Irres Konzert im Domicil war ein feuchter Traum für alle Musik-Nerds
Mark Guiliana´s Beat Music
Wer Mark Guilianas Beat Music im Domicil am Sonntagabend nicht gehört hat, hat was verpasst: Ein irres Konzert, das einzige in Deutschland, eines, das mit Seh- und Hörgewohnheiten brach.

Mark Guiliana entfaltet seinen Zauber durch sein absolut exaktes Spiel. © Max-Florian Kühlem
Um Mark Guiliana einzuführen, lässt man am besten drei Namen fallen: David Bowie, Brad Mehldau und Avishai Cohen. Mit diesen Berühmtheiten hat der amerikanische Schlagzeuger grandiose Alben aufgenommen – Bowie hat ihn explizit ausgewählt für das letzte Werk vor seinem Tod: „Blackstar“. Seit einigen Jahren tritt Guiliana allerdings auch selbst als Bandleader in Erscheinung und führte jetzt im Quartett das aktuelle Album „Beat Music! Beat Music! Beat Music!“ im Domicil Dortmund auf – als einziges Konzert in Deutschland.
Schlagzeug steht vollkommen im Mittelpunkt
Zumindest in der Popmusik steht der Beat, also der Rhythmus gebende Teil eines Stücks, normalerweise nicht im Vordergrund. Die Rhythmussektion aus Schlagzeuger und Bass ist dann am besten, wenn sie nicht weiter auffällt und das Stück trotzdem gut nach vorne treibt. Mark Guilianas Konzert im Domicil stellt deshalb eine Verkehrung der Hör- und Sehgewohnheiten dar. Er und sein Schlagzeug stehen absolut im Mittelpunkt und fangen alle Aufmerksamkeit – sogar, wenn der 38-Jährige nur mit dem Fuß die Basstrommel spielt.
Mark Guiliana gibt gemeinsam mit Bassist Chris Morrissey den Ton an, der weltentrückt an seiner Seite tanzt, dubbige Töne pumpt oder Melodielinien gemeinsam mit seinem Instrument in den Raum singt oder ruft. Die beiden weiteren Bandmitglieder an den Flanken – Sam Crowe und Nicholas Semrad – bedienen Keyboards und Synthesizer und steuern damit meistens Klang-Atmosphären oder Flächen bei, die den Sound zwar füttern, aber selten bestimmen.
Drei Komponenten entfalten einen Zauber
Das erstaunlichste dabei ist, dass Mark Guiliana kein opulentes Schlagzeug-Set spielt, sondern ein ziemlich reduziertes mit nur einer tiefen Trommel und einem Becken. Seinen Zauber entfaltet meist er im super exakten Spiel von nur drei Komponenten: Bass-Trommel, Hi-Hat und Snare-Drum – und durch irre rhythmische Verschiebungen.
Inspiriert haben ihn unüberhörbar die Drum-Computer der elektronischen Musik, aber es wirkt, als wolle er zeigen: Der Mensch ist immer noch besser als die Maschine. Derart wilde, impulsive Wechsel und unerwartete Akzentuierungen könnte man wahrscheinlich (noch) nicht programmieren.
Feuchter Traum für Musik-Nerds
Höhepunkt des Abends ist das Stück „Human“, bei dem das Quartett sich durch alle denkbaren synthetischen Klangflächen und dazu gehörigen Beats der 1980er-Jahre-Popmusik zu spielen scheint. Das ist ein feuchter Traum für Musik-Nerds, eine Tour de Force zum Abschluss, nach der frenetischer Jubel ertönt: „Zugabe!“