„Westenhellweg ist das Gegenteil von schön“ Kaufhaus-Sterben als Chance? Handels-Professor mit provokanter Idee

Kaufhaus-Schließung: „Das ist eine große Chance für die Innenstädte“
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Die City im Krisen-Modus: Das traditionsreiche Karstadt-Haus am Westenhellweg soll nach dem Willen des Karstadt Galeria Kaufhof-Konzerns Ende Januar 2024 für immer seine Pforten schließen.

Und die ehemalige Kaufhof-Filiale auf Dortmunds wichtigster - und teuerster - Einkaufsmeile steht ab Juli wieder leer. Nach dem Aus für Galeria 2020 beendet Sinn dann seine Zwischennutzung.

Zwei Leerstände an so prominenten Stellen wären verhängnisvoll. Zumal noch weitere Einzelhändler, die große Flächen bespielen, in Schieflage geraten sind. P&C zum Beispiel, die sich in einem sogenannten Schutzschirmverfahren befinden, um eine Pleite abzuwenden. C&A, hat im vergangenen Jahr deutschlandweit schon 13 Filialen geschlossen haben. Der Mietvertrag des Modehauses am Ostenhellweg läuft noch bis Ende 2024. Und dann?

Sind die großen Häuser noch die Magneten, die die Kundenströme in die City locken? Gehen andere Geschäfte mit unter, wenn die Frequenz am Westenhellweg sinkt? Oder füllen andere Geschäfte die Lücke und nutzen diese schöpferische Zerstörung, um Marktanteile zu erobern? Und sind nicht eigentlich ganz andere Attraktionen nötig, um die Einkaufsstadt Dortmund lebendig zu halten?

„Geschäfte mit großer Auswahl“

Wir haben Experten und Vertreter großer Häuser gefragt, was ein mögliches Aus von Karstadt mit der City machen würde, worin sie die Ursachen für den Niedergang und mögliche Rezepte für eine goldene Handels-Zukunft sehen.

„Natürlich wäre es schlecht, wenn Karstadt wirklich geschlossen werden würde. Aber eine Stadt wie Dortmund könnte ein Aus verkraften“, sagt Thomas Schäfer, Geschäftsführer der Geschäftsstelle des Handelsverband NRW in Dortmund. „Man muss das vom Kunden her denken: Der geht nach Dortmund, weil da was los ist und er hier eine große Anzahl von Geschäften mit einer großen Auswahl hat.“

Gerrit Heinemann, Handelsexperte und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein, sieht die drohende oder bereits vollzogene Schließung großer Warenhäuser sogar „als große Chance für die Innenstädte“. Dies beträfe auch und ganz besonders den Dortmunder Westenhellweg. „Wenn man das realistisch betrachtet, ist der Westenhellweg eher das Gegenteil von schön.“, sagt er.

Das liege zum einen an „fehlender Aufenthaltsqualität – da werden ja noch nicht einmal die Grundbedürfnisse erfüllt wie zum Beispiel das Vorhalten von Toiletten.“ Zum anderen liege das aber auch an den Kaufhäusern selbst, die nur noch „mietpreisgetriebene Anlageobjektversammlungen“ seien.

Die hohen Mieten seien „der Knackpunkt“ – Gerrit Heinemann geht davon aus, dass künftig nur ein Bruchteil der bisherigen Summen erlöst werden kann: „Das ist ein Problem, weil daran natürlich der Wert einer Immobilie hängt“.

Grünfläche statt Kaufhaus?

Bestandsschutz könne es da nicht geben – vielmehr müsse man „da tabulos rangehen: Warum nicht das Kaufhaus abreißen und stattdessen eine Grünfläche anlegen?“

Die Politik müsse steuernd und mit Geld eingreifen und „sich nicht auf Leuchtturmprojekte oder den Erhalt von Kristallpalästen konzentrieren“.

Es sei jetzt schon so, „dass der Westenhellweg immer kürzer werde“. Das sei das Ergebnis eines Strukturwandels, der schon vor der Corona-Pandemie begonnen habe. Die Lücken und Leerstände „bekommen sie nicht mit Einzelhandel gefüllt, das ist Quatsch. Viel mehr muss man sich anschauen, was in den Innenstädten fehlt. Und das wissen wir ja aus Befragungen: Das sind Lebensmittelhändler und zum Beispiel Baumärkte.“ Es müsse darum gehen, „Geschäfte für den täglichen Bedarf zurückzuholen“.

Da gebe es schöne Beispiele - „zum Beispiel in Düsseldorf, wo der Edeka in das ehemalige Galeria-Haus eingezogen ist. Da sind dann aber auch größtmögliche Parkmöglichkeiten gegeben – das ist wichtig, um die Kunden wieder in die Innenstädte zu bringen. Es muss Mobilität da sein, sonst fahren die Leute lieber in den Ruhrpark oder andere Center.“

Deshalb sei es kontraproduktiv, Autos nicht mehr in die City zu lassen oder Parkplätze zu streichen. „Und natürlich muss man den Öffentlichen Personennahverkehr hochfahren“, fordert der Handelsexperte.

Das Thema Verkehr ist auch für P&C ein Thema in Dortmund: „Die Peek und Cloppenburg KG Düsseldorf merkt wie die gesamte Branche, dass die Frequenzen in den Innenstädten weiterhin unter dem Niveau von 2019 liegen. Dazu kommen Themen wie die Sperrung der A 45, die es für das Umland unattraktiv machen, nach Dortmund zu kommen“, sagt ein Sprecher des Unternehmens.

„Sind wichtige Magneten“

„Unsere Häuser sind wichtige Magnete, stehen für lebenswerte Innenstädte und unsere Mitarbeiter für kompetente Beratung“, ergänzt er. Der stationäre Einzelhandel bleibe zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells. Durch die sinkende Passantenzahl hätten sich „Leerstände in der direkten Umgebung unserer Häuser ergeben - diese sehen wir auch in Dortmund, wo wir seit 1977 vor Ort sind.“

Bei P&C setzt man auch für Dortmund auf „engen Austausch mit Kommunen“ über City-Konzepte -und auf die Magie der kleinen Dinge: Vor einem Jahr wurde ein Café ins Haus am Westenhellweg integriert. „Das wird sehr gut angenommen und ist ein beliebter Startpunkt für den Start in den Einkaufstag.“ Das deckt sich gleich mit zwei Aspekten, die Thomas Schäfer vom Handelsverband für die Weiterentwicklung der Innenstädte empfiehlt.

Wie Hochschulprofessor Heinemann sieht er, dass Rolle und Relevanz des Einzelhandels abnimmt. „Wenn sie ein mehrgeschossiges Objekt haben, wird Handel sicher im Erdgeschoss präsent sein oder vielleicht noch im Stockwerk darüber. Aber es wird wohl künftig nicht vollständig durch Handel genutzt werden, sondern es werden andere Erlebniswelten geschaffen - durch Gastronomie, Hotellerie, Wohnen, Handwerk oder Gesundheit“

„Immer etwas Neues machen“

Ebenso wichtig sei aber: „Innenstädte müssen sich weiterentwickeln, immer etwas Neues machen. So wie die Thier-Galerie, die mal mit bunter Dekoration den Frühling einläutet. Bei all diesen Krisen-Nachrichten, so schlimm sie auch sind, sollte der Handel das nämlich nicht vergessen: Einfach mal gute Laune verbreiten“, empfiehlt Thomas Schäfer vom Handelsverband.

Den Beschäftigten hingegen fällt es schwer, ihre gute Laune zu behalten: Über ihnen hängt das Damoklesschwert des Job-Verlustes. 359 Mitarbeiter bei Galeria Karstadt Kaufhof verfolgen, dass seit Jahren der Drohung oder Ankündigung der Schließung Gläubigerversammlungen und politische Rettungsversuche folgen - Ende offen. Das Schicksal von Karstadt Dortmund ist noch nicht endgültig besiegelt - „es ist noch nicht fertig“, sagt OB Thomas Westphal.

Die Angestellten von P&C erhalten ihre Gehälter noch zwei Monate von der Agentur für Arbeit. Auch an ihnen nagt die Ungewissheit. Zumal die Unternehmen stets nur erklären, dass „nach derzeitigem Stand“ betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind.

Flankiert wird diese Aussage bei P&C mit der Aussage, dass „wir regelmäßig prüfen, wir unsere Flächen entwickeln und anpassen können.

C&A äußert sich ähnlich: „Unsere Standorte werden regelmäßig in Hinblick auf die Bedürfnisse der Kunden überprüft. Entscheidungen über die Weiterentwicklung einzelner Standorte werden im Rahmen unseres Portfoliomanagements getroffen.“ Weitere Informationen zu ihren Mitarbeitern und Immobilien könne das Unternehmen nicht geben.

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