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Mehr Freiheit durch Massentests: „Tübinger Modell“ sinnvoll für Dortmund?
Covid-19
In Tübingen gibt es Tagespässe für die Innenstadt nach negativen Tests. So können Einschränkungen aufgehoben werden. Eine Option für Dortmund? Das sagen Vertreter von Handel, Gastronomie und Kultur.
Viele Menschen blicken gerade auf die „Modellstadt Tübingen“. Dort darf die Innenstadt betreten, wer vorher einen Schnelltest in einem der zentralen Testzentren gemacht hat. Dafür sind Außengastronomie, Geschäfte und Kulturstätten nahezu ohne Einschränkungen nutzbar.
Der sonst schon häufiger umstrittene Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) erhält für das Konzept in der 90.000-Einwohner-Stadt gerade viel Anerkennung. Initiiert hatte die Aktion die Tübinger Notärztin Dr. Lisa Federle.
Massentests hätten in Dortmund eine andere Dimension
Vertreter der Dortmunder Wirtschaft beobachten die Lage interessiert. Nicht alle Dinge seien übertragbar, findet Thomas Schäfer, Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen Münsterland.
„Das Testen aller City-Besucherinnen und -Besucher hätte in Dortmund eine andere Dimension als in der Kleinstadt Tübingen. Man stelle sich ein Testzelt vor Karstadt vor, welch lange Schlangen sich da bilden würden.“
„Die Devise muss heißen: testen, testen, testen“
Ulf Wollrath, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, setzt viel Hoffnung in die bisherigen Erfahrungen aus Baden-Württemberg. „Das Tübinger Model zeigt, dass eine breite Testung ein Weg für ein Mehr an Öffnung darstellen kann. Ähnlich wie die Devise heißt: impfen, impfen, impfen, muss es heißen: testen, testen, testen“, sagt Wollrath auf Anfrage dieser Redaktion.
Das Konzept eröffne den Spielraum für eine „vorsichtige und intelligente Öffnungsstrategie“.
Ulf Wollrath: „Sie gibt den seit Monaten geschlossenen Unternehmen ein Überlebensperspektive. Für unseren sozialen Zusammenhalt ist sie noch wichtiger: Sie holt gesellschaftliches Leben zurück in unsere Städte und bildet eine gangbare Alternative zum einfallslosen erneuten Rückfall in einen Lockdown.“ Die Verlängerung bis Mitte April hat gerade der Corona-Gipfel von Kanzleramt und Ministerpräsidenten beschlossen.
Unterschiedliche Meinungen in der Dortmunder Gastro-Szene
In Dortmunds Gastro-Szene sind die Meinungen zum Tübinger Modellversuch gespalten. Für Jörg Kemper, Geschäftsführer des Wenkers am Markt, würde ein Tagespass nach negativem Test „viele Dinge leichter machen“.
Die Außengastronomie auf dem Markt lebe auch vom spontanen Bierchen nach dem Shoppen – da helfe, wenn sich die Gäste zuvor nicht extra noch schnelltesten müssen, weil sie ja einen Tagespass haben: „Ich hoffe, dass wir ein solches Modell auch in unserer Stadt hinkriegen.“
Der Dortmunder Neu-Sternekoch Phillip Schneider ist hingegen etwas skeptischer. „Und was ist mit den vielen Lokalen, die keine Außengastronomie haben?“, fragt er.
Würden diese dann weiter staatliche Hilfen bekommen? Und wie kontrolliere man das? Auch für sein Restaurant – seine Terrasse hat mit Abstandsregeln nur 25 Plätze – lohne sich ein reiner Außenbetrieb allein nicht.
Hoffnung für die Kulturszene
Dortmunds Kulturstätten könnten flächendeckende Selbsttests eine Öffnungsperspektive bieten. Das Konzerthaus Dortmund plant bereits Konzerte mit getesteten Besuchern.
Intendant Raphael von Hoensbroech weiß aber um den erheblichen logistischen, personellen und räumlichen Aufwand hinter solchen Testkonzepten. „Deshalb sehe ich für die Zukunft eher über die ganze Stadt verteilte Testzentren, wo sich die Menschen im Laufe des Tages testen lassen können und dann mit dem negativen Ergebnis in eine Veranstaltung oder ein Konzert gehen können.“
Wegen steigender Infektionszahlen sind in Tübingen einige Lockerungen zuletzt wieder zurückgenommen worden. Die Stadt hatte am 21. März eine 7-Tage-Inzidenz von 68,7. Der Modellversuch wird bis zum 4. April fortgeführt und danach wissenschaftlich ausgewertet.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.

Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).

1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
