Emelie ist zweieinhalb Jahre alt und voller Tatendrang. Ihre Augen blitzen vor Neugierde. Und sie ist kuschelbedüftig, sucht die Nähe zu Mama Nina und Papa Sascha. Seit August 2022 besucht sie die U3-Gruppe einer Kindertageseinrichtung.
„Sie hat einen festen Platz, aber die Eingewöhnung begann ganz langsam“, sagt Nina Michels. Erst war die Mama mit im Raum, dann blieb die Zweijährige zehn Minuten allein in der Gruppe, später eine Stunde. „Emelie hat sich schwer getan“, erzählt die Mutter. „Darum macht es die Sache für sie nicht leichter, wenn die Gruppe geschlossen ist.“
Und das war in letzter Zeit häufiger der Fall. Krankheitswelle. Eine Vollzeitkraft und zwei Teilzeitkräfte betreuen die Unter-Dreijährigen. Bei manchen Ausfällen muss die Gruppe ganz schließen – zu groß die Personalknappheit, um aus den anderen Gruppen der Kita umzuschichten. Fällt eine der Teilzeitkräfte aus, endet der Kindergarten-Tag statt um 14.15 Uhr bereits um 13 Uhr. Die Nachricht darüber kommt manchmal erst am Abend vorher.
Markthändler und Gemüsebauer
Nina Michels macht der Einrichtung keinen Vorwurf. „Wir sind mit der Kita sehr zufrieden, das Konzept stimmt, die Erzieherinnen sind nett und qualifiziert“, sagt die 32-Jährige. „Emelie fühlt sich wohl da, der Kindergarten ist toll.“ An regulären Tagen brechen Mutter und Tochter früh um 6 Uhr zu Fuß zuhause in Dortmund-Mengede auf. „Emelie schläft dann noch eine Runde im Kinderwagen.“
Mittags macht holt Nina Michels ihre Tochter wieder ab. „Dann gehen wir meistens noch auf einen Spielplatz.“ Der Tag beginnt bei Familie Michels ohnehin früh.
Sascha Michels hat einen Markthandel für Obst und Gemüse. Im eigenen Betrieb an der Königsheide baut er Tomaten, Paprika, Zucchini und Kräuter an. Hinzu kommt ein gepachtetes Feld für Kohl und Porree.
Sascha Michels ist auf Wochenmärkten groß geworden. Nach der kaufmännischen Ausbildung erfüllte er sich seinen Traum als Markthändler für Obst und Gemüse. Seine Verkaufswagen stehen sechs Tage in der Woche auf dem Hansamarkt in Dortmund, in der Hagener Innenstadt und in Bochum. Im Sommer öffnen Michels sonntags ihren Verkaufsstand auf dem Hof ihres Betriebs.
2020 kaufte das Paar die ehemalige Gärtnerei in Dortmund-Mengede. Sascha Michels setzt auf regionalen Anbau, auf Qualität eines Kleinversorgers. „Herkunftsland Dortmund“, steht augenzwinkernd auf Schildern seiner Auslage. Nur zum Teil kauft der 32-Jährige Obst und Gemüse auf dem Großmarkt hinzu. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er seinen Beruf liebt. Aber es ist eben ein Fulltime-Job – an sieben Tagen in der Woche.

Nina Michels ist gelernte Sozialversicherungskauffrau. Als Emelie zur Welt kam, ging sie in die Elternzeit. Für Dezember kündigt sich weiterer Nachwuchs an. Sie wird die Elternzeit verlängern. „Ob ich noch einmal in meinen Beruf zurückkehre, wird sich zeigen“, sagt die 32-Jährige. Homeoffice sei keine Option. „Ich kann mir nicht vorstellen, konzentriert mit Kunden zu telefonieren, wenn Emelie zuhause ist.“
Schon jetzt arbeitet sie in der Elternzeit im Familienbetrieb mit, erledigt die Büroarbeiten, macht den Lkw-Führerschein. Ist die Gruppe in der Kita wegen der Personalsituation geschlossen, sei das kaum möglich. „Dann muss ich mich um die Mahlzeiten kümmern - und Emelie beschäftigen.“ Die Konsequenz: „Wir müssen jemanden beschäftigen, der meine Arbeit macht.“
Sascha Michels ergänzt: „Das kostet uns Geld. Wir müssen einen Mitarbeiter mehr bezahlen - oder ich muss Ninas Arbeit übernehmen.“ Oder zur Not die Familie einspannen: Während eines zweitägigen Krankenhausaufenthalts seiner Frau habe seine Schwiegermutter Emelie morgens in den Kindergarten gebracht.

An einem der Tage endete die Betreuungszeit schon um 13 Uhr, Ausfall, siehe oben. Da musste Sascha Michels dann selbst ran: „Ich habe Emelie abgeholt und mitgenommen zum Markt“, erzählt der Obst- und Gemüsehändler. Anders ging es eben nicht. Erkenntnis nach dieser Erfahrung: „Den Markt mittags mit aufzuräumen ist für sie nicht so spannend.“
Dabei hat die Zweieinhalbjährige durchaus Spaß, wenn sie mit ihrem Papa unterwegs ist. Auf dem Beifahrersitz des Lastwagens ist ein Kindersitz befestigt. Der Betrieb vor der Haustür bietet Abwechslung. Emelie malt beim Besuch unserer Redaktion im Büro auf einem Block.
Zwischen Beeten und Gewächshäusern gibt es immer etwas zu entdecken. Begeistert füttert die Kleine die Hühner. „Emelie spielt auch alleine“, sagt Nina Michels. Sie muss also nicht permanent bespaßt werden. Aber: „Wenn die Kita geschlossen ist, hat sie nicht den Kontakt zu den anderen Kindern in der Gruppe.“

Unterm Strich: Der Personalmangel und das immer wieder auftretende Schließen der Kita-Gruppe ist für Selbstständige wie Familie Michels eine Herausforderung - denn irgendwie muss Emelie integriert werden. Immerhin geht das als Selbstständige zumindest halbwegs, siehe oben. Was den Eltern sehr bewusst ist: „Bei Arbeitnehmern ist es nicht besser“, sagt Nina Michels. „Da musst du dann deinen Urlaub nehmen - oder deinen Arbeitgeber betrügen und einen Krankenschein nehmen.“
Eine Freundin, deren Kind mit Emelie den Kindergarten besucht, sei selbst Erzieherin. „Wenn sie sich um ihr Kind kümmern muss, fehlt sie in ihrer Einrichtung.“ Das Problem des Personalmangels verstärkt sich dadurch noch.
Sascha und Nina Michels wünschen sich mehr Verlässlichkeit bei den Öffnungszeiten – „obwohl wir natürlich wissen, dass der Personalmangel da ist“. Deswegen richtet sich ihre Kritik auch nicht an die Einrichtung. „Wir wünschen uns mehr Unterstützung vom Staat, wenn Emelie nicht in die Einrichtung kann“, sagt Sascha Michels. „Zu den Zeiten kostet es das doppelte Geld.“ Denn die Kindergarten-Beiträge müssen sie trotzdem zahlen. Zusätzlich zur Hilfskraft, die die Arbeit der Mutter übernimmt.
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