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„Politisch fatales Weltbild“: Linken-Chef wegen Ukraine-Postings unter Druck
Ukraine-Krieg
Nicht nur bei Facebook löst Utz Kowalewski mit seinen Posts zum Angriff auf die Ukraine Entsetzen aus. Bei den anderen Ratsfraktionen erntet der Dortmunder Chef der Linke+ nur Unverständnis.
Utz Kowalewski galt bislang als jemand, der sich vor allem für die Benachteiligten, Schwachen und Armen einsetzt. Doch mit seinen Facebook-Posts zum Ukraine-Krieg hat der Chef der Dortmunder Ratsfraktion Die Linke+ nicht nur für Verstörung gesorgt, sondern sich auch im Rat ins Abseits gestellt.
Zum Angriffskrieg auf die Ukraine erklärt Kowalewski unter anderem, Putins „Sonderoperation“ sei einstimmig vom russischen Parlament beschlossen, die Nato treibe mit Putin ihre Spielchen und im Bundestag würden „widerliche Hetzreden“ gehalten.
Auf Anfrage unserer Redaktion hatte er im Nachhinein relativierend erklärt, dass auch für ihn Putin ein Verbrecher sei. Er selbst sei gegen jeden Krieg und habe Angst vor der Eskalationsspirale.
Kowalewski - ein Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hide? Im Dortmunder Stadtrat jedenfalls erntet der Chef der Fraktion Linke+ Kritik und Unverständnis.
SPD: Politischer Kompass fehlt
Die SPD-Fraktion übt dabei noch die größte Zurückhaltung. „Ich habe bisher ein gutes persönliches Verhältnis zu Utz Kowalewski und die Zusammenarbeit im Rat ist verlässlich und respektvoll“, stellt SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven auf Anfrage fest. Dennoch sei sie über Äußerungen Kowalewskis in Bezug auf den russischen Angriff auf die Ukraine enttäuscht.
„Hier fehlen leider ein klarer politischer Kompass und eine eindeutige Distanzierung“, sagt Neumann-Lieven und relativiert gleichzeitig: „Die Äußerungen von Utz Kowalewski sollten aber auch nicht überinterpretiert werden.“ Auf die Zusammenarbeit auf der kommunalen Ebene würden Kowalewskis Posts „vorerst“ keine Auswirkung haben.
Die Sichtweise Kowalewskis auf den Krieg ziehe sich quer durch die Partei Die Linke bis nach Berlin, meint Neumann-Lieven und liegt damit auf einer Linie mit den Spitzen anderer Ratsfraktionen. Die SPD-Fraktionschefin fordert: „Es ist dringend notwendig, dass Die Linke den Angriff Russlands und den Einmarsch in ukrainisches Hoheitsgebiet verurteilt und eine Beschwichtigung dessen unterlässt.“ Die SPD-Fraktion jedenfalls verurteile den Angriff Russlands aufs Schärfste. „Krieg ist für uns kein Mittel.“
Grüne: Äußerungen sind nicht akzeptabel
Für die Fraktionssprecher der Grünen, Ingrid Reuter und Ulrich Langhorst, sind die Äußerungen und Bewertungen von Utz Kowalewski zum Krieg in der Ukraine „nicht akzeptabel“. Es gebe mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf eine souveräne Ukraine einen eindeutigen Aggressor. „Diese Feststellung als ,einseitige Schuldzuweisung‘ an den russischen Präsidenten zu bezeichnen, ist ein politisch fatales Weltbild“, betonen die beiden Fraktionsspitzen.
Reuter und Langhorst verwahren sich auch gegen Kowalewskis Vorwurf der „Hetzreden“ in der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag (27.2.), unter anderem von der Grünen-Außenministerin Baerbock. „Insbesondere ihre Rede war geprägt von der Sorge um die angegriffenen Menschen in der Ukraine und die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen in Deutschland“, unterstreichen Reuter und Langhorst.
Nicht nur innerhalb der Linken-Bundestagsfraktion, sondern anscheinend auch hier in Dortmund gebe es einiges zu klären, so die Grünen-Fraktionsspitzen: „Utz Kowalewski sollte dabei schnellstmöglich vorangehen und seine Positionierungen und Formulierungen überdenken.“
CDU: Städtepartnerschaft mit Rostow Thema im Rat
CDU-Fraktionschef Dr. Jendrik Suck sieht die erste Aufgabe des Rates darin, die lokalen Themen auf den Weg zu bringen: „Ratspolitik ist nicht Weltpolitik“. Doch Putins-Angriffskrieg sei mit nichts zu rechtfertigen „Jede Äußerung, die einen Interpretationsspielraum lässt, ist wenig hilfreich für die weltpolitische Lage und wenig hilfreich für kommunale Themen, die von solchen Äußerungen überlagert werden.“
Die Haltung der CDU-Fraktion sei eindeutig, und er gehe davon aus, so Suck, „dass auch der Rat eine Haltung formulieren wird und muss“. Schließlich würden die zu erwartenden Flüchtenden auch für die Kommunen eine Herausforderung, was wiederum eine Reihe von Beschlüssen nach sich ziehen werde.
Auch Dortmunds russische Städtepartnerschaft mit Rostow am Don werde im Lichte der Ereignisse Thema in der nächsten Ratssitzung am 31. März werden, kündigt der CDU-Fraktionschef an: „Eine eindeutige Positionierung ist zwingend geboten. Und es wäre gut, wenn man eine breite gemeinsame Haltung zu Rostow kommunizieren würde.“
FDP/Bürgerliste: Die Linken weiter Mehrheitsbeschaffer?
Für Michael Kauch, Vorsitzender von FDP/Bürgerliste, ist es angesichts Kowalewskis Relativierung des Krieges kein Wunder, dass Kowalewski seine Fraktion am heftigsten kritisierte habe, „als wir das Einfrieren der Städtepartnerschaft mit Rostow am Don forderten“. CDU und Grüne im Rat müssten sich fragen, ob sie die Linken weiter als „Mehrheitsbeschaffer für grün-schwarze Projekte nutzen wollen oder ob sie angesichts des Angriffskrieges konsequent ein Signal für die Werte der demokratischen Mitte geben.“
AfD: Aussagen sind beschämend
AfD-Fraktionschef Heiner Garbe stellt zu Kowalewkis Äußerungen fest: „Die Relativierung der Schuld Putins an einem Krieg, der nicht nur die Ukraine bedroht, ist unerträglich. Herrn Kowalewskis Aussagen dazu sind insgesamt beschämend und in Detail-Aussagen wirr.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
