Schüler wollten ihn töten – Lehrer veröffentlicht bewegenden Facebook-Post
Martin-Luther-King-Gesamtschule
Drei Schüler wollten in Dortmund-Dorstfeld einen Gesamtschul-Lehrer mit einem Hammer töten. Dieser Lehrer meldet sich nun mit einem bewegenden Statement bei Facebook zu Wort.

Die Martin-Luther-King-Gesamtschule in Dorstfeld. Drei Schüler wollten einen Lehrer dieser Schule mit Hämmern erschlagen. © Stephan Schütze
Drei Schüler, 16 ,17 und 18 Jahre alt, locken einen Lehrer der Martin-Luther-King-Gesamtschule in einen Hinterhalt, um ihn mit Hammerschlägen zu töten. Als das misslingt, verabreden sie einen neuen Versuch. Diese Tat ließ in der letzten Woche viele Menschen fassungslos zurück.
Und, wie es so üblich ist, wurde in den Sozialen Netzwerken auch viel über Nationalitäten, Herkunft und Integration spekuliert, geredet und auch gehetzt. Jetzt hat sich der betroffene Lehrer Wolfgang W. selbst zu Wort gemeldet – bei Facebook. Mit einem bewegenden Post.
„Es muss niemand Sorge haben, dass ich die Lust an meinem Job verloren haben könnte, dass ich Angst hätte, zur Arbeit zu gehen oder Schülern mit mehr Misstrauen begegnen würde“, schreibt er dort. Er dankt seiner Frau, Freunden, Kollegen und auch der Polizei für die Hilfe in der schweren Zeit.
Appell: „Bitte beteiligt Euch nicht an rechter Hetze“
Auf keinen Fall aber möchte er „vom rechten Rand der Gesellschaft instrumentalisiert werden“, schreibt er weiter. Den Rechten wirft er die Vorstellung vor, dass Deutscher zu sein, ein besonderes Recht sei. „Das sieht meine Schule nicht so, und das sehe ich nicht so“, schreibt er. Und weiter: „Was der Haupttäter getan hat, war absolut verwerflich. Aber ich weigere mich, es an seiner Nationalität oder seinem religiösen Bekenntnis festzumachen. Es war eine Frage seines individuellen Charakters. Zeigt doch bitte einen anderen Charakter und beteiligt euch nicht an rechter Hetze.“
Lange Geschichte aus der Schulpraxis verdeutlicht seine Haltung
Wolfgang W. verdeutlicht seine Haltung weiter mit diesem Beispiel: „In einem Jahr saßen in meinem Unterricht unter Anderem ein Deutscher (mit polnischen Wurzeln), ein Perser und ein Deutscher mit türkischen Wurzeln. Der eine ist mittlerweile in der Presse bekannt als führender Vertreter der Neonazis. Ich konnte mich dennoch mit ihm unterhalten, weil er während der Schulzeit bemerkt hat, dass seine von mir abgelehnten politischen Überzeugungen keinen Einfluss auf meine Behandlung seiner Person im Unterricht hatten.
Der Perser hat unsere Schule auch aufgrund einer von meinen Noten ohne Abschluss verlassen. Dennoch ist er mit mir bis heute befreundet. Er hat mir, meiner Frau und meinem Sohn die Haare geschnitten, mir beim Umzug geholfen. Als er während seiner Ausbildung ein „Opfer“ brauchte, ließ ich mir von ihm die Haare schneiden. Seine Mutter hat dazu gekocht und ich wurde deshalb zu ihm nach Hause eingeladen.“
„Wenn ich ihn brauche, ist er da. Sofort.“
Wolfgang W. weiter: „Der Türke hat von den Dreien am erfolgreichsten die Schule absolviert. Trotz schwieriger Umstände. Und er hat sich um Integration bemüht. Ohne Erfolg. Er hat mir noch im letzten Jahr gesagt: ‚Die Deutschen wollen den Kanaken, also kriegen sie den Kanaken, ich bin es leid.‘ Ich bin Deutscher. Und wenn ich ihn brauche, ist er da. Sofort.
Alle drei haben etwas Wichtiges gelernt, auch der Neonazi: An unserer Schule müssen wir die Leistung bewerten. Und wir versuchen auch den Menschen zu bewerten. Und diese zwei Dinge sind nicht deckungsgleich. Ich konnte mit dem Neonazi reden, weil ich zunächst einmal anerkannt habe, was er schulisch geleistet hat. Er wusste, dass meine Ablehnung keine totale war. Der Perser ist zu meinem Freund geworden, weil er wusste, dass ich ihn als Mensch völlig unabhängig von seiner schulischen Leistung sehr geschätzt habe. Und der Türke weiß bis heute, dass ich nicht zu den Menschen gehöre, die ihm die Integration in unsere Gesellschaft verweigert haben.“