
© Stephan Schütze
Dortmund erlebt einen Politikwechsel – ohne Machtwechsel an der Spitze
Politik-Barometer
2020 gab es zwei große politische Themen in Dortmund, die alles überschattet haben: Corona und die Kommunalwahl. Beide haben das Leben, beziehungsweise die Politik in der Stadt verändert.
Ob Gesundheitsamt, Ordnungsamt, Schulverwaltung, Sozialverwaltung, Wirtschaftsförderung oder nicht zuletzt die Stadtspitze selbst – seit fast einem Jahr arbeitet die Stadt im Krisenmodus. Corona hat sie dazu verdammt.
Es gab nur sechs gemeldete Verdachtsfälle in Dortmund, als es Ende Februar den ersten politischen Ärger zum Umgang mit dem Coronavirus gab. Der damalige Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) kritisierte die Landesregierung für ihr Krisenmanagement. Im Gegensatz zur Stadt Dortmund hatte das Land bis dahin keinen Krisenstab eingerichtet, um die Pandemie einzudämmen.
Sierau bemängelte eine fehlende landesweite klare Kommunikationsstruktur und unzureichende Information. Die Gesundheitsministerien des Landes und auch des Bundes müssten klare Grundlagen an die Hand geben, damit vor Ort besser über mögliche Absagen von Veranstaltungen, Dienstreisen oder Klassenfahrten entschieden werden könne, forderte Sierau.
Schnelltests und Testzentren
Am 5. März meldete Dortmund dann die ersten zwei bestätigten Corona-Fälle. Es handelte sich um ein Paar. Seitdem teilt die Stadt täglich die neuesten Corona-Zahlen mit.
Intensivbetten in Kliniken wurden für schwer Erkrankte freigehalten und aufgestockt, das Gesundheitsamt bewertete Hygiene-Konzepte, führte PCR-Schnelltests zum Nachweis des Virus Sars-CoV-2 ein und richtete zeitweise Testzentren am Klinikum-Nord sowie am Signal-Iduna-Park und zuletzt an der Bornstraße ein.
Weitere Aufgaben kamen auf die Verwaltung vor und während des ersten Lockdowns im Frühjahr zu. Häufig erhielt sie die neueste Corona-Schutzverordnung aus Düsseldorf erst in der Nacht oder früh morgens, die sie dann umgehend in eine Allgemeinverfügung gießen musste.
Die Ordnungsverwaltung hatte die Aufgabe, Kontaktverbote und die Einhaltung weiterer Corona-Regeln sicherzustellen, die Schulverwaltung musste während der Schul- und Kita-Schließungen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Schüler von Eltern anbieten, die beide als Personal kritischer Infrastrukturen tätig waren.
Ab 27. April folgte zudem die Maskenpflicht in NRW. Die Wirtschaftsförderung suchte nach Lösungen für kleine und mittlere Betriebe, die von der Pandemie schwer getroffen wurden, darunter die Schausteller.
Höhepunkt der Corona-Wellen
Mitte Juni traten erste Lockerungen in Kraft. Mit FunDOmio vor den Westfalenhallen gehörte Dortmund Ende Juni zu den bundesweit ersten drei Städten mit einem temporären Freizeitpark.
Auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle lag der Inzidenzwert in Dortmund am 7. April bei 30,5. Doch die Zahlen zogen in der zweiten Welle seit Mitte Oktober deutlich an und erreichten am 7. November den bislang höchsten Inzidenzwert von 235,8.
Trotz der Unterstützung von Studierenden und Bundeswehrsoldaten kam das Gesundheitsamt mit der Kontaktverfolgung nicht nach. Auch gab es wieder Diskussionen um Präsenz- und sogenannten Hybrid-Unterricht in den Schulen.
Doch es gibt Hoffnung auf Besserung. Inzwischen ist das Gesundheitsamt bei der Kontaktverfolgung wieder auf der Höhe. Seit November wurde in Dortmund in der Warsteiner Music Hall auf Phoenix-West ein Impfzentrum eingerichtet, das im Januar seine Arbeit aufnehmen soll.
Die erste Dortmunderin wurde bereits am 27. Dezember von einem mobilen Impfteam im Erna-David-Seniorenzentrum an der Mergelteichstraße geimpft.
Kommunalwahl betroffen
Auch auf die Politik selbst hatte das Coronavirus Auswirkungen. Bereits im Frühjahr fielen Sitzungen aus oder fanden nur in Notbesetzungen statt, weil Abstandsregeln nicht einzuhalten waren. Im Juni tagte der Rat dann erstmals mit großem Abstand in der Westfalenhalle, die auch Sitzungsdomizil während der zweijährigen Rathaus-Sanierung ist.
Betroffen war aber vor allem die Kommunalwahl – das zweite große politische Thema des Jahres – corona-bedingt mit einem Wahlkampf, den man so noch nicht kannte. Er lief weniger über zentrale Veranstaltungen und persönliche Kontakte, sondern erstmals vor allem über das Internet und die sozialen Medien.
CDU und Grüne machten sich Hoffnungen, 74 Jahre SPD-Herrschaft an der Stadtspitze zu beenden. Um das zu erreichen, gaben die Grünen für die Stichwahl eine Wahlempfehlung für den CDU-OB-Kandidaten Dr. Andreas Hollstein ab und sicherten sich dafür Zugeständnisse der CDU.
Die hatte währenddessen Querelen in den eigenen Reihen. Am Ende machte der SPD-Kandidat Thomas Westphal das Rennen.
Neue politische Kultur
Dennoch hat sich in der Politik bereits etwas verändert. Auch wenn Grüne und CDU im Rat nicht über eine absolute Mehrheit verfügen, haben sie damit begonnen, die im Wahlkampf getroffenen Vereinbarungen umzusetzen und Mehrheiten dafür zu organisieren.
Dazu zählt ein Gutachten zur Zukunft des Flughafens, ein angestrebtes und in Fachausschüssen bereits beschlossenes Moratorium für den Weiterbau der OWIIIa sowie mehr Einflussnahme des Rates auf die städtischen Töchter.
Ein weiteres Beispiel für die neue politische Kultur ist die Wahl des neuen Arbeitsdirektors für das Klinikum. CDU und Grüne haben gemeinsam mit FDP/Bürgerliste dafür gesorgt, dass der SPD-Partei-Vize Jens Peick als neuer Arbeitsdirektor keine Mehrheit im Rat fand und seine Kandidatur zurückzog.
Wäre Corona nicht gewesen, hätte die Stadt mit ihren Finanzen am Ende des Jahres gut dagestanden – mit einem zuletzt prognostizierten Plus von 45 Millionen Euro. Allerdings ist abzusehen, dass der finanzielle Corona-Schaden deutlich darüber liegen wird.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
