den Posten teilt. Friedrich Fuß übernahm die ersten drei Jahre, Stoltze die zweite Hälfte der Wahlperiode.
Mit der Kommunalwahl 2020 wurden dann die Karten neu gemischt. Die Grünen erreichten stolze 40 Prozent in der Innenstadt-West und Fuß wurde erneut zum Bezirksbürgermeister gewählt.

Dass er das Amt auch diesmal nicht bis zum Ende der Amtszeit ausführen will, hatte Friedrich Fuß schon vor der Wahl angekündigt. „Meine Hoffnung war, in den Rat nachzurücken“, erklärt er. Das ist jetzt geschehen, weil Grünen-Ratsherr Julian Jansen aus Dortmund weggezogen ist.
Unabhängig davon verkündet Fuß zu seinem 70. Geburtstag seinen Rücktritt als Bezirksbürgermeister: Er will das Amt vorzeitig an die bisherige Grünen-Fraktionssprecherin Astrid Cramer übergeben. Sie soll in der September-Sitzung der Bezirksvertretung zur neuen Bezirksbürgermeisterin gewählt werden.
Warum der Wechsel erst im September? „Ich möchte als Bezirksbürgermeister am 22. September noch den Heinrich-Schmitz-Preis und den Rosa-Buchthal-Preis übergeben“, erklärt Friedrich Fuß. Die Preise waren in seiner Amtszeit ins Leben gerufen worden, um engagierte Menschen aus dem Stadtbezirk zu ehren.

Heinrich Schmitz ist eine Persönlichkeit, die Friedrich Fuß besonders am Herzen liegt. Als Lehrer setzte er sich im 19. Jahrhundert für das allgemeine Recht auf Schulunterricht ein. „Dem treuen Lehrer und edlen Menschenfreunde“ steht auf seinem Grabstein, der einen Ehrenplatz auf der alten Friedhofsfläche im Westpark hat.
Ein Satz, der auch für Friedrich Fuß gelten könnte. Nachdem er mit 58 Jahren noch mal an die Uni gegangen ist und seinen Bachelor in Erziehungswissenschaften abgelegt hat, ist er gewissermaßen ehrenamtlich zum Pädagogen geworden. Mit seinem Ehemann Dirk Fuß betreut er fünf junge Geflüchtete. „Drei von ihnen haben jetzt Abitur gemacht“, berichtet Fuß stolz. Das freut ihn als Menschenfreund ganz besonders.
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