Mehr Kinder, weniger Erzieherinnen - Was tut Dortmunds Politik? Die Halbzeitbilanz nach der Kommunalwahl

Immer mehr Kinder, immer weniger Erzieherinnen: De Kita-Krise in DO
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Seit zehn Jahren – seit dem 1. August 2013 – hat jedes Kind, das älter als ein Jahr ist, Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Dieser Vorgabe hinkt die Politik hinterher. Die Bertelsmann Stiftung hat berechnet, dass in diesem Jahr immer noch mehr als 380.000 Kita-Plätze fehlen. Am schlimmsten sieht es in NRW aus – hier fehlen mehr als 100.000 Plätze.

Trotz aller Bundesmittel und Landeszuschüsse: Die Plätze entstehen – und fehlen – in den Städten. Wie in Dortmund. Anfang Mai 2023 beklagte der Planerladen und ILS Research anlässlich der Initiative „Leerer Stuhl“ auf dem Nordmarkt, dass 3000 Plätze in der außerfamliären Betreuung fehlen. Und das obwohl die Parteien in ihren Wahlprogrammen zur Kommunalwahl 2020 der frühkindlichen Bildung und Betreuung Priorität eingeräumt hatten.

Die Grünen nannten das „ein Herzensanliegen“. Die CDU wollte „eine bessere Kinderbetreuung, die das Kindeswohl in den Vordergrund stellt“. Die SPD wollte sich darum kümmern, dass Dortmund die „Hauptstadt der Kinder“ wird.

Knapp zweieinhalb Jahre vor der nächsten Kommunalwahl ziehen wir Halbzeitbilanz. Was wurde erreicht? Was von den Versprechen kann noch bis Ende der „Legislaturperiode“ im Herbst 2025 erfüllt werden?

Der Plan: Eine 50-Prozent-Quote in der Gruppe U3

Die Grundlage zum Kita-Ausbau wurde durch einen Ratsbeschluss nach der Kommunalwahl im März 2021 gelegt: Fast einstimmig – die AfD, Die Rechte und die FDP/Bürgerliste enthielten sich – beschloss das Stadtparlament die „strategische Ausbauplanung“ mit dem Ziel, bis 2025 mindestens der Hälfte aller Kinder unter drei Jahren (U3) einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Seitdem gilt als Zielgröße: 50 Prozent bei den ganz Kleinen (U3), 100 Prozent bei den etwas Älteren (Ü3).

Die Realität sieht anders aus: Ende 2022 lag die Versorgungsquote bei den Über-Dreijährigen bei 92 Prozent liegt, bei den Unter-Dreijährigen liegt sie bei 37 Prozent. Das ist nicht nur weniger als die für 2025 angepeilte Zielmarke: Die Quoten sind im Vergleich zum Vorjahr auch noch gesunken – die Versorgungslage ist also schlechter geworden.

Das hat einen bitteren Grund: Die Zahl der Kinder, die in Dortmund Anspruch auf einen Kindergartenplatz haben, ist entgegen aller Prognosen deutlich gestiegen – im Vergleich von vor zehn Jahren um etwa ein Drittel. Ein Fünftel der 650 Kinder unter drei Jahren, die 2022 neu hinzukamen, stammen aus der Ukraine.

Die Lage in den Stadtbezirken:

Noch nicht am Ziel: Nicht alle Wahl-Versprechen zur Kinderbetreuung in Dortmund wurden erfüllt.
Noch nicht am Ziel: Nicht alle Wahl-Versprechen zur Kinderbetreuung in Dortmund wurden erfüllt. © Verena de Azevedo

Hinzu kommt: „Die Versorgungsquoten beziehen sich auf die Gesamtstadt. In den einzelnen Stadtbezirken sind sie jedoch unterschiedlich. Eine große Herausforderung ist nach wie vor die Versorgungslage in der Innenstadt-Nord, wo ohne die geplanten Neubauten ein Ü3-Defizit bestehen bleibt“, erläutert Stadt-Sprecherin Karin Pinetzki.

In der Tat liegt die Versorgung bei den Ü3-Plätzen in Huckarde, Hombruch und der Innenstadt-West bei mehr als 100 Prozent, während sie in der Innenstadt-Ost, Eving und Lütgendortmund bei unter 80 Prozent liegt.

Dramatisch ist die Lage bei den Jüngeren: Die Werte zur Versorgung der Unter-Dreijährigen liegen beispielsweise in der Nordstadt bei lediglich 28 Prozent – um dort wie gewünscht, die Hälfte der Kinder zu betreuen ist ein kommunaler Kraftakt nötig.

Der ist auch deswegen nötig, weil die Stadt zwar ursprünglich 110 Millionen Euro für ein städtisches Programm aufgelegt hatte, aber zwei Drittel der Kitas gar nicht durch die Stadt beziehungsweise den städtischen Träger Fabido gebaut werden, sondern durch freie Träger – also Kirchen, Verbände oder Vereine. 3500 Plätze sollen so bis 2025 in 52 neuen Einrichtungen hinzukommen.

Aber allein die Baukosten der Stadt sind in den letzten drei Jahren um 73 Prozent gestiegen – ein Anstieg, der auch nicht-kommunale Träger trifft. Das Land hat für das kommende Jahr zwar auch die Miet-Zuschüsse erhöht – allerdings nur um acht Prozent. Die Folge: Private Investoren schieben den Kita-Bau auf die lange Bank oder verabschieden sich ganz aus solchen Vorhaben.

Die Erklärungen der Parteien:

Solche Mühen der Ebene finden sich in den Wahlversprechen der Parteien kaum – da geht es um hehre Ziele: Die SPD gab den „Kümmerer“ – und führt die geringe Versorgungsquote auf die deutlich gestiegenen Zuwanderungseffekte aufgrund der aktuellen Ukraine-Krise an.“

Die Grünen betonen immerhin, dass sie beim Ausbau der Kinderbetreuung für die Unter-Dreijährigen an dem gesteckten 50 Prozent-Ziel fürs Jahr 2025 festhalten. Die von Dezernentin Monika Nienaber-Willaredt für 2025 prognostizierte Versorgung von 42,8 Prozent sei nicht ausreichend.

Zwei Probleme sind die Grünen zusammen mit der CDU angegangen: Zum einen den Personalmangel. Neben der steigenden Anzahl von Kita-Kindern ist das Problem, dass den Kitas das Personal ausgehet. 17.000 Kita-Angestellte und Grundschulpädagogen könnten im NRW bis 2030 fehlen. Das hat die Bertelsmann-Stiftung errechnet. Warum 2030? Ein Jahr zuvor soll der Anspruch auf Ganztagesbetreuung für alle Grundschüler kommen. CDU und Grüne haben daher im März beantragt, eine „Fachkräfte-Offensive“ zu starten.

Die Wahlkampf-Initiative der CDU, Modellversuche für Kitas zu starten, die 24 Stunden an 7 Tagen geöffnet sind, wartet noch auf die Realisierung. Immerhin gibt es einen Antrag – auch der zusammen mit den Grünen –, der erweiterte Öffnungszeiten anpeilt. Das Konzept dazu sollte im zweiten Quartal 2023 vorliegen – „da es bis zu den Sommerferien noch nicht vorlag, wird die CDU in der ersten Sitzung nach den Ferien danach fragen“, heißt es aus der Fraktion.

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