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Schluss mit dem Theater - hört auf, die Leute zu verwirren!
Meinung
Schulen auf? Schulen zu? Kitas auch zu? Über diese Frage haben sich Stadt und Land in dieser Woche heftig gestritten. Der Kampf ging über mehrere Runden. Am Ende stehen verwirrte Eltern.
In vielen Eltern-Whatsapp-Gruppen war am Dienstag schwer was los. Ist denn nun morgen Schule oder nicht? Das dürfte die häufigste Frage gewesen sein. Denn Dortmunds Stadtspitze hatte am Mittag nach der Sitzung des Verwaltungsvorstands in einer Pressekonferenz verkündet, die Schulen ab Mittwoch geschlossen zu halten.
Die Verwirrung fing damit an, dass nicht allen Betroffenen bewusst ist, dass die Stadt gar nicht allein über die Öffnung und Schließung von Schulen entscheiden kann. Die Stadt hat als Dienstherr der Schulhausmeister zwar die Schlüsselgewalt über die Gebäude, ob Unterricht stattfindet, entscheidet aber das Land als Dienstherr der Lehrerinnen und Lehrer.
Und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann stellte schon am Dienstagnachmittag ebenfalls in einer Pressekonferenz klar, dass man die Schulschließung ablehne. Schule findet also auch in Dortmund weiterhin statt.
Die Reaktionen auf den Dortmunder Vorstoß fielen generell sehr gespalten aus. Die Einen warfen Oberbürgermeister Thomas Westphal einen Schnellschuss und Profilierungssucht vor, für die Anderen mutierte er zum Helden, weil er bei den umstrittenen Schulöffnungen klare Kante zeigt.
Die Wahrheit liegt wohl - wie so oft - irgendwo in der Mitte. Natürlich kann man den Vorstoß der Dortmunder Stadtspitze als berechtigten Denkanstoß sehen. Ist es wirklich richtig, allein auf die Sieben-Tage-Inzidenz und die kritische 100er-Marke zu schauen? Muss man nicht auch die Dynamik und die Verbreitung von Infektionen in bestimmten Altersgruppen in den Blick nehmen und dann gezielt handeln? Und lohnt es sich, das Risiko einer Verbreitung der besonders ansteckenden britischen Virusvariante für gerade einmal fünf Tage Präsenzunterricht bis zu den Ferien in Kauf zu nehmen?
Auf der anderen Seite stehen die ebenso berechtigten Hinweise etwa auf die besondere soziale Bedeutung der Schule für Schülerinnen und Schüler, die der Distanzunterricht nicht ersetzen kann. Und dass es wichtig ist, vor allem Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen im Blick zu behalten. Und Bildung muss auch in der Pandemie hohe Priorität haben.
Es ist allgemein bekannt, dass die Landesregierung diese Linie vehement verfolgt. Sowohl Ministerpräsident Armin Laschet als auch die Fachminister haben das nach Dienstag erneut mehrfach betont - und es auch noch einmal in einem Erlass klar formuliert: Schulschließungen sollen im Infektionsschutz nur das letzte Mittel sein.
Welchen Sinn macht also dann der erneute Antrag aus Dortmund, nun ab Montag die Schulen und sogar die Kitas zu schließen? Ich finde: Nach dem gescheiterten ersten Versuch hat OB Thomas Westphal hier das Rad überdreht. Das Verhalten erinnert an Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlenflügel. Oder an jemanden, der immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand rennt.
So lange er sich dabei nur selbst Beulen holt, wäre das für die Allgemeinheit zu verschmerzen. Das Problem ist: Die wiederholten Vorstöße, in dem Wissen, dass sie eigentlich aussichtslos sind, verunsichern Eltern und Schülerinnen und Schüler massiv.
Wie sollen Eltern die Betreuung der Kinder planen, wenn sie nicht wissen, ob in der nächsten Woche Schulunterricht stattfindet? Wie sollen sich die Schülerinnen und Schüler der Abschlussjahrgänge an den Gymnasien auf ihre Vorabi-Klausuren in diesen Wochen konzentrieren, wenn es immer neue Verunsicherungen gibt? Und das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Stadt und Land trägt auch nicht gerade dazu bei, das Verständnis für die Corona-Politik zu erhöhen.
Getoppt wurde die Verwirrung am Freitag noch durch den zu früh versandten Briefentwurf des städtischen Jugendamtes für Kita-Schließungen, die schnell in Sozialen Netzwerken kursierten. Eine Panne, die allem die Krone aufsetzte.
Deshalb: Schluss mit dem Theater! Die letzte Woche bis zu den Ferien mit zwei bis drei Tagen Schulunterricht sollte mit allen Vorsichtsmaßnahmen zu Ende gebracht werden. Und in den Osterferien sollten die Verantwortlichen in Stadt und Land dann alles dafür tun, die Corona-Sicherheit zu erhöhen: Mit der Organisation von kleinen Lerngruppen und vielleicht sogar echtem Hybridunterricht, regelmäßigen Tests für Schülerinnen und Schüler (die nicht erst wieder am Ende der ersten Schulwoche ankommen sollten) und geimpften Lehrerinnen und Lehrern.
Bis dahin dürfte es auch belastbare Zahlen geben, wie sich die Corona-Pandemie entwickelt. Das wäre dann eine sichere Grundlage, über die Öffnung und Schließung von Schulen und Kitas nachzudenken - möglichst mit ausreichend Vorlauf vor dem Ferienende.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
