Seit 2007 sind Bulgarien und Rumänien EU-Mitglieder. Keine Sozialstandards, viel Armut – das führte zu großen Problemen. Wie ist die Lage jetzt? Ein Zustandsbericht aus Dortmund und Plovdiv.

Dortmund

, 19.03.2019, 11:34 Uhr / Lesedauer: 6 min

Die Beitritte Rumäniens und Bulgariens 2007 in die Europäische Union führten zu großen Problemen in Ruhrgebietsstädten wie Dortmund, Gelsenkirchen und Duisburg. Alleinreisende und Familien hofften auf ein besseres Leben in Westdeutschland. Wer einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung nachweisen konnte und schnell Deutsch lernte, hatte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Andere scheiterten, fanden weder Arbeit noch Wohnung, wurden von dubiosen Geschäftemachern ausgebeutet und landeten auf der Straße.


Wie ist die Lage zwölf Jahre nach dem Beitritt beider Länder in die EU? Wir haben in Dortmund nachgefragt und erneut die Stadt Plovdiv im Osten Bulgariens besucht, um mit den Menschen über Armut, Arbeit und Perspektiven zu sprechen. Das Bild in beiden Städten ist durchwachsen.

Längst haben die Behörden in Dortmund auf Betrugsversuche in den Sozialsystemen reagiert. Längst haben Bulgaren und Rumänen auf dem Dortmunder Arbeitsmarkt Fuß gefasst und den Traum von einem besseren Leben realisiert. Die Integrationshilfen funktionieren.

Hier eine Videoanalyse unseres Redakteurs Peter Bandermann, der im März 2019 zum fünften Mal in Plovdiv recherchiert hat:

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Arbeit gibt es auch in Bulgarien

Armut und Elend in Stolipinovo

In der bulgarischen Stadt Plovdiv, 150 Kilometer von der Hauptstadt Sofia und 170 Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt, wächst die Wirtschaft. Auf der anderen Seite: Wie beim ersten Besuch eines Reporterteams der Ruhr Nachrichten im Jahr 2011 ist der Plovdiver 55.000-Einwohner-Bezirk Stolipinovo eine humanitäre Katastrophe.

Armut und Elend bestimmen das Bild. Sozialprojekte wie die über Spenden vor allem aus Westeuropa finanzierte Schneiderwerkstatt der Nationalen Allianz für die Arbeit mit Freiwilligen können an Nähmaschinen ausgebildete Frauen in Arbeit vermitteln, sind aber die Ausnahme. In Bulgarien gibt es keinen sozialen Arbeitsmarkt.

Große Altersarmut auch bei Zuwanderern

„Keine Arbeit.“ Das hört das Team im Büro „Willkommen Europa“ an der Braunschweiger Straße in der Dortmunder Nordstadt immer wieder von Zuwanderern. Bis zu 60 Besucher beraten die Sozialarbeiter und Vermittler am Tag.

Anders als 2014, im Jahr der Eröffnung, kommen nicht mehr nur junge Bulgaren oder Rumänen nach Dortmund, sondern „zunehmend auch Ältere“, berichtet Frank Merkel vom Integrationsfachdienst der Caritas. „Über den Winter besuchen sie ihre Kinder und Enkelkinder in Dortmund. Wir erkennen dabei eine große Altersarmut“, sagt Frank Merkel. Die ökumenische Initiative „Gast-Haus statt Bank“ versorge immer mehr Ältere auch medizinisch. Kostenlos.

Das Team im Büro „Willkommen Europa“ konnte schon viele menschliche Schicksale auffangen und Existenzen sichern. Doch es gibt auch aussichtslose Fälle. „Existenznot und Wohnungslosigkeit waren immer ein Thema“, sagt Frank Merkel, „aktuell wird es stärker“. Anders als vor wenigen Jahren würden Zuwanderer aus Osteuropa nicht mehr auf direktem Weg aus ihrer Heimat ins Ruhrgebiet ziehen.

„Wir beobachten Migrationsbewegungen über den gesamten europäischen Kontinent“, erklärt er. Vor allem Rumänen kämen auf verschlungenen Reisewegen über Italien, Frankreich und Spanien nach Westdeutschland.

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Kommen und Gehen in Dortmund

In Dortmund sei „mehr ein Kommen und Gehen als ein Bleiben zu erkennen.“ Die Perspektivlosigkeit führe immer öfter zu Rückkehr-Gedanken. Rückkehr-Berater sollen die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern forcieren. Frank Merkel: „Wir wollen diese Menschen nicht einfach rausschaffen und einen Haken dranmachen, sondern dafür sorgen, dass sie in ihrer Heimat gut ankommen, eine Wohnung finden und bestenfalls für eine Arbeit qualifiziert werden.“

Das gelinge nur bei wenigen Menschen. Es fehle an Strukturen und Kontakten für eine internationale Zusammenarbeit. „Häufig fehlen uns Abnehmer“, sagt Frank Merkel.

Alltagsbild in Plovdiv: Ein Mann verkauft Obst am Straßenrand, um sein Einkommen zu verbessern.

Alltagsbild in Plovdiv: Ein Mann verkauft Obst am Straßenrand, um sein Einkommen zu verbessern. © Peter Bandermann

Altersarmut ist in Bulgarien ein großes Problem. Senioren stehen in Plovdiv mit einer Kiste Obst oder Blumen am Straßenrand, um sich ein paar Leva dazu zu verdienen. Ein Experte vor Ort erklärt das so: Viele Bulgaren ließen sich auf ein niedrigeres Gehalt ein, damit sie und ihre Arbeitgeber weniger Geld in die Sozialversicherung einzahlen. Die Differenz zur vollen Höhe des Gehalts gebe es dann bar. Und so fehlt das Geld später bei der Rente. Manche, sagt der Experte, müssten dann mit nur 150 Euro im Monat auskommen. Das sind rund 300 Leva.

Lohn über dem üblichen Niveau

Der aus Bonn stammende 55-jährige Unternehmer Martin Els könnte in seinem Betrieb in einem Gewerbegebiet zwischen der Autobahn nach Sofia und dem Stadtrand von Plovdiv sofort sechs Arbeitskräfte einstellen. Er zahle Lohn über dem ortsüblichen Niveau und steuere „nicht einen einzigen Leva“ an den Sozialkassen vorbei. Doch seine Produktion für Kunststoffteile für die europäische Automobilindustrie motiviere keinen der Arbeitslosen in der Stadt, den Blaumann überzuziehen.

900 bis 1000 Leva zahlt Martin Els für einen Mann oder eine Frau an der Maschine. „Wir ziehen hier alle an einem Strang“, sagt er, „denn geht es der Firma gut, geht es allen gut.“

3200 freie Arbeitsplätze allein in Plovdiv

Keine Arbeit in Bulgarien? „Komplett falsch“, sagt Martin Els und öffnet in seinem Büro die Internetseite für den Arbeitsmarkt in Plovdiv. Am 8. März 2019 um 10 Uhr wirft der Server über 3200 freie Stellen allein für Plovdiv aus, darunter auch einfache Arbeiten. 341.000 Menschen wohnen und 500.000 Menschen arbeiten in der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Zählt man die freien Stellen im Umland dazu, steigt die Zahl der Jobangebote auf mehr als 6200.

Zu viele Menschen würden sich „in der sozialen Hängematte“ ausruhen, kritisiert der Unternehmer. Er weiß, dass die Preise in Bulgarien anziehen, dass in einem harten Winter in schlecht isolierten Häusern die Stromrechnung auf bis zu 200 Euro steigen kann. Martin Els sorgt sich vor dem von Bulgarien erwünschten Umstieg vom Leva auf den Euro: „Dann platzt hier eine Bombe“, lautet seine Prognose. Er befürchtet Rückschritte. „Es gab schon einmal Zeiten, in denen Polizisten hier den Sprit für den Streifenwagen aus eigener Tasche bezahlen mussten. Da darf sich keiner über Korruption wundern“, sagt er.

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Der Arbeitsmarkt in Plovdiv: Zwischen Obstverkauf am Straßenrand und Fachkräftemangel

Obstverkauf am Straßenrand, als hochspezialisierte Fachkraft an computergesteuerten Fräsen und in der Ausbildung für eine Arbeit in der Textilindustrie: Der Arbeitsmarkt in Plovdiv ist vielfältig. Viele Unternehmen bieten freie Stellen an, finden aber keine Bewerber.
19.03.2019
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Alltagsbild in Bulgarien Ein Mann aus Plovdiv verkauft Obst am Straßenrand, um sein Einkommen zu verbessern.© Peter Bandermann
80 Angestellte und Auftraggeber aus ganz Europa: Dimitar Tanevs Unternehmen sucht vergeblich Fachkärfte und Helfer© Peter Bandermann
Dimitar Tanev stellt Spezialwerkzeuge her. Seine Mitarbeiter und Maschinen müssen auf den tausendstel Millimeter genau arbeiten.© Peter Bandermann
Maria Shishkova managt die Schneiderwerkstatt in Plovdiv. Frauen aus Stolipinovo absolvieren eine einjährige Ausbilddung. Öffentlich gefördert wird die Werkstatt allerdings nicht.© Peter Bandermann
Die Nähmaschinen in der Schneiderwerkstatt stammen aus Deutschland.© Peter Bandermann
Viele Frauen aus Stolipinovo steigen erst spät in die Berufswahl ein, denn die Familie hat Vorrang. Die Schneiderwerkstatt qualifiziert sie für einen Arbeitsplatz in der Textilindustrie.© Peter Bandermann
Die 2015 gegründete Schneiderwerkstatt in Plovdiv bildet Frauen aus Stolipinovo aus. Sie haben dann sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.© Peter Bandermann
Ausbildung an der Nähmaschine: Sevelin Tair aus Stolipinovo (inks) und eine Ausbilderin in der Schneiderwerkstatt.© Peter Bandermann
Typisches Bild am Straßenrand: Bürger verkaufen Obst, Gemüse und Blumen an Paassanten.© Peter Bandermann
Maß nehmen für die Zukunft: Die Schneiderwerkstatt in Plovdiv bildet Frauen aus. Nach der einjährigen Ausbilddung haben sie beste Chancen auf einen Arbeitsplatz in der Textilindustrie. In Plovdiv gibt es 45 Textilunternehmen.© Peter Bandermann
Dimitar Tanev an einer seiner modernen Fräsen, die Präzisionswerkzeuge herstellen.© Peter Bandermann
Keine Arbeit in Bulgarien? Der Unternehmer Dimitar Tanev lässt das nicht duchgehen. Er könnte sofort sechs Maschinenhelfer einstellen, findet trotz intensiver bemühungen aber keine Bewerber.© Peter Bandermann
Mit zwei Bohrmaschinen und der Fräse im Hintergrund gründete Dimitar Tanev 1991 sein Unternehmen in Plovdiv. Heute ist er Arbeitgeber für 80 Angestellte.© Peter Bandermann
Unternehmer Martin Els: "80 Prozent der bulgarischen Arbeitnehmer sind zum Minimallohn angestellt. Das wirkt sich auf die Renten aus."© Peter Bandermann
Alltagsbild in Bulgaarien Ein Mann aus Plovdiv verkauft Obst am Straßenrand, um sein Einkommen zu verbessern.© Peter Bandermann
80 Angestellte und Auftraggeber aus ganz Europa: Dimitar Tanevs Unternehmen sucht vergeblich Fachkärfte und Helfer© Peter Bandermann
Dimitar Tanev stellt Spezialwerkzeuge her. Seine Mitarbeiter und Maschinen müssen auf den tausendstel Millimeter genau arbeiten.© Peter Bandermann
Maria Shishkova managt die Schneiderwerkstatt in Plovdiv. Frauen aus Stolipinovo absolvieren eine einjährige Ausbilddung. Öffentlich gefördert wird die Werkstatt allerdings nicht.© Peter Bandermann
Die Nähmaschinen in der Schneiderwerkstatt stammen aus Deutschland.© Peter Bandermann
Viele Frauen aus Stolipinovo steigen erst spät in die Berufswahl ein, denn die Familie hat Vorrang. Die Schneiderwerkstatt qualifiziert sie für einen Arbeitsplatz in der Textilindustrie.© Peter Bandermann
Teambesprechung in der Schneiderwerkstatt.© Peter Bandermann
Die 2015 gegründete Schneiderwerkstatt in Plovdiv bildet Frauen aus Stolipinovo aus. Sie haben dann sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.© Peter Bandermann
Ausbildung an der Nähmaschine: Sevelin Tair aus Stolipinovo (inks) und eine Ausbilderin in der Schneiderwerkstatt.© Peter Bandermann
Typisches Bild am Straßenrand: Bürger verkaufen Obst, Gemüse und Blumen an Paassanten.© Peter Bandermann
Maß nehmen für die Zukunft: Die Schneiderwerkstatt in Plovdiv bildet Frauen aus. Nach der einjährigen Ausbilddung haben sie beste Chancen auf einen Arbeitsplatz in der Textilindustrie. In Plovdiv gibt es 45 Textilunternehmen.© Peter Bandermann
Keine Arbeit in Bulgarien? Der Unternehmer Dimitar Tanev lässt das nicht duchgehen. Er könnte sofort sechs Maschinenhelfer einstellen, findet trotz intensiver bemühungen aber keine Bewerber.© Peter Bandermann
Mit zwei Bohrmaschinen und der Fräse im Hintergrund gründete Dimitar Tanev 1991 sein Unternehmen in Plovdiv. Heute ist er Arbeitgeber für 80 Angestellte.© Peter Bandermann
Unternehmer Martin Els: "80 Prozent der bulgarischen Arbeitnehmer sind zum Minimallohn angestellt. Das wirkt sich auf die Renten aus."© Peter Bandermann
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Plovdiv blüht auf

Plovdiv, auch die älteste Stadt Europas, blüht gerade auf. Das Leben ist hier günstiger als in der Hauptstadt. IT-Unternehmen lassen sich nieder. Das Szene-Viertel „Kapana“ spiegelt den Aufbruch. Wer eine Berufsausbildung hat, könne sich bei rund 30 bulgarischen Mittelstands-Unternehmen einen Arbeitsplatz aussuchen, sagt Martin Els. Die Wirtschaft wächst und sie könnte noch stärker wachsen, wenn Unternehmer wie der Diplom-Ingenieur Dimitar Tanev ihre freien Stellen besetzen könnten.

„Das stimmt nicht“, sagt auch Dimitar Tanev über die in Dortmund oft gehörte Aussage, dass es in Plovdiv an Arbeitsangeboten auch für gering bis gar nicht Qualifizierte mangele. Der Ingenieur könnte in seinem Produktionsbetrieb für Präzisionswerkzeuge mit 80 Angestellten sofort sechs Maschineneinrichter einstellen und den Umsatz steigern. Doch ihm fehlen die Bewerber.

Europa sichert Arbeitsplätze

Mit einer Fräse und zwei Bohrmaschinen gründete der Ingenieur 1991 sein Unternehmen. Sein Herz schlägt für Europa. Die Europäische Union hat ihn nach dem EU-Beitritt Bulgariens mehrmals beim Kauf supermoderner Fräsmaschinen unterstützt. Kunden aus ganz Europa schwören auf Tanevs Präzisionsarbeit. „Europa sichert hier die Arbeitsplätze“, sagt er. Von Bulgarien fordert er den Aufbau eines Dualen Schulsystems nach deutschem Vorbild. Die Unterrichtsinhalte in den Technikschulen müssten dringend ein Update erhalten.

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Plovdiv ist die älteste Stadt Europas

Plovdiv ist die älteste Stadt Europas und und zweitgrößte Stadt Bulgariens. Über 340.000 Menschen leben hier. Die Stadt erlebt gerade eine Aufschwung. Hier sind Bilder aus dem Zentrum Plovdivs.
19.03.2019
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Weil ihm Produktionshelfer und Fachkräfte fehlen, hat Dimitar Tanev die Arbeitsmärkte, Löhne und Kosten verglichen. Sein Fazit: „Wer Bulgarien verlässt, sieht nur die höheren Gehälter im Westen und nicht die allgemein höheren Kosten. Die Auswanderer erkennen nicht, dass sie im eigenen Land unterm Strich einen höheren Lebensstandard haben könnten.“

Westeuropa zieht die Fachkräfte ab

Eine „Entvölkerung ganzer Regionen“ erkennt Mirko Schwanitz, der 1997 in Berlin den Verein zur Förderung bulgarischer Kinderheime mitgegründet hat und inzwischen mit einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft von Deutschland aus um Spenden für Sozialprojekte wirbt. Auch er hat eine Erklärung für die Auswanderung: „Westeuropa saugt alles ab, was geht, um auf den eigenen Fachkräftemangel reagieren zu können.“

Er sieht Defizite in Bulgarien: „Europa arbeitet sich nicht in die Arbeits- und Bildungsprobleme ein. Es gibt falsche Ansätze, das Geld wird falsch verteilt, die Verteilung wird nicht kontrolliert. Die Regierung verkennt, dass die große Gruppe der Roma das demografisch jüngste Arbeitspotenzial besitzt.“ Die Zustände führten auch bei Intellektuellen zu einer Globalisierungskritik und Skepsis gegenüber Europa. Bei den Europawahlen war die Wahlbeteiligung in Bulgarien schlecht. 2007, im Jahr des Beitritts in die EU, lag sie bei nur 29,2 Prozent, und 2014 bei 35,8 Prozent (EU-Durchschnitt: 42,6 %).

Jugendlichen fehlt das Vertrauen in den Staat

Für junge und an den Schulen gut ausgebildete Bulgaren geht es nicht um die Lage auf dem Arbeitsmarkt oder um die Rente. Yasen Kirilov, Arika Adams, Maria Dicheva, Bozhidara Tsvetilova und Dimitar Gadzhev sind zwischen 15 und 18 Jahre alt. Sie sprechen perfekt Englisch, sind teilweise schon quer durch Europa gereist, haben München, Berlin, Paris und London gesehen und schwärmen von der stolzen Geschichte Bulgariens und der einzigartigen Natur. Doch ihnen fehlen Angebote für die junge Generation. „Andere europäische Länder sind da viel weiter entwickelt“, sagt die 15-jährige Maria Dicheva.

Maria Dicheva, Bozhidara Tsvetilova, Arika Adams, Dimitar Gadzhev und Yasen Kirilov (von links) aus Plovdiv wünschen sich schnelle und große Fortschritte für ihr Land.

Maria Dicheva, Bozhidara Tsvetilova, Arika Adams, Dimitar Gadzhev und Yasen Kirilov (von links) aus Plovdiv wünschen sich schnelle und große Fortschritte für ihr Land. © Peter Bandermann

„Man fühlt sich hier nicht als Europäer. Das liegt an der sozialen und ökonomischen Situation“, meint Yasen Kirilov (16). Die junge Generation fühle sich eingeengt. Yasen spricht von korrupten Politikern, die viel versprechen, aber nicht zum Wohle des Volkes entscheiden würden. Alles sei „old school“. Yasen: „Wir hören immer wieder von unseren Eltern, dass sich etwas verändern muss. Aber es verändert sich nichts.“ Die Korruption blockiert Fortschritte in Bulgarien.

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Alles konzentriert sich auf Sofia

Im Gespräch mit den fünf jungen Bulgaren ist spürbar: Bei aller Heimatliebe fehlt ihnen ein Grundvertrauen in den Staat. „Hier ist nichts für mich“, sagt Arika Adams. Sie möchte Bulgarien „für eine längere Zeit verlassen“, Musik studieren und in der Musikindustrie arbeiten. Die fünf Jugendlichen aus Plovdiv wollen in dem zentralistisch aufgebauten Land fürs Studium nicht in die teure Hauptstadt Sofia ziehen müssen und erwarten, dass die Universität Plovdiv mehr Studiengänge anbietet, zum Beispiel Grafikdesign.

Alles konzentriere sich auf Sofia. Zwischen der Hauptstadt und anderen Städten fehle eine Balance.

„Bulgarien wird immer meine Heimat sein“

Der 18-jährige Dimitar Gadzhev sitzt fast schon auf gepackten Koffern. Wie auch die rund 140.000 jungen Deutschen pro Jahr, die im Ausland studieren. Er hat das Deutsch-Diplom in der Tasche, denkt in technischen Dimension, war bereits für vier Wochen in München und rechnet noch, ob er sich eine Ausbildung bei BMW in der bayerischen Landeshaupt oder bei Mercedes in Stuttgart leisten kann. „Bulgarien“, sagt Dimitar, „Bulgarien wird immer meine Heimat sein. Aber wenn du etwas Größeres willst, dann gehst du ins Ausland.“

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