Keiner dürfte geahnt haben, welche verheerende Konsequenzen es mit sich bringen sollte, als DEW unter der Ägide ihrer Ex-Chefin Heike Heim die Billigtochter „stadtenergie“ an den Markt brachte. 2020 als „Start-up“ losgelassen, sollte der neue Gas- und Stromversorger als rein digitales Unternehmen mit niedrigeren Tarifen bundesweit Kunden angeln.
Dem Vernehmen nach sollen es zwischenzeitlich „rund 50.000“ Kunden gewesen sein. Trotzdem hat stadtenergie seit seiner Gründung nur Verluste eingefahren. Finanziell hat der DEW-Ableger zu keinem Zeitpunkt wirklich Land gesehen. Bereits in den ersten drei Jahren (2020 bis 2022) hat stadtenergie Anlaufverluste von insgesamt mehr als 22 Mio. Euro angehäuft – die DEW allesamt übernommen hat.
Es sollte noch dicker kommen. Spätestens 2023 muss bestimmten Akteuren von stadtenergie gedämmert haben: ‚Unser Businessplan geht hinten und vorne nicht auf.‘ Konsequenz: Um Einnahmen und Bilanz nach oben zu drücken, kam man auf den Trichter, Kunden hinters Licht zu führen, Verbräuche massenhaft zu manipulieren und zu hohe Abschlage zu fordern – oder sich mit fälligen und dazu oft fehlerhaften Erstattungen monatelang Zeit zu lassen. Rund 40.000 Kunden sollen davon betroffen sein.
Keine Ausschüttung möglich
Eine Zeitlang mag das gut gegangen sein – bis die Blase Anfang 2024 platzte. Den Anstoß gab bezeichnenderweise ein neuer Geschäftsführer von stadtenergie. Ihm waren beim Erstellen des Jahresabschlusses 2023 „erste Unregelmäßigkeiten“ aufgefallen, wie es anfangs hieß. DEW schaltete sofort Wirtschaftsprüfer ein. Bald wuchsen sich die „Unregelmäßigkeiten“ zu einem handfesten Skandal mit einem millionenschweren Schaden für DEW aus.
Nach aktueller Lage hat die im Schnitt zehn Mitarbeiter kleine Tochter von DEW allein 2023 rund 74 Millionen Euro verbrannt. Damit ist das komplette Jahresergebnis von DEW auf einen Schlag verfrühstückt. Noch zu Jahresbeginn dachte man, ein Plus von 52 Mio. Euro (vor Steuern) einzufahren, das wie üblich an die Gesellschafter DSW21 und Westenergie verteilt werden kann.
Von wegen: Der Mehrheitsgesellschafter DSW21, der bereits 30 Millionen Euro einkalkuliert hatte, ging leer aus. Zusätzlich musste DSW21 gut 11 Mio. Euro an Westenergie ausschütten – was üblicherweise Sache von DEW ist. Dass der Energieversorger seinen Gesellschaftern keinen Cent schicken kann, ist neu und hat es bis dato nicht gegeben.
Bilanztrick rettet die Null
Dortmunds Versorger stand sogar kurz davor, in ein rund zehn Mio. Euro großes Minus zu rutschen. Tatsächlich konnten die DEW-Aufsichtsräte bei ihrer Sitzung am Montag (22.7.) einen testierten Jahresabschluss verabschieden, der als Jahresergebnis „O“ vorsieht und damit zumindest noch ausgeglichen ist. Möglich war das nur, weil DEW auf stille Reserven aus seinen Anteilen am Gasspeicher in Epe und aus seiner Beteiligung an den Stadtwerken Werl zurückgegriffen hat.
Entlastet wurden sowohl die Geschäftsführung als auch die DEW-Aufsichtsräte jedoch nicht. Das gilt in erster Linie der früheren Chefin Heike Heim: Sie war bis zu ihrem Wechsel als Vorstandsvorsitzende von DSW21 im Juni 2023 für die Geschicke bei DEW verantwortlich – und muss sich möglicherweise noch im Nachhinein wegen weiterer Vorgänge in Sachen Einkaufspolitik mit Forderungen nach Schadenersatz konfrontiert sehen.
DEW braucht Millionen
Und wie geht es bei DEW weiter? Von den Zahlen aus 2023 abgesehen, hat DEW all die Jahre brav an seine Gesellschafter abgeführt. Noch 2022 durfte sich allein DSW21 über insgesamt 37,3 Mio. Euro freuen. 2021 waren es 34,6 Mio. und 2020 rund 38,5 Millionen. Insider fragen sich bereits seit Längerem, wie lange DEW das in dieser Form noch leisten kann – erst recht nach dem Debakel mit stadtenergie? Noch wird die Diskussion mehr oder weniger hinter vorgehaltener Hand geführt. Doch sie dürfte bald Fahrt aufnehmen.
Sicher, DSW21 benötige die Millionen aus dem Energiegeschäft, um das immer größere Minus aus dem Nahverkehr auszugleichen, sagen Beobachter. Auf der anderen Seite, so die Argumentation, soll DEW bekanntlich den Ausbau des Fernwärmenetzes in Dortmund vorantreiben und gleichzeitig die Stromnetze ertüchtigen. Um nur einige Beispiele zu nennen. Projekte, die mit mehreren hundert Mio. Euro zu Buche schlagen. Woher soll das Geld kommen?
Aus eigener Kraft allein werde das für DEW nicht zu stemmen sein. Wolle man die Wärmewende vorantreiben, heißt es, müssten wohl die Gesellschafter DSW21 und Westenergie dem Unternehmen in irgendeiner Form unter die Arme greifen. Wie und in welcher Höhe genau – darüber kann aktuell nur gerätselt werden. Soll DEW in den nächsten Jahren also weniger Geld an seine Gesellschafter ausschütten? Jörg Jacoby, vor Kurzem zum neuen Vorstandssprecher von DSW21 auserkoren, hat gleich seine erste größere Bewährungsprobe vor sich.