Nächster Skandal ums Megaprojekt Smart Rhino Wohnungen auf HSP-Brache gar nicht möglich - und alle wussten es

Wohnungsbau auf HSP-Brache gar nicht möglich - und alle wussten das
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Einige Politiker glaubten nicht richtig zu hören, was ihnen Planungsdezernent Stefan Szuggat im nicht-öffentlichen Teil des zuständigen Ratsausschusses vor Kurzem mitteilte: Wohnungsbau, berichtete Szuggat aus seiner jüngsten Unterredung mit dem Essener Grundstückseigentümer, sei auf der rund 52 Hektar großen, ehemaligen Industriefläche gar nicht möglich. Es gebe eine Eintragung im Grundbuch, die eine Wohnbau-Nutzung der Fläche ausschließe.

Eine Botschaft, die in weiten Teilen der Ausschussmitglieder für ungläubiges Kopfschütteln und Diskussionen sorgte: Nach dem Scheitern von Smart Rhino im Juni 2023 jetzt auch das noch? Neben dem Neubau der FH und der Ansiedlung von Gewerbe war Wohnungsbau einer der Eckpfeiler aller jahrelangen Planungen und Vorarbeiten.

In einer ersten Machbarkeitsstudie waren damals rund 1.400 Wohnungen skizziert worden. Dabei wussten die Akteure auf der höheren Ebene von Beginn an, dass sich in Sachen Wohnungsbau ein massives Problem abzeichnen würde – eine offizielle Information der Ratsgremien zu diesem Punkt hat es aber nie gegeben.

Arbeiten, wohnen, Bildung, Gastronomie und Erholung auf der ehemaligen Industriefläche am Rande der Innenstadt: Smart Rhino sollte Strahlkraft entwickeln wie der Phoenixsee.
Arbeiten, wohnen, Bildung, Gastronomie und Erholung auf der ehemaligen Industriefläche am Rande der Innenstadt: Smart Rhino sollte Strahlkraft entwickeln wie der Phoenixsee. © Thelen-Gruppe

Warum, bleibt unklar. Wie es heißt, soll OB Westphal zumindest Teilen der Politik in der Endphase des Projektes auf kurzem Wege „Hinweise“ gegeben haben, dass es neben der FH-Frage auch Probleme mit Wohnungsbau gebe. Weitere Details seien dabei aber nicht besprochen worden. Nun stellt sich die Frage, warum die Projekt-Verantwortlichen trotzdem weiter unbeirrt mit Wohnen geplant haben. Vor allem aber: Warum ist das gegenüber den zuständigen Ratsgremien nie kommuniziert worden? Und was heißt das jetzt für die künftige Bebauung des Areals, nachdem die Ansiedlung der FH und Smart Rhino auf der Ex-HSP-Fläche „aus Wirtschaftslichkeitsgründen“ gescheitert ist?

Denn: Die Stadt will dort nach wie vor auch Wohnungen sehen.

"Das war immer Gesprächsthema"

Eigentümer des Grundstücks ist die Essener Thelen-Gruppe. Sie hatte die Fläche (neben weiteren Grundstücken) 2016 von Thyssenkrupp (TK) übernommen. „Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Fläche bei der Nachfolgenutzung bestimmten Restriktionen unterworfen war, die von TK bereits im Rahmen der damaligen Ausschreibung für den Verkauf der Thyssen Liegenschaften bestanden", sagt Christoph Thelen, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Gruppe, auf Anfrage.

„Im Gegenteil", so Thelen, „diese Restriktionen waren immer wieder Gesprächs-Thema zwischen uns und der Verwaltung." Sie hätten unter anderem auch bei dem Masterplan hinsichtlich der Gebäude-Gruppierung eine wichtige Rolle gespielt, so Thelen. Es sei darum gegangen, eine „fiktive Schallschutzwand“ zu erreichen. Fakt sei, so Thelen, „dass Wohnungsbau auf dem Gelände nicht möglich ist.“

Christoph Thelen ist Geschäftsführer der Essener Thelen-Gruppe.
Christoph Thelen ist Geschäftsführer der Essener Thelen-Gruppe. © than (A)

Tyssenkrupp habe die Fläche im Grundbuch mit einer so genannten „Dienstbarkeit“ versehen. Bedeutet: Die Nutzung der Fläche unterliegt gewissen Einschränkungen

Private Häuslebauer kennen das: Sie gucken vor dem Grundstückskauf ins Grundbuch und prüfen, ob beispielsweise ihrem Nachbarn bestimmte Rechte an dem Grundstück eingeräumt werden. Im Falle der früheren HSP-Fläche habe der Eintrag den Hintergrund, die in Betrieb befindlichen Werke in der Nachbarschaft der HSP-Fläche „zu schützen“.

Beispielsweise das Werk von Thyssenkrupp Schulte, das als Logistikcenter für Edelstahl und so genannte „Nicht-Eisen-Metalle“ dient. Das Problem: Wohnungsbau in Nachbarschaft zu Industrie ist wegen der Emissionen ausgeschlossen.

„Sechs Jahre verhandelt"

„Die Stadt war von Beginn an in Kenntnis dieser Umstände“, sagt Thelen. Gefragt, warum die Thelen-Gruppe ihrerseits dennoch an Wohnungsbau als Bestandteil der jahrelangen Vorarbeiten festgehalten hat, gibt Thelen zu Protokoll: „Smart Rhino war ein herausragenden Projekt von hoher Bedeutung.“

In Kenntnis über die Strahlkraft des Projekts – auch über die Stadtgrenzen von Dortmunds hinaus – hatten alle Beteiligten gehofft, „dass sich im Falle der Realisierung von Smart Rhino die Stadt bei Thyssenkrupp einsetzen würde, um Wohnungsbau doch noch möglich zu machen", erläutert Tehlen. Man selbst habe „über sechs Jahre" immer wieder mit TK verhandelt.

So seien u.a. im Rahmen der Machbarkeitsstudie Smart Rhino eigens zur emissionsschutzrechtlichen Sicherung des Werkes umfangreiche Gutachten erstellt worden. Diese Gutachten mündeten in einer bestimmten Anordnung der Gebäude sowie deren Kubaturen. Darüber hinaus seien sogar notwendige Detailfragen zu Fenstern, Fensterdicke als auch zu Fassaden beantwortet worden, so Thelen. Letztlich vergebens: TK sei bei seiner Haltung geblieben.

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