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Nach zwei Operationen: Marlis Leßmöllmann darf ihre Mutter (90) nicht sehen
Coronavirus
Die 90-jährige Mutter von Marlis Leßmöllmann leidet unter ihrer Isolation. Sie wurde im Krankenhaus Kirchlinde zweimal operiert und darf keinen Besuch empfangen. Am Telefon kommen die Tränen.
Was wiegt schwerer? Das Leid, das den Patienten in einem Krankenhaus droht, wenn das Coronavirus, vor allem in der Omikron-Variante, eingeschleppt wird? Oder das Leid, das die Patienten erfahren, wenn sie nach schweren medizinischen Eingriffen alleine, isoliert, ohne Beistand auf ihrem Zimmer verbringen?
Die Stadt Dortmund hat sich dafür entschieden, dass die Virusgefahr schwerer wiegt als die Einsamkeit. Und deshalb kann Marlis Leßmöllmann (69) ihre Mutter Maria Kaske (90) seit Montag (10. Januar) nicht mehr besuchen.
Zwei Operationen hintereinander
Für die 90-Jährige gab es in der ersten Woche des Jahres eine unselige Ereigniskette. Zuerst stürzte sie in einer Wohnung in dem Haus, in dem auch ihre Tochter wohnt. Mit einem Oberschenkelhals-Bruch wurde sie in das Kirchlinder Krankenhaus eingeliefert und operiert.
Wenige Tage später wurde sie erneut unter Vollnarkose operiert. Bereits im vergangenen Jahr war sie sie gestürzt und erlitt einen Trümmerbruch im Arm. Nun wurde ihr eine Schraube entfernt, die noch im Knochen steckte.
Die Mutter ist alleine
Geschwächt, aber auf einem guten Wege liegt sie nun in ihrem Zimmer und ihre Tochter kann sie nicht unterstützen. „Mindestens einmal pro Tag würde ich zu Besuch kommen, damit meine Mutter nicht so alleine ist“, sagt die Kirchlinderin.
Nur das Telefon steht den beiden zur Verfügung, um Kontakt zu halten. Doch die Telefonate sind sehr tränenreich. Und die Gesprächs-Qualität über Handy ist miserabel, sagt Marlis Leßmöllmann. „Das liegt wahrscheinlich an den dicken Wänden“.
Marlis Leßmöllmann macht dem Krankenhaus Kirchlinde und seinen Mitarbeitern keinen Vorwurf. Aber eine geharnischte E-Mail ans Dortmunder Gesundheitsamt hat sie geschrieben. Die Mail blieb unbeantwortet.
In Castrop-Rauxel läuft es anders
Die Situation ihrer Mutter stört Marlis Leßmöllmann auf der einen Seite, die ungleichen Regeln ärgern sie auf der anderen Seite. In ihrer alten Heimat Castrop-Rauxel, sie ist die Ehefrau des ehemaligen Besitzers der Tongrube und Ziegelei Leßmöllmann, läuft es anders.
Wie das Kirchlinder Krankenhaus gehört auch das St.-Rochus-Hospital in Castrop-Rauxel zur St.-Lukas-Gesellschaft. Doch im Castroper Krankenhaus, können Patienten weiter Besucher empfangen. Ein aktueller negativer Corona-Test und eine Anmeldung reichen aus.
Strenge Regeln in Dortmund
„Das liegt daran, dass der Kreis Recklinghausen keine entsprechenden Regeln aufgestellt hat“, berichtet Axel Westermann, Pflegedirektor für beide Häuser. „In Dortmund hat sich das Gesundheitsamt eben für das Besuchsverbot entschieden“.
Die Einsamkeit seiner Patienten trifft auch ihn hart, aber: „Die Regeln sind eindeutig“. Und die Ausnahmen auch. Besuche sind nur erlaubt bei Geburten. Oder wenn ein Mensch im Sterben liegt.
Reha beginnt in Lütgendortmund
Axel Westermann hat aber Hoffnung, dass das Besuchsverbot mehr nicht lange dauern wird: „Wir rechnen Ende nächster Woche mit neuen Regeln für die Besuche.“
Das wäre eine Erleichterung für Marlis Leßmöllmann, denn ihre Mutter geht in der kommenden Woche in die Reha ins Knappschaftskrankenhaus Lütgendortmund. Sollten die Regeln in der kommenden Woche gelockert werden, könnte Maria Kaske wenigstens dort wieder Besuch empfangen.
Holger Bergmann ist seit 1994 als freier Mitarbeiter für die Ruhr Nachrichten im Dortmunder Westen unterweg und wird immer wieder aufs neue davon überrascht, wieviele spannende Geschichten direkt in der Nachbarschaft schlummern.
