Pogromnacht-Gedenken: „Die jüdische Gemeinde ist mehr denn je besorgt“

Antisemitismus

Im kleinen Kreis gedachten Vertreter der jüdischen Gemeinde zusammen mit Oberbürgermeister Thomas Westphal der Pogromnacht 1938. In seiner Rede äußerte Rabbiner Baruch Babaev auch aktuelle Sorgen.

Dortmund

, 09.11.2020, 20:22 Uhr / Lesedauer: 2 min
Zum 82. Jahrestag der Pogromnacht legten Zwi Rappoport, Vorstand der jüdischen Kultusgemeinde, Oberbürgermeister Thomas Westphal und Rabbiner Baruch Babaev (v.l.) im Rahmen eines „Stillen Gedenkens“ Kränze am Platz der Alten Synagoge nieder.

Zum 82. Jahrestag der Pogromnacht legten Zwi Rappoport, Vorstand der jüdischen Kultusgemeinde, Oberbürgermeister Thomas Westphal und Rabbiner Baruch Babaev (v.l.) im Rahmen eines „Stillen Gedenkens“ Kränze am Platz der Alten Synagoge nieder. © Stadt Dortmund

Mit einem stillen Gedenken am Platz der Alten Synagoge haben Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal und zwei Vertreter der jüdischen Gemeinde am Montagabend (9.11.) an die Pogromnacht 1938 erinnert. Rabbiner Baruch Babaev und der Vorstand der jüdischen Kultusgemeinde, Zwi Rappoport, haben zusammen mit dem Stadtoberhaupt Kränze am Gedenkstein vor dem Stadttheater niedergelegt.

Im Sinne des Infektionsschutzes habe die Veranstaltung ohne Gäste oder weitere Teilnehmende stattfinden müssen, teilt die Stadtverwaltung mit. Rabbiner Baruch Babaev und Thomas Westphal hatten Reden vorbereitet, die sie nachträglich schriftlich veröffentlichten.

„Tausende können das Gute von dem Bösen nicht unterscheiden“

In seiner Rede, drückt Rabbiner Baruch Babaev die aktuelle Sorge der deutschen und österreichischen Juden aus: „Eine Woche vor dem heutigen Gedenken, haben zwar nicht alle Juden, zumindest aber die Wiener Juden wieder ähnliche Angst verspürt, wie vor 82 Jahren.“ Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr habe er gehofft, man würde aus Fehlern lernen. „Doch es kam anders, die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist mehr denn je besorgt.“

Auch auf die Coronavirus-Pandemie und die damit einhergehende Radikalisierung nimmt Babaev in der schriftlichen Fassung seiner Rede Bezug: „Die Corona-Pandemie hat gewisse Prozesse in den Köpfen einiger Menschen beschleunigt und einen bereits verdrehten Verstand mit mehr Mythen gespeist. Tausende können das Gute von dem Bösen nicht unterscheiden. So erheben sich diese Massen, um zu demonstrieren, um der Polizei mit Gewalt zu begegnen und sogar einen Sturm auf den Sitz des Deutschen Parlaments zu wagen.“

Auch zu Menschen, die bei Demonstrationen gegen die Infektionsschutzmaßnahmen nachempfundene Judensterne mit dem Wort „ungeimpft“ trugen, oder zu einem Mitbegründer von Extinction Rebellion, der den Holocaust als „fast normales Ereignis“ bezeichnet habe, äußerte sich der Rabbiner: „Den millionenfachen Mord an den Juden zu verharmlosen, ist nicht weniger gefährlich als den Holocaust zu leugnen.“

„Wir müssen die Demokratie wenn nötig auch verteidigen“

Oberbürgermeister Thomas Westphal erinnerte in seiner Rede ebenfalls an die zahlreichen Opfer der Novemberpogrome. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 91 Menschen ermordet, viele mehr starben später an ihren Verletzungen. Etwa 1200 Synagogen und Gebetshäuser wurden niedergebrannt, etwa 7500 jüdische Geschäfte zerstört. Die Gewalttaten waren vom NS-Regime gelenkt.

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„Wir müssen die Demokratie pflegen und wenn nötig auch verteidigen“, so Thomas Westphal. „Das ist die Aufgabe von jedem und jeder Einzelnen von uns. Wir alle tragen die Verantwortung, dass es keine schweigenden Mehrheiten mehr gibt.“

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