Japanerin Yoko (73) probiert die Ramen im neuen Dortmunder Restaurant "Nokibox".

Japanerin Yoko (73) probiert die Ramen im neuen Dortmunder Restaurant "Nokibox". © Joscha F. Westerkamp

Japanerin Yoko testet: Wie japanisch ist Dortmunds erstes Ramen-Restaurant?

rnTrend-Gericht Ramen

In Dortmund hat das erste Ramen-Restaurant der Stadt eröffnet. Zahlreiche Gäste haben den Trend-Laden schon in den ersten Wochen lieb gewonnen – Japanerin Yoko (73) hat ihn für uns getestet.

Dortmund

, 29.07.2022, 10:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Yokos erster Eindruck: verwundert. „Das wirkt gar nicht so japanisch“, sagt die 73-jährige Japanerin, als sie in die Speisekarte von Dortmunds erstem Restaurant für Ramen, eine japanische Nudelsuppe, blickt.

Vor einigen Wochen hat das Restaurant eröffnet, es heißt „Nokibox“ und liegt an der Saarlandstraße. Während Ramen in Deutschland – ganz passend zum Saarlandstraßen-Viertel – noch eher ein Trend-Gericht sind, gehören sie in Japan schon seit über hundert Jahren zu den beliebtesten Speisen des Landes.

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„Ramen kommen ursprünglich aus China, sind dann aber nach Japan gekommen und da ganz groß geworden“, erklärt Yoko. „Japan ist ja sehr lang, und in den verschiedenen Regionen gibt es ganz unterschiedliche Ramen. Insgesamt gibt es über hundert verschiedene.“

Das Wesentliche sei aber immer ähnlich: Basis bilde eine in der Regel mit Soja gewürzte Brühe, die häufig schon mit Fisch, Gemüse und allem möglichem anderem gekocht werde, um einen besonderen Geschmack zu erhalten. In diese Brühe kommen dann Nudeln und verschiedene Toppings wie Fleisch und Gemüse.

Im Dortmunder Restaurant stehen zwei verschiedene Brühen zur Auswahl: „miso“ und „tonkotsu style“. Doch das Tonkotsu macht Yoko skeptisch – denn laut Speisekarte und Bedienung soll dies vegan und rein auf Sojabohnen-Basis hergestellt sein.

Schweineknochen-Brühe ohne Schweineknochen

Aber: „Tonkotsu bedeutet Schweineknochen", sagt Yoko. Dies sei ebenso wie Miso (was immer auf Sojabohnen-Basis hergestellt sei) eine in Japan verbreitete Variante der Brühe – aber eben aus Schweineknochen, letztlich also Gelatine.

Auch einige der in Dortmund gebotenen Toppings seien ihr auf Ramen neu. So enthalten gleich beide vegetarischen Varianten neben Tofu, Sesam und Frühlingszwiebeln auch Mais: „Das habe ich in Japan noch nie auf Ramen gesehen.“ Wobei sie sich schon vorstellen könne, dass es schmeckt …

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Varianten und Dinge ausprobieren – das ist gar nicht mal unüblich, erklärt Yoko: „Auch in Japan gibt es viele experimentelle Varianten. Die Japaner waren zum Beispiel eine Zeit lang ganz scharf aufs Scharfe. Da schwamm oben immer eine richtige Schicht rotes Chili-Pulver drauf. Das war mal total in Mode.“

Viel Fantasie hätten die Japaner durchaus bei dem, was sie in ihre Ramen täten. „Was sie hier im Nokibox haben, kann man ja auch irgendwie als Experiment sehen", findet Yoko.

So gibt es im Nokibox auch Ramen mit frittierter Hähnchenbrust oder frittierten Garnelen. Beides hat Japanerin Yoko noch nie in japanischen Ramen kennengelernt. Aus Neugier bestellt sie letzteres: Einmal den „Tonkotsu Style“ Ramen mit frittierten Tempura-Garnelen, Lava-Ei, Sesam und Frühlingszwiebeln, bitte.

Yoko lebt seit 50 Jahren in Deutschland

„Ich finde das unglaublich toll, dass man hier jetzt an so vielen Stellen Japanisch essen kann“, sagt sie. „Ich lebe jetzt seit 50 Jahren in Deutschland. Anfangs gab es hier noch gar kein japanisches Essen, weder im Restaurant noch im Supermarkt. Wenn ich dann mal in Japan war, bin ich mit Koffern voller Lebensmittel zurückgeflogen.“

Die Auswahl in Deutschland habe sich über die Zeit sehr geändert – nicht nur bei Ramen, sondern ganz besonders auch bei Sushi. Das sei in Deutschland übrigens viel mehr als Take-away-Gericht verbreitet als in Japan, wo man Sushi vor allem schick im Restaurant esse.

Dann erzählt die 73-Jährige etwas Bemerkenswertes: Ramen sei bei Japanern mindestens so beliebt wie Sushi. „Wenn Japaner aus dem Ausland nach längerer Zeit wieder nach Japan kommen, wollen ganz viele, die ich kenne, zuerst Ramen essen gehen. Darauf haben sie einfach Appetit.“

Yoko fliegt noch jährlich nach Japan – früher, als sie noch berufstätig war, noch häufiger. Da habe sie als Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet. „Zehn Jahre habe ich auch Seminare zu internationaler Kultur für Manager gegeben. Die haben mir immer erzählt: Besseres Essen als in Japan gibt es kaum.“

Nach Europareise in Deutschland hängen geblieben

Wie sie überhaupt nach Deutschland gekommen ist? „Vor allem durch Zufall. Als ich mit 22 fertig studiert hatte, wollte ich erstmal eine Europareise machen. Sonst hätte ich sehr bald heiraten und die Rolle der Mutter und Hausfrau einnehmen müssen. Da hatte ich keine Lust drauf.“

Nach einer einmonatigen Europareise arbeitete sie für ein halbes Jahr in einer Bielefelder Jugendherberge, um weiter hier bleiben zu können.

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„Dann konnte ich schon ein bisschen Deutsch und hab mir gedacht, ich könnte das ja jetzt noch weiter lernen. Ein Freund hat mir damals die Auslandsgesellschaft Dortmund für besonders gute Sprachkurse empfohlen“, erzählt sie. Daraufhin sei sie hierhergekommen – und habe nur kurz später selbst bei der Auslandsgesellschaft einen Japanisch-Sprachkurs gegeben. „Der hatte genau sechs Teilnehmer. Einer davon ist jetzt mein Mann.“

Seit 1990 leitet das Ehepaar zusammen die Deutsch-Japanische Gesellschaft. Eine perfekte Geschichte.

So schmeckt die Dortmunder Ramen

Dann kommt die Ramen. Ganz klassisch mit großer Holzkelle zum Essen der Suppe und Stäbchen für die Nudeln. Gabel und Löffel gibt es hier nicht (oder höchstens auf Nachfrage).

Yoko hat sich für diese Ramen entschieden.

Yoko hat sich für diese Ramen entschieden. © Joscha F. Westerkamp

Yokos erster Eindruck von dem Gericht: „Ziemlich fremd“, findet sie. „Diese Garnelen hat man in Japan durchaus genau so, aber nie in Ramen, sondern einzeln. Da würde man dann vielleicht noch Ramen zu bestellen.“

Dann probiert sie. Urteil: Schmeckt. „Früher fand ich es ganz komisch, wenn japanische Gerichte in Deutschland nicht so sind wie in Japan. Mittlerweile finde ich das sogar toll, was es manchmal gibt. Zum Beispiel Sushi mit Avocado, das ist eine unglaubliche Kombination, schmeckt aber gar nicht schlecht.“

Dann geht es an die Details: Die Nudeln im Dortmunder Ramen seien so, wie sie müssten. „Die dürfen nicht zu weich sein, aber hier sind sie gut al dente.“ Die „Tonkotsu Style“-Brühe schmecke so sehr nach echtem japanischem Tonkotsu, dass sie anzweifelt, ob es sich dabei nicht vielleicht doch um echten Schweineknochen handelt. Wir fragen später noch nach. Antwort: Nein, das sei nicht der Fall.

Brühe wird nicht im Haus selbst gekocht

Im Haus selbst hergestellt werde die Brühe allerdings nicht, sagt eine Mitarbeiterin. Sie werde nur vor Ort zusammengestellt.

Der Chef der Nokibox komme übrigens auch nicht aus Japan, erfahren wir dann, sondern aus Korea. Das erklärt auch so manches auf der Karte – „koreanischer Einfluss“, sagt Yoko.

Die Kunden jedenfalls sind offenbar angetan: Seit der Eröffnung sei fast immer viel los im Restaurant. Auch an diesem Tag, einem Mittwochabend, ist das kleine Lokal gut gefüllt – ohne Reservierung wäre hier wohl kein Tisch mehr zu bekommen gewesen.

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Doch ist dieser Hype auch gerechtfertigt? Yoko fasst ihre Geschmackseindrücke zusammen.

„Diese Brühe schmeckt schon sehr gut, wie in Japan“, sagt sie. „Nur der Geschmack ist noch intensiver. Japaner lieben den Geschmack der einzelnen Zutaten und würzen daher nicht so stark. Hier war es mir für meinen eigenen Geschmack ein bisschen zu sehr gewürzt und etwas zu salzig“.

Doch: „Manchmal mag man diesen dicken Geschmack ja auch gerne“, sagt Yoko. Gesamturteil: „Das war gut, muss ich schon sagen! Ich werde demnächst bestimmt noch mal mit meinem Mann wiederkommen.“