Nach dem Kaufhof-Ende: Wie es mit den Mitarbeitern in Dortmund weiterging

© RN

Nach dem Kaufhof-Ende: Wie es mit den Mitarbeitern in Dortmund weiterging

rnWarenhaus-Schließung

Seit Oktober 2020 ist Kaufhof dicht. Was aber machen die Verkäuferinnen und Verkäufer? Viele sind noch auf Jobsuche - aber nicht alle. Zwei Ex-Beschäftigte schildern, wie es ihnen ergangen ist.

Dortmund

, 25.02.2021, 06:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Sportartikel-Verkäufer Michael Gerndt hatte mit dem Berufsleben so gut wie abgeschlossen. „42 Jahre und zwei Monate“ hat er im Kaufhof am Westenhellweg gearbeitet. Am 17. Oktober 2020 kam das Aus.

Gerndt trat zwar in die Transfergesellschaft ein, die Anfang November für sechs Monate gestartet ist. In Gedanken aber hatte sich der Brackeler für Anfang Mai, wenn die Transfergesellschaft endet, auf den Gang zur Arbeitsagentur eingestellt.

„Welche Chancen bleiben mir als 61-Jährigem denn?“, fragte sich Gerndt. Nachdem es in der Kaufhoffiliale nichts mehr zu verkaufen und am Ende auch nichts mehr aufzuräumen gab, „hab’ ich erstmal eine Woche zuhause gesessen“, erzählt er.

Die Welt einer Transfergesellschaft erschien ihm fremd. Und die Perspektive trostlos. Er erinnert sich an eines der ersten Seminare: Da saßen Männer und Frauen, teils Jahrzehnte im Berufsleben, und sollten (wieder) lernen, Bewerbungen zu schreiben. Gerndt drückt sich diplomatisch aus: „Das war kein schönes Gefühl.“

Sechs Kaufhof-Leute wechselten ins Karstadt-Haus

Aber irgendwann im November geschah, womit er nicht gerechnet hatte: Seine damalige Arbeitskollegin und Kaufhof-Betriebsrätin Martina Regens (57), mit der er in Kontakt geblieben war, ließ ihn wissen: "Bei Karstadt in Dortmund gibt es Personalbedarf!“ Ein Tipp, den sie von Gerhard Löpke bekommen hatte, dem Betriebsratsvorsitzenden von Karstadt Dortmund.

Und tatsächlich: Gerndt schrieb eine paar Sätze als Bewerbung, bekam den Job im Karstadt-Haus – und rutschte am 16. Dezember 2020 prompt in den Lockdown, der bis heute dauert. „Aber ich sitze nicht zuhause“, sagt er, das sei ihm wichtig.

Den Kaufhof gibt’s nicht mehr: Die Immobilie am Westenhellweg soll mittelfristig entweder umgebaut oder abgerissen werden.

Den Kaufhof gibt’s nicht mehr: Die Immobilie am Westenhellweg soll mittelfristig entweder umgebaut oder abgerissen werden. © Schaper (A)

Er ist auf Teilzeit umgestiegen, arbeitet jetzt an drei Tagen in der Woche von 9 bis 15 Uhr und hilft bei Click & Collect. „Die bestellte Ware muss ja für den Verkauf vorbereitet und eingepackt werden“, sagt Gerndt. Unausgesprochen meint er: Es ist besser als nichts. Wenn jetzt noch der Lockdown enden würde …

Gerndt ist kein Einzelfall. Mit ihm konnten fünf weitere Ex-Kaufhof-Mitarbeiter ins Karstadt-Haus wechseln. Auch daran hat Karstadt-Betriebsrat Löpke maßgeblich mitgewirkt. „Das“, sagt er, „ist das Mindestmaß an Solidarität, das wir zeigen können.“

Eine Mail als Hilferuf: "Fühle mich alleingelassen"

Es waren nervenaufreibende und zermürbende Monate, die hinter den rund 80 Ex-Beschäftigten von Kaufhof liegen. Ungefähr die Hälfte von ihnen hat sich der Transfergesellschaft angeschlossen. Der andere Teil der Mannschaft hatte sich bereits vor der Schließung verabschiedet und anderweitig orientiert.

Ex-Betriebsrätin Martina Regens (57) hält über WhatsApp-Gruppen noch immer Kontakt zu vielen „Ehemaligen“. Einen kompletten Überblick, welche Wege die früheren Kolleginnen und Kollegen eingeschlagen haben, hat sie nicht.

Jetzt lesen

Manche führten in den Lebensmittelbereich, andere in den Pflegedienst. Regens weiß aber auch von einer Verkäuferin, die einen neuen Job im stationären Handel angenommen hatte – und die jetzt erneut freigestellt ist.

Eine weitere Kollegin hatte sich Hoffnungen auf eine Anstellung als Zugbegleiterin bei der Bahn gemacht, sitzt aber nun in der Transfergesellschaft. Von ihr hat Regens kürzlich eine E-Mail erhalten, aus der pure Verzweiflung spricht. Sie fühle sich „alleingelassen und veralbert“, schreibt die frühere Kollegin.

Ex-Betriebsrätin arbeitet jetzt an der Kasse

Es ist ein Hilferuf, ohne konkrete Adressaten. Aber Regens kann sich beispielsweise auch erinnern, dass Stadtspitzen zumindest in Aussicht gestellt hatten, Beschäftigte eventuell zur Stadtverwaltung zu holen und sie bei der Corona-Kontaktverfolgung im Gesundheitsamt einzusetzen. Hätte, könnte, sollte …

Wenn Regens über die zurückliegenden Monate spricht, dann klingt das mitunter, als sei sie immer noch Betriebsrätin. Das ist sie nicht mehr. Ihr Einsatz für die Mannschaft in Dortmund hat nicht jedem in den oberen Etagen von Galeria Karstadt Kaufhof gefallen.

Jetzt lesen

Weshalb sie sich letztlich auf eine Stelle bei Kaufhof in Gelsenkirchen beworben hat: Nach 41 Jahren Kaufhof-Zugehörigkeit bedient sie nun nicht mehr Kunden in der Herrenabteilung, sondern arbeitet im Kassenteam.

Zurzeit sitzt sie wegen des Lockdowns zuhause. „Aber ich bin heilfroh, dass jemand so ein altes Moped wie mich noch haben wollte“, sagte sie. Die ersten Ansagen von Galeria Karstadt Kaufhof seien ganz andere gewesen.

"Traurig, wie man mit den Menschen umgegangen ist"

Lässt sie die Geschehnisse aus 2020 Revue passieren, das ganze Hin und Her, das Hoffen und Bangen, dann komme sie zu dem Schluss, „dass sich Wertschätzung für die Mitarbeiter anders ausdrückt“.

Sie mag vieles nur durch die Blume sagen, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Es sei „einfach traurig, wie man mit Menschen umgegangen ist“, sagt sie. Ein Befund, der von vielen geteilt werde.

Jetzt lesen

Verdi-Sekretär Reiner Kajewski hat das Monate lange Drama um die Schließung aus nächster Nähe miterlebt. Er hoffe, dass sich der Personalbedarf bei Karstadt und in den verbliebenen Kaufhof-Filialen nach dem Lockdown erhöhe, sagt er. In der aktuellen Situation sei es „extrem schwer“, einen Job im Handel zu finden.

Durch die Beschäftigungsgesellschaft hätten die Menschen zumindest ein bisschen Zeit gewonnen, sagt Kajewski. Zeit, um sich nach dem Ende des Lockdowns weiter zu bewerben. Martina Regens hat sich vorgenommen, den Kontakt zu vielen Ehemaligen so lange wie möglich aufrecht zu halten.

Jetzt lesen

Lesen Sie jetzt
" Kaufhof hat im Oktober geschlossen. Wie soll das Gebäude in Zukunft genutzt werden? Geld vom Land soll jetzt bei der Frage helfen.

Neben dem anstehenden Lockdown gibt es auch eine gute Nachricht für Dortmund: Die Stadt bekommt Geld vom Land zur Stärkung der City. Das Geld ist für ein wichtiges Projekt gedacht. Von Peter Wulle