Lebendes Lexikon für die Zeche und Schacht 6
Brechtener Kiesrondell sorgt für Diskussionen
Gotthard Kindler hat 32 Jahre im Bergbau gearbeitet und gehört zu denen, die auch auf Schacht 6 in Brechten eingefahren sind. Deshalb ärgert es ihn ungemein, dass kein Schild auf das Bauwerk hinweist.

Der Förderturm von Schacht 6 überragte Brechten. © Privat
Dieses mysteriöse, von Kies bedeckte Rondell zwischen den Wohnhäusern am Schiffhorst wirft gerade bei jungen Brechtenern einige Fragen auf. Die häufigste lautet: Was ist das? Um diese Frage dauerhaft zu beantworten, plädierte die CDU in der Bezirksvertretung für die Anbringung einer Tafel, die über den am Rondell einst beheimateten Schacht 6 informieren sollte.
Mit diesem Ansinnen scheiterten die Christdemokraten jedoch, weil unter anderem die Besitzverhältnisse des betroffenen Grundstücks nicht geklärt seien. Und auch die Fragen nach dem Text auf der Tafel und dem Autor der Zeilen blieben bislang ungeklärt.
Für Bewetterung zuständig
Dabei müsste man sich eigentlich nur an Gotthard Kindler wenden. Der heute 82-Jährige arbeitete 32 Jahre lang auf der Zeche und gehörte zu jenen Kumpels, die oftmals auf dem vornehmlich für die Luftversorgung zuständigen Schacht 6 eingefahren sind: „Ungefähr 500-mal.“ Für Kindler ist es „eine Schande“, dass über 30 Jahre nach Schließung der Zeche so gut wie nichts mehr an das Bauwerk erinnert, das einst den Stadtteil prägte: „Tausende hätten unter Tage gar nicht arbeiten können, wenn Schacht 6 nicht für die Bewetterung gesorgt hätte.“
Vor 80 Jahren in Betrieb genommen
Zumal der Brechtener Bergbau 2018 einen runden Geburtstag feiert: 1938, vor genau 80 Jahren, wurde Schacht 6 in Betrieb genommen.
Obwohl er ursprünglich aus dem Schwarzwald stammt, als Kind Kühe hütete und erst aufgrund eines in Baden erschienenen Zeitungsartikels, in dem von fehlenden Bergleuten im Ruhrgebiet die Rede war, nach Brechten kam, prägt der Bergbau Kindler bis heute. Ganze Ordner mit Papieren und Schreiben hat er ebenso angelegt wie im Keller ein Modell der Zeche Minister Stein mit all ihren Schächten und Streben. Daneben lagern alte Lampen, Helme, Werkzeuge und zahlreiche andere Erinnerungsstücke.
Laut wie ein Flugzeug
„Als ich 1954 nach Brechten kam, wohnte in der Umgebung von Schacht 6 noch kaum jemand“, sagt der 82-Jährige, der zunächst als Gedingeschlepper im Akkord sein Geld verdiente, ehe er eine Lehre zum Hauer absolvierte und später selbst den Nachwuchs ausbildete. Dass rund um den Schacht kaum jemand lebte, ergab übrigens durchaus Sinn. „Sobald man in die Nähe kam, hörte man ein Geräusch, das an ein Flugzeug erinnerte“, erzählt Kindler.

Gotthard Kindler denkt gern an seine Berufsjahre unter Tage zurück: „Einmal Bergmann, immer Bergmann.“ © Michael Schuh
Dabei habe es sich um den Krach einer riesigen Turbine gehandelt, die minütlich 12.000 Kubikmeter verbrauchte Luft und Gase abpumpte, damit durch den Unterdruck an anderer Stelle Frischluft in das Bergwerk strömen konnte. Erst später sei dann ein gewaltiger Trichter auf die Anlage gebaut worden, damit der Geräuschpegel sank und die feuchten Wetter, sprich Gase, in größerer Höhe herausströmten.
Viele Störungen in den Flözen
Zum Start in den 1930er-Jahren sei die Anlage wohl noch geplant gewesen, um an dieser Stelle tatsächlich Kohle zu fördern. Doch das habe schon aus zwei Gründen nicht funktioniert, erläutert Kindler: „Einerseits gab es hier viele Störungen, also Brüche in den Flözen, andererseits war kein Platz für einen zweiten Schacht vorhanden, den man benötigt hätte. Denn Schacht 6 war umgeben von der B54, der in dieser Zeit erbauten Autobahn, dem Kanal und der Zeche Minister Achenbach im Norden.
Schattenseite des Berufs
Wenn Gotthard Kindler all das – und noch viel mehr – über den Bergbau im Allgemeinen und über Schacht 6 im Besonderen erzählt, dann strahlt der Senior: „Ich bin richtig gern Bergmann gewesen.“ Doch eine Schattenseite habe auch sein Traumberuf gehabt: „Viele meiner Kumpel sind an der Staublunge gestorben.“ Vielleicht ist eine Infotafel an Schacht 6 deshalb umso wichtiger.