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Schwerer Unfall wirft Fragen auf: Wie sicher sind Dortmunds Fahrradstraßen?
Radverkehr
Ein Unfall mit einem schwer verletzten Radfahrer auf einer Fahrradstraße in der Dortmunder Innenstadt wirft Fragen auf. Offensichtlich wird die Vorfahrt für Fahrräder von einigen Autofahrern nicht beachtet.
Kreuzviertel-Anwohner Walter Keller hatte es, nachdem er viele Beinahe-Unfälle beobachtet hatte, schon geahnt. „Die neuen Vorfahrtsregelungen werden von vielen Autofahrern nicht befolgt“, hatte er im November 2021 mit Blick auf die neu eingerichtete Fahrradstraße in der Große Heimstraße festgestellt.
Genau das ist jetzt offenbar einem Radfahrer an der Straße Lange Reihe in Körne zum Verhängnis geworden. Als er am Freitagabend (28.1.) auf der ebenfalls neu eingerichteten Fahrradstraße in Richtung Osten fuhr, wurde er an der Kreuzung mit der Straße Am Zehnthof von einem Auto erfasst. Er musste schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Der Autofahrer hatte offenbar die Vorfahrt des Radfahrers missachtet, die auf der Fahrradstraße gilt. Angezeigt wird die durch ein neues Vorfahrt-achten-Schild vor der Kreuzung. Bislang galt dort wie auf vielen Innenstadtstraßen die Rechts-vor-Links-Regelung. Die Änderung ist vielen Autofahrern offensichtlich nicht ausreichend bewusst geworden.

Anders als an der Fahrradstraße im Kreuzviertel weist an der Kreuzung Lange Reihe / Am Zehnthof nur das Schild "Vorfahrt achten" auf die neue Verkehrsregelung hin. © Oliver Volmerich
Im Kreuzviertel hatte die Stadt auf dieses Problem, auf das auch Walter Keller in einem Brief an die Verwaltung aufmerksam gemacht hatte, schon reagiert. Viele Autofahrer hätten sich wohl noch nicht an die neue Situation gewöhnt. „Die Eingewöhnung braucht anscheinend mehr Zeit, als gedacht“, erklärte ein Vertreter des Tiefbauamts. Deshalb wolle man nachsteuern.
Tatsächlich sind inzwischen an der Einmündung der Straße Neuer Graben auf die Große Heimstraße Schwellen installiert, die die Autofahrer zum Abbremsen zwingen und die Aufmerksamkeit auf die neue Vorfahrtsregelung lenken - wenn auch nur temporär. Außerdem ist die Fahrradstraße hier durch roten Asphalt, sogenannte „Haifischzähne“ als weiße Markierungen an den Einmündungen und eine deutlich sichtbare Beschilderung gut erkennbar.

Die Große Heimstraße im Kreuzviertel ist als Fahrradstraße auch farblich deutlich markiert. An der Einmündung Neuer Graben bremsen auch Aufpflasterungen den Autoverkehr. © Oliver Volmerich
All das gibt es - bis auf das Vorfahrt-achten-Schild - an der Langen Reihe nicht. Wie auch Norbert Kapitza vor Ort feststellt. Der Grünen-Bezirksvertreter war am Sonntagnachmittag auf der Fahrradstraße unterwegs, um sich ein Bild von den Markierungen zu machen - und zeigte sich entsetzt über den Unfall mit einem schwer verletzten Radfahrer an der Kreuzung Lange Reihe / Am Zehnthof, von dem er vor Ort erfuhr.
Die Politik in der Bezirksvertretung Innenstadt-Ost wolle sich ohnehin mit der neuen Fahrradstraßen-Regelung befassen, erklärte Kapitza. Dass es auch hier Nachsteuerungsbedarf gibt, ist für den Bezirksvertreter nach dem Unfall offensichtlich. Vielleicht könnten schon deutlich sichtbare Piktogramme auf der Fahrbahn helfen, um die Autofahrer auf die neue Regelung aufmerksam zu machen, schlägt der Grünen-Politiker vor.
Auf eine ähnliche Regelung hofft auch die Initiative „Aufbruch Fahrrad“, die am Wochenende umgehend auf den Unfall reagierte. „Wenn für Fahrradstraßen die Vorfahrt geändert wird, brauchen wir in der Übergangszeit bis zur Eingewöhnung stärkere Kontrollen und möglichst auch temporäre Maßnahmen wie Schwellen. Und zwar sofort“, erklärte „Aufbruch Fahrrad“ per Twitter.
Unfall Lange Reihe: Wenn für Fahrradstraßen die Vorfahrt geändert wird, brauchen wir in der Übergangszeit bis zur Eingewöhnung stärkere Kontrollen und möglichst auch temporäre Maßnahmen wie Schwellen. Und zwar sofort, nicht erst nach Monaten wie am RS1.https://t.co/UMvx2svzxW
— Aufbruch Fahrrad Dortmund (@aufbruch_rad_do) January 30, 2022
Auch die Stadt Dortmund drückt ihr Bedauern über den Unfall aus. Man werde sich mit dem Unfall und dem Unfallprotokoll noch genau beschäftigen und dabei prüfen, ob und welche zusätzliche Maßnahmen zur Vorsicht im Straßenraum sinnvoll sein könnten, teilt Stadtsprecher Christian Schön auf Anfrage mit. Möglich seien etwa Markierungen oder Zusatzschilder.
Stadt will weitere Maßnahmen prüfen
„Ein Vor-Ort-Termin soll dabei helfen“, erklärt Schön. „Die Fahrradstraßen in Dortmund sind noch neu und ihre Entwicklung beziehungsweise die gemachten Erfahrungen werden ohnehin genau beobachtet und ausgewertet“.
Nach ersten Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass der Autofahrer den Radfahrenden im aktuellen Fall offenbar nicht gesehen habe. Kurz zuvor habe er noch einem PKW ordnungsgemäß die Vorfahrt gewährt, berichtet Schön.
Generell halte man die Kreuzung Zehnthof/Lange Reihe vom Verkehrsaufkommen her nicht mit den Kreuzungen Kreuzstraße/Große Heimstraße und Neuer Graben/Große Heimstraße für vergleichbar. Allerdings solle auch die Lange Reihe Teil einer geplanten Veloroute werden, deren Kreuzungsbereiche in Zukunft rot markiert oder rot asphaltiert werden sollen.
Die Verkehrsplanung und die Straßenverkehrsbehörde müssten in puncto Sicherheit immer wieder abwägen, erklärt Christian Schön: „Auf der einen Seite so viele Signale wie möglich, um die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen. Auf der anderen Seite aber so wenig Signale wie nötig, denn ein Zuviel davon kann ablenken beziehungsweise die Aufmerksamkeit zu sehr streuen.“
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
