Pumpenhersteller baut Firmensitz komplett um
Wilo erfindet sich neu
Am Stammsitz des Pumpenherstellers Wilo in Hörde bleibt in den nächsten Jahren fast kein Stein auf dem anderen. Seit 2017 läuft der Bau der Fabrik der Zukunft, der „Smart Factory“. Bis 2022 soll der ganze Wilo-Campus fertig sein. Das Unternehmen investiert eine gewaltige Summe.

Bei Wilo bleibt in den nächsten Jahren fast kein Stein auf dem anderen. © Dieter Menne Dortmund
Neulich hat Martin Linge-Boom seinem fünfjährigen Neffen ein Baumaschinenverzeichnis geschenkt. Es listet alle Bagger und Maschinen auf, die es so gibt. Mit Bildern – der Traum eines fünfjährigen Baggerfreunds. Nach gründlicher Lektüre und einem Besuch auf der Wilo-Baustelle befand der Junge, dass von jeder Seite des Verzeichnisses „etwas da draußen rumfährt“.
Die Animation zeigt den Wilo-Campus so, wie er künftig aussehen soll. Bisher hat nur der Bau der Fabrik (4) begonnen.
Onkel Martin Linge-Boom erzählt die Anekdote, um zu verdeutlichen: Das bei Wilo ist eine Riesenbaustelle. Der 42-Jährige gehört zur Abteilung Immobilienmanagement, er ist der Architekt des neu entstehenden Wilo-Campus, wie das gesamte künftige Areal des Unternehmens heißt.
Großer Aufwand bei der Umgestaltung des Firmensitzes
Linge-Boom steht auf dem Dach des jetzigen Verwaltungsgebäudes an der Nortkirchenstraße 100, von hier hat man beste Aussicht auf die Baustelle auf der anderen Straßenseite. Dort entsteht die neue Fabrik, die „Smart Factory“, in der Maschinen miteinander vernetzt sind, in der Materialfluss und Logistik intelligent funktionieren.
Das Brummen und Tuten von Dutzenden Baggern ist bis oben zu hören, Linge-Boom zeigt mit der Hand auf ein rotes Fahrzeug mit Bohrer: „Auf dem Gelände der Smart Factory werden 20.000 Einzelbohrungen durchgeführt, um den schlechten Baugrund zu verbessern und um Löcher aus der Bergbauzeit per Druckverfüllung mit Kies zu verfüllen.“
Auch das ein Hinweis darauf, welchen Aufwand Wilo betreibt, um seinen Hauptsitz völlig neu zu gestalten. Im Zuge der Bauarbeiten wurden bislang sechs große Weltkriegsbomben gefunden und entschärft. 2014 wurden für eine Entschärfung sogar 17.000 Menschen evakuiert.
Fabrik ist erst der Anfang
Trotz alledem ist aus Sicht des Unternehmens die „Jahrhundert-Investition“ in Dortmund die wirtschaftlichste Lösung. Wilo machte 2016 20 Prozent seines Umsatzes in Deutschland, 56 Prozent (inklusive Deutschland) in Europa. Die Investition vor Ort sei daher jenseits der Verbundenheit zur Stadt vor allem „eine knallharte unternehmerische Entscheidung“, sagte Vorstandschef Oliver Hermes bei der Grundsteinlegung für die Smart Factory vor einem Jahr.
Und die Fabrik, die im Herbst 2019 bezogen werden soll, ist ja erst der Anfang: Im Juni beginnen südlich der Nortkirchenstraße die Arbeiten für das neue Bürogebäude, das „Future Office“, in das Anfang 2020 alle Verwaltungsmitarbeiter einziehen sollen. Auch die, die bisher an der Florianstraße sitzen. Nebenan – dort befinden sich heute noch Produktion und Verwaltung – geht es weiter: Die alten Gebäude verschwinden, es entstehen ein Kundencenter samt Museum (Ende 2021) und ein Projekt-Haus (2021-2023) mit weiterem Platz für Mitarbeiter. Der Bau einer Kita ist geplant, aber noch nicht beschlossen.
Den besten Überblick über die Baustelle und das gesamte Areal hat man von oben:
Als reine Baukosten für Fabrik und Office nannte Wilo zuletzt 120 Millionen Euro. Als Gesamtbudget sind aber 234,1 Millionen Euro veranschlagt. Inbegriffen sind Kosten wie die für den Kauf des Grundstücks, auf dem noch der städtische Betriebshof an der Nortkirchenstraße steht. Er wird im dritten Quartal 2018 leergezogen, die Gebäude werden abgerissen, dort entstehen Parkplätze.
Die Nortkirchenstraße von der Kreuzung zur Konrad-Adenauer-Allee bis etwa zum Megastore wird (voraussichtlich 2021) Teil des Wilo-Geländes. Zum Ausgleich lässt Wilo nördlich der neuen Fabrik eine neue Straße in Richtung Phoenix-West bauen. Auf Wilo-Kosten verlegt zudem die DEW21-Tochter Dortmunder Netz GmbH eine neue Stromleitung vom Umspannwerk an der Hermannstraße in Hörde an die Nortkirchenstraße.
Wilo hat einen straffen Zeitplan
Wilo baut, während die Produktion und das Geschäft durchgängig weiterlaufen, der Zeitplan ist straff. Und soll eingehalten werden: „Wir wollen hier keine Situation wie mit dem Flughafen Berlin erleben“, sagt Holger Herchenhein, Senior Vice President Group Location Management. Wilo ist weltwelt tätig, daher die englische Bezeichnung. Herchenhein ist verantwortlich für die bauliche Planung und Umsetzung sowie für die Nutzung und den Betrieb aller Fabriken und Niederlassungen von Wilo weltweit.
Der 49-Jährige ist seit sechs Jahren bei Wilo, zuvor war er unter anderem für Daimler in Südafrika tätig, hat schon viel erlebt. Während er Kaffeesahne-Döschen und Zuckerpäckchen auf einem Tisch umherschiebt, um die Logistik zu erklären, sagt er jedoch: „Das was ich hier im Moment mache, ist das Spannendste meiner beruflichen Laufbahn. Wilo Dortmund wird komplett neu.“
Neue Abläufe in der Verwaltung
Was die Produktion angeht. Und was den Dialog mit Kunden angeht: Sie können in Zukunft im Kundencenter einen virtuellen Rundgang durch die Fabrik erleben – und dann oben in den Fabrikhallen über einen „Skywalk“ laufen und die Produktion in echt sehen.
Völlig neu organisiere man auch die Abläufe in der Verwaltung, sagt Herchenhein. Auf den sieben Etagen des Office hat nicht mehr jeder seinen festen Schreibtisch – es gebe aber 110 Prozent „Arbeitsmöglichkeiten“: Schreibtische, Sofaecken, Kreativräume. Die Mitarbeiter, sagt Herchenhein, werden sich morgens einen Platz „buchen“ – dort, wo es für den Tag sinnvoll ist.
Wenn ein Ingenieur mehrere Meetings mit Vertrieblern hat, setzt er sich in deren Nähe. Solche Veränderungen sähen manche Mitarbeiter mit Sorge – das müsse man erklären. Regelmäßig gebe es Gesprächsrunden und Workshops, an denen die Mitarbeiter teilnehmen könnten. Neuigkeiten zum Bau stünden in der Wilo-App. Die diente übrigens ursprünglich dazu, Mitarbeiter bei Bombenfunden auf dem Gelände schnell zu alarmieren.