Markus Roeser, Sprecher des Mietervereins Dortmund und Umgebung, betrachtet die Entwicklung auf dem Dortmunder Mietmarkt mit Sorge.

Markus Roeser, Sprecher des Mietervereins Dortmund und Umgebung, betrachtet die Entwicklung auf dem Dortmunder Mietmarkt mit Sorge. © dpa/Schulze

Nachfrage nach Mietwohnungen fast verdoppelt – Mietervereins-Sprecher fordert Preisbremse

rnImmoscout-Analyse

68 Quadratmeter für 1000 Euro kalt am Nordmarkt – das ist sicherlich ein Extrem. Doch die Mieten in Dortmund steigen. Ebenso die Nachfrage. Wie stark, zeigt eine neue Untersuchung.

Dortmund

, 18.10.2022, 08:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Wer zurzeit in Dortmund auf Wohnungssuche ist, muss in der Regel einen langen Atem haben – oder viel Geld; denn die Konkurrenz auf dem Mietwohnungsmarkt ist groß.

Das unterstreichen auch Daten von Immobilienscout, die Analysten des Immobilien-Portals für unsere Redaktion eigens für Dortmund zusammengetragen haben.

Danach gibt es zurzeit deutlich mehr Anfragen nach Mietwohnungen in der Stadt als noch vor einem Jahr. Waren es im Durchschnitt im dritten Quartal 2021 9,87 Anfragen pro Woche und Anzeige, sind es jetzt ein Jahr später 18,2.

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Im Gegenzug sinken im selben Zeitraum die Anfragen auf Kaufanzeigen für Häuser und Wohnungen ebenfalls deutlich von jeweils 7,21 Anfragen pro Woche und Anzeige auf nur noch 2,52.

Wie Immobilienscout rechnet

Das Referenzobjekt für Mietwohnungen bei der Berechnung von Immobilienscout ist eine Zwei-Zimmer-Bestandswohnung mit 70 Quadratmetern. Für Wohnungen zum Kauf wird eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 80 Quadratmetern zugrunde gelegt. Die Nachfrage wird berechnet auf Basis der Kontaktanfragen pro Inserat pro Woche.

Der Dortmunder Makler Klaus Spieker von Spieker-Immobilien schätzt den von Immoscout vermuteten Effekt, dass sich weniger Selbstnutzer eine eigene Immobilie leisten könnten und deshalb auf den Mietmarkt umschwenken, als weniger stark ein. Hauptursache für mangelnde Abschlüsse sei das seit zwei Jahren extrem geringe Angebot bei Vermietung und Verkauf.

Die Reaktion der Leute, die per Dauerauftrag im Internet nach einer Wohnung oder einem Haus suchten, liege bei rund 60 bis 110 Meldungen in wenigen Stunden. „Das ist nie gesund und macht uns enorme Probleme, gute Berater zu sein“, sagt Spieker. „Zudem kann man an der Zahl erkennen, dass ein großer Teil der Interessenten völlig unpassend für das jeweilige Produkt ist. Sie melden sich, weil mal endlich wieder ein Haus oder eine scheinbar gute Wohnung im Ortsteil XY da ist.“

Am Ende bleiben die ernsthaft Suchenden übrig

Vor dem Hintergrund der Preis- und Zinsentwicklung sowie des knappen Angebotes, sagt Spieker, blieben nach der Alltagserfahrung die ernsthaft Suchenden, sprich: die Interessenten im besten Sinne übrig, die schon über eine etwas längere Zeit gerechnet und auch gespart hätten. Sei die Finanzierung zu stemmen, zum Beispiel auch mithilfe der Familie, könne Warten überwiegend nur Nachteile bringen – auch mit Blick auf die Inflation.

Immobilienmakler Klaus Spieker (2.v.l.) mit seinem Team.

Immobilienmakler Klaus Spieker (2.v.l.) mit seinem Team. Der Fachmann sieht die Hauptursache für mangelnde Abschlüsse in dem seit zwei Jahren extrem zu geringen Angebot bei Vermietung und Verkauf. © Spieker-Immobilien

Eine Automatik nach dem Motto „Kaufen klappt nicht, dann nehmen wir jetzt eine Mietwohnung“, sieht Spieker eher nicht. Allerdings sei eine gut florierende Eigentumsbildung immer dafür Garant gewesen, „dass ein bis zwei Wohnungen im Mietbereich dann frei wurden, wenn Kinder und Eltern in den Neubau oder in die Gebrauchtimmobilie zogen.“

Nach der Beobachtung von Klaus Spieker, seien auf dem Dortmunder Mietmarkt „fast keine Heuschrecken“ unterwegs. Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sowie viele Privatvermieter agierten „vorsichtig und freundlich“. Zudem sei die Region seit vielen Jahren günstig und liege im Mietpreis recht deutlich unter anderen Metropolen, betont der Immobilien-Fachmann.

Deutlich höhere Preise bei Angebotsmieten

Dennoch: Der Mieterverein Dortmund und Umgebung verzeichnet gestiegene Mieten - und untermauert das mit Zahlen von der Preisdatenbank des Forschungs- und Beratungsinstituts Empirica auf Basis der sogenannten Value-Marktdaten, die auch die Stadt Dortmund für die Wohnungsmarktbeobachtung nutzt. Sie entsprechen den sogenannten Angebotsmieten (Median), also jenen Preisen, zu denen Wohnungen auf dem Markt angeboten werden. Diese Werte bilden die Dynamik auf dem Wohnungsmarkt besser und zeitnäher ab als die sogenannten Bestandsmieten.

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Nach diesen Zahlen sind die Angebotsmieten in Dortmund in den vergangenen sechs Jahren um fast 30 Prozent gestiegen, sagt Markus Roeser, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund.

Im laufenden Mietverhältnis seien Mieterhöhungen zwar nur eingeschränkt möglich, so Roeser, „bei Neuabschluss eines Mietvertrages gibt es allerdings keine Begrenzung, anders als in Städten mit einer Mietpreisbremse. Dortmund fehlt in der entsprechenden Verordnung der Landesregierung.“

Mieten sehr oft über dem Mietspiegel

So bot unlängst zum Beispiel die HAK Immobilien GmbH Wohnungen für die Lortzingstraße in der Dortmunder Nordstadt für 14 Euro pro Quadratmeter beziehungsweise für 17,75 pro Quadratmeter Kaltmiete an. Laut Wohnungsmarktbericht der Stadt Dortmund lagen die Durchschnittswerte für Bestandswohnungen 2021 bei 7,91 Euro pro Quadratmeter, doch auch für Bestandswohnungen fänden sich vermehrt Angebote mit über 10 Euro pro Quadratmeter, so Roeser.

„Für Bestandswohnungen werden bei der Neuvermietung aktuell Preise aufgerufen, die vor wenigen Jahren noch im Neubau gezahlt wurden“, berichtet der Sprecher des Mietervereins. Mieten, die geschätzt 20 bis 45 Prozent über dem aktuellen Mietspiegel liegen, seien keine Seltenheit.

Zumal auch noch die Explosion bei den Energiekosten hinzukomme. „Wer jetzt in eine kleinere Wohnung umziehen möchte, um Heizkosten zu sparen, zahlt dafür im Ausgleich häufig eine deutlich höhere Grundmiete“, sagt Roeser. Ohne Mietpreisbremse sei das bei frei finanzierten Wohnungen auch legal.

„Finden Sie mal was Bezahlbares“

Die Aussichten für Mieter seien nicht gut. Vor allem bezahlbarer Wohnraum lasse sich immer schwerer realisieren. „Finden Sie mal was Bezahlbares“, bekomme der Mieterverein immer wieder von seinen Mitgliedern zu hören.

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Dabei könnten Neubauten für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen. Doch Dortmund hat zwar im vergangenen Jahr seine Zielvorgabe von 2000 Baugenehmigungen erreicht – genau waren es 2262 –, aber es darf bezweifelt werden, dass diese Wohnungen auch tatsächlich in diesem Jahr gebaut werden, beziehungsweise wurden.

Die Politik habe oftmals eine hoffnungsvolle Zahl aufs Papier geschrieben, die nicht erreicht wurde, sagt Makler Spieker. Und heute komme hinzu, dass „tatsächlich der Preis für Baumaterial irgendwo zwischen 30 und 130 Prozent gestiegen ist. Das führt dazu, dass zum einen viele Bauherren eigentlich nachkalkulieren müssten - und vielleicht dann doch mal scheitern oder die Genehmigung auf die Seite legen.“

Mieterverein fordert Mietpreisbremse für Dortmund

Allein auf das Thema Wohnungsneubau zu setzen, werde das Problem steigender Mieten nicht lösen, meint Markus Roeser vom Mieterverein. So sei unter anderem das Land NRW gefordert, die Mietpreisbremse auf alle angespannten Wohnungsmärkte, auch Dortmund, auszuweiten. Gilt die Mietpreisbremse, wie zum Beispiel in Düsseldorf, dürfen Wohnungen nur 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

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Welche Faktoren den Markt im Raum Dortmund in den nächsten Monaten beeinflussen werden – um das zu beurteilen, bedürfe es fast einer prophetischen Sicht, sagt Spieker: „Aber der Krieg und die Flüchtlingsbewegung insgesamt werden weiter sehr stark Menschen nach Dortmund bringen.“