Raser, Poser, Dater und Tuner Warum es in Dortmund trotz Kontrollen so viele Auto-Treffen gibt

Warum es trotz Kontrollen so viele Raser, Poser, Dater und Tuner gibt
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Dortmund ist eine Autostadt. Das ist zumindest das Bild, das diejenigen bekommen, die den Dortmunder Wall und umliegende Straßen an Wochenenden betrachten.

Dichter Verkehr in den Abendstunden, viele aufgehübschte und PS-starke Fahrzeuge. Der Wall in diesen Stunden: eine einzige Real-Studie sozialer Beziehungen. Auf eine sehr extrovertierte – manche sagen: störende – Art mitten auf Dortmunds Hauptverkehrsstraßen.

Neuer Trend: Dating im Auto

Raser, Poser, Dater und Tuner – so beschreibt die Polizei Dortmund den Kreis der Menschen, die sich in Dortmund treffen. Die „Dater“ sind relativ neu in dieser Reihe. Das nimmt Bezug auf einen Trend, bei dem die Begegnung durch das Autofenster zum Start für weitere Annäherung genutzt wird.

„Der Hauptanziehungspunkt ist der Wallring“, sagt Polizeisprecherin Matthea Luhmann. Daran hat sich also in den vergangenen Jahren nichts geändert. Dabei hatte das erste Juli-Wochenende etwas anderes angedeutet.

1000 Personen und rund 600 Fahrzeuge zählte die Polizei bei unterschiedlichen Treffen auf großen Parkplätzen in mehreren Stadtteilen. Solche Orte gehören laut Luhmann zu Treffpunkten, „die unregelmäßig aber wiederkehrend frequentiert werden.“

Treffen mit mehreren Hundert Fahrzeugen seien aber „eher eine Ausnahme“.

Hinweise auf einen möglichen Verdrängungseffekt aus der Innenstadt in die Außenbezirke aufgrund der Kontrollen oder der weiteren Maßnahmen liegen laut Luhmann nicht vor.

„Konnten Szene eindämmen“

Insgesamt bilanziert die Sprecherin auf Anfrage dieser Redaktion: „Aufgrund vielfältiger Maßnahmen konnten wir diese Szene in Dortmund bereits eindämmen.“

„Eindämmen“ bedeutet aber offensichtlich nicht, dass das Phänomen verschwunden ist. Neben dem Sichtbaren an allen Freitagen und Samstagen, zeigt sich das auch in den öffentlich zugänglichen Social-Media-Profilen der Raser, Poser, Dater und Tuner.

Professionelle Szene-Partner

Hier finden sich weiterhin Dutzende Videos von den Rundfahrern am Wall neben Aufrufen jemanden zu „Spotten“, also zu suchen, den man in einem Auto gesehen hat. „BMW 1, saß hinten links“ oder „Beifahrer von DO-xx, hatte ein Hut auf“.

Das hat eine eigene Sprache, eine eigene Ästhetik und ein System, das für Zehntausende Follower funktioniert. Manche Seiten haben mittlerweile „Kooperationspartner“. Autovermietungen, Wasch-Straßen-Anbieter oder Händler von Vaping-Produkten nutzen die Reichweite.

Gastro-Betriebe und Kioske rund um den Wall kalkulieren ihr Geschäft mit dem abendlichen Publikum.

Die ruhrgebietsweiten Treffen von Anfang Juli waren präzise über Messenger organisiert. Sie liefern Bildern und Berichten zufolge sehr geregelt ab.

Die Polizei sprach von „Chaos“ und „Ruhestörung“ bei der Anreise. Strafanzeigen gab es laut Sprecherin Matthea Luhmann nicht.

Teilnehmende eines Tuner-Treffens am Revierpark-Wischlingen am 30. Juni. Große Ansammlungen warfen die Frage auf, ob es einen Verdrängungseffekt von der Innenstadt in die Stadtteile gibt.
Teilnehmende eines Tuner-Treffens am Revierpark-Wischlingen am 30. Juni. Große Ansammlungen warfen die Frage auf, ob es einen Verdrängungseffekt von der Innenstadt in die Stadtteile gibt. © Karsten Wickern (Archiv)

Wenn alles friedlich bleibt, wo ist dann eigentlich das Problem? Die Mehrheit der Anwesenden auf dem Wall und Anderswo macht nicht mehr, als ihre Freizeit mit oder in ihrem Auto zu verbringen.

Dagegen spricht Paragraph 30 Absatz 1 Satz 3 der Straßenverkehrsordnung. Hinter diesem Punkt verbirgt sich, dass Unnützes Hin- und Herfahren in Dortmund als Ordnungswidrigkeit gewertet wird. Verboten ist es demnach, innerhalb geschlossener Ortschaften ohne Ziel mehrmals eine Strecke zu befahren, ohne wirklich ein Ziel zu haben - und wenn dadurch andere belästigt werden.

Unter die Freizeitfahrer mischen sich allerdings Personen, die mit ihrem Verhalten extremen Schaden anrichten können.

Schwerverletzte nach Rennen

Zwischen Januar und Juli 2023 sind allein zwölf Unfälle mit zum Teil bestätigtem Verdacht auf illegale Straßenrennen von der Polizei gemeldet worden. In mehreren Fällen wurden die ausschließlich männlichen Fahrer teils schwer verletzt.

Der Sachschaden an Luxus-Karossen, Gebäuden und Stadtmobiliar geht in die Hunderttausenden. Die Rennen finden in der Regel außerhalb des Wallrings statt.

In einem Fall sind zwei Kinder in einem unbeteiligten Fahrzeug verletzt worden. Häufig liest sich die Unfallsituation so, als seien die Raser und Außenstehende größeren Katastrophen nur knapp entgangen.

Immer wieder distanzieren sich die Auto-Fans in der Wall-Szene von den Rasern. Die Polizei hatte nach den Einsätzen in den Stadtteilen betont, „Motorsport- und Tuningbegeisterte nicht kriminalisieren“ zu wollen.

Die Behörde verwies „auf gefährlichsten Begleiterscheinungen dieser Szene: die Raserei sowie unerlaubte Umbauten bzw. nicht fachgerechtes Tuning an den Fahrzeugen“.

Provozierende Videos

Das Verhältnis zwischen Autofahrern und Polizei ist ambivalent. In manchen Social-Media-Videos wird mit Regelverstößen und schnellem Fahren kokettiert oder über die kontrollierenden Polizisten verhöhnt.

Vereinzelt finden sich auch codierte Polizei-Schmähungen in Form der Zahlenkombination„1312“. Dies ist ein verbreitetes Kürzel für eine Beleidigung von Polizisten („All Cops Are Bastards“).

Was wiederum dafür spricht, dass sich Dortmund trotz der wiederkehrenden Bilder nicht einfach so an die Wall-Szene gewöhnen wird. „Wir werden auch weiterhin entsprechende Maßnahmen treffen“, sagt Polizeisprecherin Matthea Luhmann.

Halteverbotschilder stehen nun am Wall in der sogenannten Boxengasse.
Halteverbotschilder stehen nun am Wall in der sogenannten Boxengasse. © Felix Guth

Ähnlich äußert sich auch ein Sprecher der Stadt Dortmund. Die Verwaltung hatte zuletzt mit neuen Halteverbotszonen einen dringenden Wunsch von Anwohnern umgesetzt.

Sprecher Christian Schön sagt: „Die Beschwerdelage und die Rückmeldungen und Erfahrungen von Polizei und Ordnungsamt werden auch weiter ausschlaggebend sein für Maßnahmen, die die Straßenverkehrsbehörde im Tiefbauamt einleitet.“

Corona-Boom

Die Corona-Lockdowns waren ein Katalysator für die Auto-Treffen mitten in der Stadt. Mit hohem Aufwand hat sich das etwas abgeschwächt.

2021 hatte Oberbürgermeister Thomas Westphal deshalb das Ziel formuliert, dass diese Treffen „nirgendwo im Stadtgebiet“ stattfinden sollen. Zwei Jahre später bleibt mit Blick auf die aktuellen Meldungen zu konstatieren: Bis dahin sind noch viele Runden um den Wall zu drehen.

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