
Mitfiebern in Schwarz-Rot-Gold (wie hier noch bei der EM 2016): Das dürfte bei der WM in Katar im November schwieriger werden als bei vielen Turnieren zuvor. © Stephan Schütze (Archivbild)
#KeinKatarInMeinerKneipe: Droht der WM-Boykott in Dortmunder Kneipen?
Fußball-WM in Katar
Mitten im Winter, politisch vielfach kritisiert: Die Fußball-WM in Katar ist umstritten. Das könnte dazu führen, dass in etlichen Dortmunder Kneipen und an anderen Orten der Bildschirm dunkel bleibt.
Die FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft im arabischen Emirat Katar ist umstritten wie wenige Turniere zuvor. Politisch, weil die zum Teil tödliche Ausbeutung Tausender Arbeiter beim Bau der Stadien viele Menschen abstößt. Und: Sie findet im europäischen Winter statt (21.11.-18.12.).
Was bedeutet das für das „Gemeinschaftsereignis“, das solche Turniere vor allem in Dortmunder Fußball-Kneipen in der Vergangenheit häufig waren?
Köln. Düsseldorf, Berlin: In zahlreichen Großstädten kündigen Kneipen Boykott an
Wirte aus Altstadt-Kneipen in Düsseldorf, Köln und Bonn sowie ein Public-Viewing-Veranstalter aus Essen haben zuletzt bereits eine klare Entscheidung getroffen. Dort wird die WM nicht zu sehen sein. Dem Aufruf „#KeinKatarInMeinerKneipe“ haben sich außerdem Gastwirtinnen und Gastwirte in Berlin, Bremen und anderen Städten angeschlossen.
Dortmunder Namen fehlen bisher noch auf der Liste der Unterzeichnenden. Die Gastronomiewelt in der Stadt reagiert rund zwei Monate vor Beginn des Turniers verhalten, wenn man sie auf das Thema WM in Katar anspricht. Erste Stichproben unter Wirten zeigen eine gewisse Skepsis.
Weihnachtsgeschäft statt Sommerloch
Einige lassen sich noch keine Prognose entlocken. Das gilt sogar für eine ausgesprochen fußballaffine Gastronomie wie das „Mit Schmackes“, an dem Ex-BVB-Profi Kevin Großkreutz beteiligt ist.
Betreiber Christopher Reinecke schildert seine differenzierte Sicht auf das Thema. „Als Fan sage ich: Die WM hätte da gar nicht hingedurft.“ Aber als Gastwirt habe er mehrere Ebenen zu bedenken. Bisher sei die Entscheidung für das „Mit Schmackes“ noch nicht abschließend gefallen.
„Ich habe höchsten Respekt für jeden, der es nicht zeigt. Ich hoffe dann aber auch, dass diejenigen in der Zeit gut unterstützt werden und ihre Kneipen nicht leer bleiben“, sagt Reinecke. Zugleich sagt er: „Ich verstehe aber auch jeden, der es zeigt. Es ist schwierig, dem kleinen Kneipenwirt die Verantwortung zuzuschieben für etwas, das vor Jahren falsch entschieden worden ist.“
Es sei deshalb nicht einfach, zu entscheiden, ob der Fernseher dann nicht einfach doch läuft, wenn Gäste an Spieltagen danach fragen. Fest steht laut Reinecke: Wenn etwas passiert, dann ohne große Ankündigung oder Begleitprogramm.
Einen Effekt habe Protest aus seiner Sicht nur dann, wenn viele mitmachen, „und nicht der nächste eine Ecke weiter es dann doch zeigt“.
Einige Gastronomen haben sich klar entschieden
Andere Gastwirte sind in ihrer Entscheidung schon weiter. Omid Ghorbanazar von der „Ratsschänke“ in der City sagt: „Wir sind sehr fußballorientiert und zeigen alle Spiele. Wir sind optimistisch, dass das gut klappt.“
Mit einer WM im Juni/Juli hätte er normalerweise das „Sommerloch“ überbrückt. Nun fallen viele Spiele mit dem Weihnachtsmarkt und Weihnachtsfeiern zusammen, die er in seiner Eckkneipe am Friedensplatz ausrichtet. „Da wird es ohnehin gut besucht sein. Mal sehen, wie wir das machen.“

Omid Ghorbanazar ist Wirt der Ratsschänke“, einer laut eigener Aussage sehr „fußballorientierten“ Kneipe. © Oliver Schaper (Archivbild)
Er finde es nicht gut, was rund um die WM passiere. „Aber Fußball ist eben auch ein Business. Wir nehmen es sportlich und haben es nicht zu entscheiden“, sagt Omid Ghorbanazar.
Andere bekannte Dortmunder Fußballkneipen wie „B-Trieb“, „Strobels“ oder „Klubhaus 1249“ kündigen auf Anfrage bereits an, die Spiele zeigen zu wollen - wenn auch stets verbunden mit dem Hinweis auf die fragwürdigen Umstände des Turniers. Andere wie die „Manhattan Sportsbar“ zögern noch mit einer Entscheidung.
Offene Boykott-Ankündigungen aus Dortmund bleiben aber bisher aus – zumindest von Seiten der Gastronomie.
„Fanmeile“ in Dortmund? Höchstens, wenn Deutschland weit kommt
Definitiv kein Thema ist indes eine große „Fanmeile“ oder Leinwände, auf denen die Spiele für die Masse übertragen werden. „Ein Public Viewing ist nicht geplant, auch nicht zum Weihnachtsmarkt“, sagt Patrick Arens, in der Vergangenheit häufig Organisator solcher Events.
Man müsse schauen, was passiert, wenn Deutschland ins Halbfinale oder Finale käme. Aber wenn das passiert, müsse man kurzfristig schauen. „Wir haben ja alle ein Bild von Fußball und Fußball-WM. Und das wird natürlich in Katar in allen Punkten konterkariert“, sagt Patrick Arens.
Eine Reaktion auf den nahenden Start der WM kommt von der evangelischen Kirche in Deutschland. In ihrer Synode, also der Versammlung der Kirchengemeinschaft, hat sie einer kritischen Haltung Ausdruck verliehen.
Evangelische Kirche ruft ihre Gemeinden zum Verzicht auf Übertragungen auf
Der Kirchenkreis Dortmund ruft Gemeinden deshalb dazu auf, „bewusst auf ein Public Viewing zu verzichten und stattdessen auf den Advent und die Menschenrechtssituation in dem Land hinzuweisen“.
Es sind Aktionen des „Amts für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung“ im Kirchenkreis angekündigt, in denen unter anderem fair produzierte Fußbälle verkauft werden sollen.
Kritische Auseinandersetzung mit dem Thema kündigt auch eine katholische Gemeinde in Dortmund an. Das pastorale Fußballprojekt an der Dreifaltigkeitskirche in Dortmund, cominghome09, hat den Journalisten Dietrich Schulze-Marmeling zu einem Vortrag unter dem Titel „Die Causa Katar“ am 21. September (Mittwoch, 19.09 Uhr). in die BVB-Gründungskirche, Flurstraße 10, eingeladen. Er erklärt Hintergründe zu den Vorgängen rund um die WM.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
