Darum verspäten sich Dortmunds neue Stadtbahnen DSW21 hinkt Zeitplan um Monate hinterher

Prüfung auf Herz und Nieren: Darum verspäten sich die neuen Stadtbahnen
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Der Wagen mit der Nummer 369 steht auf dem Betriebsgleis in Dorstfeld. Es ist die sechste neue Stadtbahn, die auf dem DSW21-Betriebshof angekommen ist - bereit zum gründlichen Technik-Check. Dutzende Kabel sind in den offenen Schaltkästen in den Fahrzeug-Wänden zu sehen.

Das sieht noch nach viel Arbeit aus. Wann der neue Stadtbahn-Wagen im Alltagsverkehr im Dortmunder Stadtbahn-Netz unterwegs sein wird, ist deshalb ebenso wie bei den fünf anderen neuen Bahnen, die schon in Dorstfeld stehen, noch unklar.

Dabei sollten die ersten neuen Bahnen, die auf den Nord-Süd-Strecken mit den Linien U41, U42, U45, U46, U47 und U49 fahren, eigentlich in diesem Oktober in den Alltagseinsatz starten. Doch die Fahrgäste müssen noch länger auf den neuen Fahrkomfort warten, den die neue Flotte verspricht. Wie lange genau, das kann auch DSW-Technikchef Ralf Habbes nicht genau sagen.

Thomas Steinröder, Leiter Schienenfahrzeuge bei DSW21, zeigt einen Teil der umfangreichen Elektrik in dem neuen Stadtbahnwagen.
Thomas Steinröder, Leiter Schienenfahrzeuge bei DSW21, zeigt einen Teil der umfangreichen Elektrik in dem neuen Stadtbahnwagen. © Oliver Volmerich

Dass die technische Abnahme der neuen Bahnen längere Zeit in Anspruch nehmen würde, war den Verantwortlichen von Anfang an klar. Denn es sind keine Fahrzeuge „von der Stange“. Gebaut werden die neuen B-Wagen nach dem Muster der schon bestehenden Flotte. Denn auch die alten sogenannten B-Wagen von DSW21 sollen später nach dem neuen Standard umgebaut werden.

Der Hersteller „Heiterblick“ aus Leipzig gehört eher zu den kleineren der Branche. Viele Prüffahrten mit den neuen Fahrzeugen können erst in Dortmund stattfinden, erklärt Habbes. Und die müssen mit den Lieferanten verschiedener Komponenten von Bremsen bis Elektrik koordiniert werden.

Aufwendige Prüfungen

Die Prüfungen sind sehr aufwendig. Um etwa die Bremsen zu prüfen, müssen die Wagen mit Betongewichten beladen werden, um das Bremsverhalten in verschiedenen „Belastungszuständen“ zu testen - eine Bahn mit wenigen Fahrgästen am Sonntagmorgen verhält sich halt anders als eine vollbesetzte Bahn beim Einsatz zu einem BVB-Spiel. Die Tests müssen immer wieder abwechselnd mit verschiedenen Gewichten gemacht werden, erklärt Thomas Steinröder, Leiter Schienenfahrzeuge bei DSW21.

Alles wird in ausführlichen Berichten festgehalten, die dann erst einem Gutachter und dann der technischen Prüfbehörde bei der Bezirksregierung Düsseldorf vorgelegt werden. „Jede Schraube, jedes Kabel und jede Verbindung ist da dokumentiert“, erklärt Steinröder.

Thomas Steinröder erklärt die Kamerakontrolle für die Wagen-Kupplungen.
Thomas Steinröder erklärt die Kamerakontrolle für die Wagen-Kupplungen. © Oliver Volmerich

Dass dieser hohe Aufwand getrieben werden muss, war bei der Zeitplanung klar. Für Verzögerungen haben vor allem viele kleine Details im Zusammenhang mit der nötigen Software gesorgt. Ein Beispiel: Um Unfällen vorzubeugen, sind an den Bahnen Kameras installiert, um die Kupplungen der Bahnen kontrollieren zu können. Bei den digitalen Kameras gab es aber Zeitverzögerungen bei der Übertragung in der Fahrerkabine. „Jetzt hat man analoge Kameras installiert, die verzögerungsfrei übertragen“, erklärt Ralf Habbes.

Probleme mit der Software

Eine andere Problemstelle ist die Software für die Steuerung der Türen, die mit Leuchtstreifen anzeigen, ob sie sich öffnen oder geschlossen bleiben. „Die Türsteuerung musste mehrfach nachprogrammiert werden“, erklärt Habbes. Auch das wird dann haarklein dokumentiert.

Das Problem ist: Das nötige Gutachten kann erst erstellt werden, wenn alle Prüfberichte und Dokumente vorliegen. „Wir müssen auf das letzte Dokument warten“, sagt Thomas Steinröder.

Erste neue Bahn vielleicht im Frühjahr 2024

Die Verantwortlichen bei DSW21 hoffen, dem Gutachter die kompletten Unterlagen bis Mitte November vorlegen zu können. Der braucht dann einige Wochen für die Sichtung und das Gutachten. Bis Ende des Jahres könnten das mit allen Unterlagen dann der Technischen Aufsichtsbehörde vorgelegt werden.

Wie lange die dann für die Prüfung und Genehmigung braucht oder ob es eventuell noch Nachbesserungsbedarf gibt, ist unklar. Ganz vorsichtig geht man bei DSW deshalb davon aus, dass die erste neue Bahn im Frühjahr 2024 in den Betrieb starten kann - zunächst auf der Linie U42, kündigt Habbes an. Die weiteren neuen Stadtbahnwagen werden dann in einem kurzen Rhythmus folgen.

Alte Bahnen sind über 50 Jahre alt

Ein Trost ist: Eine solche gründliche Typenprüfung ist nur für die beiden ersten Fahrzeuge der neuen Flotte nötig. Die anderen Wagen durchlaufen „nur“ eine sogenannte Serienprüfung. Der DSW-Technik-Chef ist deshalb optimistisch, dass bis zum Start der Fußball-EM im Juni 2024 zwölf neue B-Wagen im Einsatz sind.

Sie ersetzen dabei erst einmal die alten Bonner Fahrzeuge, die schon mehr als 50 Jahre auf dem Tacho haben und entsprechend störanfällig sind. Aktuell sind von den zehn aus Bonn übernommenen Alt-Fahrzeugen nur noch vier im Einsatz.

DSW-Technik-Chef mit der Bahn, die bei einem Unfall mit einem Lkw schwer beschädigt wurde.
DSW-Technik-Chef mit der Bahn, die bei einem Unfall mit einem Lkw auf dem Brackeler Hellweg schwer beschädigt wurde. © Oliver Volmerich

Außerdem müssen noch drei Bahnen, die bei Unfällen in den vergangenen Wochen zu Schaden gekommen sind, ersetzt werden. Vor allem bei dem Wagen, der am 28. Juli an der Münsterstraße von einem Lkw gerammt wurde, ist der Schaden enorm. Rund 400.000 Euro dürfte die Wiederherrichtung kosten, schätzt Habbes.

Langfristig wird auch diese Bahn ohnehin umgebaut. Neben der Neuanschaffung von 26 neuen Fahrzeugen bis 2025 will DSW21 64 alte B-Wagen in der eigenen Werkstatt in Dorstfeld nach dem gleichen Muster modernisieren. Am Ende wird die B-Wagen-Flotte dann um 16 Bahnen auf 90 Wagen angewachsen sein. Ziel dafür ist das Jahr 2031. Dafür investiert DSW21 nach dem bisherigen Stand gut 210 Millionen Euro

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