Tankstellenbetreiber Stephan Haack hat einen Tankbetrüger in Dortmund schon verfolgt. Die Polizei meldet, dass die Zahl der Betrugsfälle steigt. © Julian Preuß
Hohe Spritpreise
Mehr Tankbetrug in Dortmund: „Wenn einer klaut, merkt man das sofort“
Immer häufiger klauen Diebe Diesel oder Benzin. Laut Polizei Dortmund kommt Tankbetrug doppelt so oft vor wie im Februar 2022. Lassen die gestiegenen Spritpreise Dortmunder kriminell werden?
Tanken, bis der Zapfhahn klickt – und dann wegfahren. Konkrete Zahlen zum Tankbetrug will die Dortmunder Polizei nicht nennen – aber so viel verrät Pressesprecherin Nina Kupferschmidt: „Wir stellen tatsächlich eine Steigerung der Fallzahlen seit Februar fest. Das ist ungewöhnlich, denn mit Blick auf die Jahre 2019 bis 2021 hatten die Fälle von Tankbetrug abgenommen.“
Tankbetrug sei ein Alltagsdelikt, das schon immer vorgekommen sei. „Jetzt sind die Zahlen zweistellig, zwar in unterschiedlicher Höhe, aber man kann von einer Verdopplung sprechen“, sagt Nina Kupferschmidt. Zu den Gründen kann die Dortmunder Polizei keine Auskunft geben – ein Zusammenhang mit den im Februar gestiegenen Spritpreisen liegt jedoch nahe.
Die Recherche bei Dortmunder Tankstellenbetreibern zeigt: Die großen Marken geben generell keine Zahlen über Tankbetrug an ihren Tankstellen preis. „Weil wir keine Nachahmer anlocken möchten“, sagt die Sprecherin eines Unternehmens auf Anfrage. Auch zu konkreten Fällen bekommen wir keine Auskunft.
Nicht jeder Betrug wird zur Anzeige gebracht
„Seit einem halben Jahr hab ich den Fall einmal im Monat“, sagt Stephan Haack, Betreiber der Total-Tankstelle am Asselner Hellweg. „Als die Preise hochgingen, dachte ich, jetzt geht’s erst richtig los. Aber nein.“ Dass jemand tankt und ohne zu zahlen wegfährt, sei bei ihm schon länger nicht mehr vorgekommen – trotz enormer Spritpreise.
Stephan Haack berichtet uns von seinen Erfahrungen: „Wenn einer klaut, merkt man das sofort. Der potenzielle Kunde tankt, aber danach ist die Säule gesperrt – wenn die Tankung nicht ausgebucht wird.“ Wie die meisten Betreiber hat er Kameras installiert, die alles auf dem Hof aufzeichnen. Tankbetrüger suchten sich meist gezielt eine Zeit aus: „Das passiert speziell, wenn es voll und wuselig ist.“
Zehn Jahre lang betreibe er die Tankstelle jetzt. Aber zur Anzeige bringe er längst nicht mehr jeden Fall von Tankbetrug. Der Grund: „Jedes Mal kommt nach drei Wochen der Brief: Verfahren eingestellt. Obwohl ich das Kennzeichen hab‘, das Bild von dem Menschen.“ Einmal habe er einen Tankbetrüger zusammen mit einem Kollegen sogar verfolgt, ihn an der nächsten Ecke festgehalten, bis die Polizei kam.
Freie Tankstellen bleiben auf dem Schaden sitzen
„Offensichtlicher geht’s ja nicht mehr. Und trotzdem wurde das Verfahren eingestellt“; sagt Stephan Haack. Die Polizei hätte ihm geraten, niemanden mehr zu verfolgen: „Die sagte: ‚Lassen Sie das in Zukunft, das sind Serben, die holen schon mal das Messer raus.‘“ Über die eingestellten Verfahren wundere er sich. Er sagt aber auch: „Ich kann mir vorstellen, dass die Richter wichtigere Sachen haben.“
Ähnliche Erfahrungen hat auch Gerhard Klink von der Freien Tankstelle Klink in Eichlinghofen gemacht. „Der Letzte“, sagt Gerhard Klink, „das war ein Pole für einen 100er.“ Ein paar Wochen später der Brief: Verfahren eingestellt, Täter konnte nicht ermittelt werden. „Und dann steh ich da.“
Ihm bliebe noch der zivilrechtliche Weg, aber das sei zu viel Arbeit mit zu wenig Aussicht auf Erfolg. „Wenn der nur zu schnell gefahren wäre, da verfolgt ihn der Staat bis zum bitteren Ende.“ So bleibe er auf dem Schaden sitzen. Bei den Großtankstellen laufe das anders: „Der Pächter bringt das zur Anzeige und die haben den Verlust.“ Ungefähr einmal pro Vierteljahr komme ein Tankbetrug an seiner Tankstelle vor.
„Wenn es weg is‘, is‘ es weg.“
Eine Häufung der Spritdiebstähle seit Februar könne er nicht feststellen. Aber Gerhard Klink erzählt: „Es ist äußert schwierig, diese Täter zu ermitteln, selbst wenn Sie das Kennzeichen haben. Wenn der sagt, der war das nicht, war er das nicht.“
Zu den Hürden bei der Strafverfolgung befragen wir die Staatsanwaltschaft Dortmund. Eine Statistik zu den Fallzahlen von Tankbetrügereien führe sie nicht, da diese in die Gesamtstatistik der Betrugstaten einfließen, sagt der stellvertretende Pressesprecher Börge Klepping. Über die Zahl der eingestellten und abgeschlossenen Verfahren kann er deshalb keine Auskunft geben. Auch nicht, ob insgesamt mehr Verfahren seit Februar eingeleitet wurden.
Er erklärt aber: „Problematisch sind in der Regel die Fälle von Tankbetrügereien, in denen Fahrzeuge mit entwendeten Kennzeichen genutzt werden.“ Dadurch sei es den Tätern in der Regel möglich, weitestgehend unerkannt zu bleiben. „Wichtig ist es, sofort die Polizei zu rufen“, sagt Nina Kupferschmidt. „Die Kollegen können möglicherweise vor Ort noch Zeugen antreffen.“
Betrüger nutzen gefälschte oder geklaute Kennzeichen
Dass Tankbetrug häufig von langer Hand geplant sein muss, beobachtet auch Jürgen Schröder, Betreiber der beiden Bavaria-Tankstellen an der Evinger Straße. „Überwiegend fahren die mit gefälschten Kennzeichen. Und wer das hier macht, kommt nicht wieder, so blöd sind die ja nicht. Der versucht es dann woanders.“
Er habe schon Menschen beobachtet, die seine Tankstellen offenbar ausgekundschaftet hätte. „Die kamen hinterher mit zwei 20-Liter-Kanistern, hatten ihr Auto woanders geparkt“, sagt Jürgen Schröder. Das sei jedoch ein seltener Fall. „Mal haste zwei Stück in einer Woche, dann haste die nächsten zwei Wochen gar keinen.“
An seinen Tankstellen habe der Tankbetrug durch die Spritpreiserhöhung nicht zugenommen. „Es sind welche da, aber nicht mehr als im Vorjahr“, sagt Jürgen Schröder. „Wer abhauen will, haut ab, den interessiert das nicht wie viel das kostet.“ Vor einem halben Jahr seien dann 50 Euro weg gewesen. „Jetzt sind es 100 Euro.“
Die ehrlichen Dortmunder tanken einfach weniger
Seit 40 Jahren ist Sprit sein Metier. Der erfahrene Tankwart betont, dass es sich bei den Betrügern nicht um „normale“ Dortmunder handele: „Die sind doch skrupellos, die Leute, die fahren mit geklauten Kennzeichen durch Dortmund!“ Die ehrlichen Leute, sagt Jürgen Schröder, würden bei den Preisen einfach weniger tanken.
24 Stunden sind seine Tankstellen in Eving geöffnet. Betrüger erkenne er auf den Videoaufzeichnungen oft schon am Verhalten: „Das sind Profis. Die haben drei Masken um, steigen rückwärts aus, der Kopf ist immer gesenkt, damit sie nicht direkt gefilmt werden. Und die kommen grundsätzlich mit zwei Mann, beide Sonnenblenden runter, Beifahrertür offen beim Tanken.“
Anders als Stephan Haack würde er nie einem Dieb oder Betrüger hinterlaufen. „Keiner verlässt den Verkaufsraum“, sagt Jürgen Schröder, „da werden unsere Leute drin geschult. Was weg is‘, is‘ weg, aber wenn du hinterhergehst, könnte noch Schlimmeres passieren.“ Auch wenn es früher 70 Liter und 20 Mark gewesen seien, heute jedoch 20 Liter und 70 Euro fehlten.
„Wir sind doch nur kleine Eier von den Tankstellen“
Als häufigsten Tatzeitpunkt für Tankbetrug nennt der Evinger Pächter die Nacht: „Sie kommen abends, wenn es dunkel ist und die Straßen leer, damit sie schnell wegkommen.“ In den letzten drei Wochen habe er jedoch gar keinen Tankbetrüger gehabt. „Ich bin froh über jeden Tag, an dem wir Ruhe haben“, sagt Jürgen Schröder.
Er bringe jeden Tankbetrug zur Anzeige, doch auch er klingt hilflos, wenn er über den weiteren Verlauf spricht: „Wir kriegen dann den Bescheid: Verfahren eingestellt.“ Früher, sagt Jürgen Schröder, sei die Polizei noch hingefahren, wenn sie das Kennzeichen gehabt habe. „Heute machen die nix mehr, wir sind doch nur kleine Eier von den Tankstellen. Aber ich will das nicht kritisieren.“
Börge Klepping von der Staatsanwaltschaft sagt dazu: „In der Regel erhalten die Geschädigten oder Anzeigeerstatter keine Kenntnis davon, wenn die Ermittlungen zu einem Tatverdacht gegen eine bestimmte Person geführt haben und diese sodann in der Folge angeklagt und abgeurteilt werden.“ Nur die Einstellung des Verfahrens - gegen bekannt oder unbekannt – werde ihnen mitgeteilt.
In 14 Jahren nicht ein Fall beim Richter
„Dies könnte sodann in der Folge zu einer subjektiven Wahrnehmung führen, dass ‚jedes‘ Verfahren eingestellt werde.“ Sofern verwertbare Bilder oder Videos der Täter vorlägen, sei die Veröffentlichung von Abbildungen rechtlich an enge Voraussetzungen geknüpft, sagt Börge Klepping. „Danach muss unter anderem eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen. Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall nicht immer erfüllt.“
Auch Richter Michael Tebbe, Sprecher des Amtsgerichts, erklärt: „Wenn gesetzliche Grundlagen wie eine geringe Schuld vorliegen, können Verfahren eingestellt werden. Wenn aber jemand gewerbsmäßig immer tankt, ohne zu bezahlen, wird das verfolgt.“ Über Tankbetrugstaten führe das Amtsgericht ebenfalls keine Statistik, sagt Michael Tebbe – „aber in den 14 Jahren, in denen ich Strafrichter war, hatte ich nicht einen Fall.“
Das Geld, sagt Jürgen Schröder, sähe er sowieso nicht wieder. Als Pächter hafte er nicht für den Kraftstoff. „Der Schaden geht zum Teil über die Gesellschaft, wir kriegen von Bavaria Petrol einiges zurück.“ Und über Polizei und Staatsanwaltschaft sagt Jürgen Schröder: „Die haben genug andere Scheiße.“
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