Susanne Eisbrich ist Paartherapeutin in der Beratungsstelle Westhoffstraße. Sie denkt, dass Corona vor allem alte Probleme in Beziehungen verschärfen kann. Auch viele Dortmunder gaben in unserer Umfrage „Mensch, wie glücklich bist du?“ an, dass ihre Beziehung unter den Corona-Bedingungen leidet. © Privat/Unsplash, Montage Ruhland
Glücksserie
Paartherapeutin über Beziehungsprobleme: „Corona funktioniert wie eine Lupe“
Das Coronavirus hat sich in alle Lebensbereiche gedrängt - auch in Beziehungen. Die Dortmunder Paartherapeutin Susanne Eisbrich glaubt, dass die Pandemie oft alte Probleme in Beziehungen offenlegt.
„Corona funktioniert wie eine Lupe“, sagt Paartherapeutin Susanne Eisbrich. Die Pandemie halte das Vergrößerungsglas auf alles, was schon vorher falsch lief und sorge dafür, dass man die Probleme nicht mehr ignorieren könne - auch in Partnerschaften.
Etwas mehr als 40 Prozent der Dortmunder, die an unserer Umfrage „Mensch, wie glücklich bist du?“ mit Fragen rund um das Leben in der Pandemie teilgenommen haben, haben angegeben, dass ihre Beziehung unter den Bedingungen von Corona leidet (794 Antworten).
Davon sagten 7,18 Prozent, dass ihre Beziehung „sehr deutlich“ unter der Pandemie leidet, 13,22 Prozent antworteten „deutlich“. 21,16 Prozent antworteten auf die Frage mit „etwas“. Insgesamt gaben damit 41,56 Prozent der Befragten an, dass sich Corona negativ auf ihre Beziehung auswirkt.
Die gute Nachricht: Mit 34,89 Prozent erklärten die Dortmunder am häufigsten, dass ihre Beziehung nicht unter der Pandemie leidet. 23,55 Prozent antworteten auf die Frage nach dem Leidensdruck mit „kaum“. Das sind zusammen 58,44 Prozent - die eindeutige Mehrheit.
Alleinstehende leiden stärker als Paare
Das bestätigt auch Susanne Eisbrichs Eindruck. Sie ist Systemische Familien- und Paartherapeutin und arbeitet in der Beratungsstelle Westhoffstraße. Hier berät sie sowohl Alleinstehende als auch Paare und Familien bei Konflikten, Krisen oder einfach in alltäglichen Lebensfragen. Dass Corona ein absoluter Beziehungskiller ist, denkt sie nicht. Auch eine Trennung, für die das Paar Corona verantwortlich gemacht hätte, sei ihr nicht begegnet.
„Corona und die Belastungen, die es mit sich bringt, wirken sich stärker auf Alleinstehende als auf Paare aus“, berichtet sie. Viele hätten in der Pandemie mit Einsamkeit zu kämpfen, weil Kontaktmöglichkeiten weggebrochen seien. Aber: Sie merke derzeit auch, dass mehr Paare zu ihr kämen.
Aktuell sei das Verhältnis der Personen, die sie berät, ausgeglichen: Zur Hälfte kämen Alleinstehende, zur Hälfte Paare. Vorher seien es mehr Alleinstehende gewesen, die Beratung bei ihr suchten. „Ich denke, da ist schon Corona am Werk.“
Das zeige sich allerdings häufig eher indirekt. „Es war bis jetzt niemand bei mir, der gesagt hat ‚Meine Probleme haben mit Corona zu tun.‘“
Eine Herausforderung sei beispielsweise eher, dass die Strukturen, die Menschen sich aufgebaut hätten, um mit Anspannung und Stress umzugehen - der Sport, der Abend mit Freunden, der Urlaub - im März 2020 plötzlich weggefallen seien.
Wie viel Zeit möchte ich mit meinem Partner verbringen?
Da stelle sich dann die grundlegende Frage „Wie viel Zeit möchte ich mit meinem Partner verbringen, wie viel Zeit alleine oder mit anderen?“ ganz neu, so Eisbrich. Dinge, die in Beziehungen lange völlig selbstverständlich liefen - weil man beispielsweise jeden Dienstagabend beim Tischtennis oder jeden Samstagvormittag mit Freunden auf dem Markt war - hätten gerade im ersten Lockdown plötzlich neu ausgehandelt werden müssen.
Paare, die sonst nur nach Feierabend und am Wochenende gemeinsame Zeit hatten, seien plötzlich 24 Stunden zusammen in der Wohnung gewesen. Das sorge durchaus für Gereiztheit, Enttäuschung oder Überdruss, sagt Eisbrich.
Viele Probleme, mit denen die Paare, die zu ihr kommen, zu kämpfen hätten, habe es aber auch schon vor Corona gegeben, sagt Eisbrich. Ein Beispiel sei, dass Frauen in Beziehungen häufig nach wie vor die Hauptverantwortung für Kochen, Einkaufen, Putzen und Kinderbetreuung trügen. Eine Ungleichheit, die die Pandemie noch vergrößert habe - als besagte Lupe.
„Wenn auf einmal beide Partner von zu Hause aus arbeiten und die Kinder nicht in die Schule oder Kita gehen können, fällt das häufig eher den Frauen zu Last“, berichtet Eisbrich. Das lasse sich natürlich nicht verallgemeinern, sei aber ein häufiges Phänomen.
Lieber zu früh als zu spät zur Beratung
Beispielsweise würde die Frau sich dann eher bei der Arbeit krankmelden, um die Kinder zu betreuen. Einerseits, weil Frauen weniger verdienten oder in Teilzeit arbeiteten - andererseits, weil es auch immer noch die gesellschaftliche Erwartung gebe, dass Frauen für die Familie kürzertreten und sich zurücknehmen würden. Diese Ungleichheit sei natürlich Zündstoff für Beziehungsstreit.
Streits wie diese müssten jedoch nicht an der Tagesordnung sein. Susanne Eisbrich ermutigt Paare, sich frühzeitig Hilfe zu holen - „lieber ein halbes Jahr zu früh als zu spät.“ Ihr Slogan: „Paarberatung – den Luxus gönnen wir uns.“ Die Paarberatung in der Beratungsstelle Westhoffstraße ist kostenlos, in der Regel läuft sie über mehrere Termine.
Übrigens: Dass ein Paar bei ihr saß, weil es sich mit seinen Positionen zum Thema Corona-Maßnahmen oder Impfung so gar nicht einigen konnte, hat Susanne Eisbrich noch nicht erlebt.
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