Die Wände in seinem Büro im Stadthaus mit weitem Blick über Dortmund sind noch relativ kahl. Stefan Szuggat ist als Planungsdezernent erst seit dem 1. März im Amt. Vorher war er Leiter des Planungsamtes in der sächsischen Hauptstadt Dresden. Doch er ist kein Dortmund-Neuling, weil er hier studiert hat und mit seiner Familie seit vielen Jahren in Dortmund wohnt.
Sie leben zwar seit vielen Jahren in Dortmund, haben aber zuletzt als Stadtplaner in Dresden gearbeitet, haben damit gewissermaßen auch einen Blick von außen auf die Entwicklung der Stadt gehabt. Wie ist denn aus Ihrer Sicht der Stand des Strukturwandels in Dortmund?
Das Thema Strukturwandel gab es ja schon zu der Zeit als ich hier studiert und begonnen habe, hier zu wohnen. Mittlerweile ist der Strukturwandel, mit den damaligen Problemen hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft längst vollzogen. Das sieht man auch an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die liegt um 30.000 höher als in der bisherigen Hochphase im Jahr 1976. Dortmund hat sich zu einem Motor als Arbeitgeber in der Region entwickelt.
Und der Wandel zeigt sich auch im Stadtbild, etwa mit der Entwicklung von Flächen wie Phoenix-West und -Ost. Auch die Westfalenhütte ist ja im Werden mit neuen Nutzungen.
Eine Fläche, zu der es wieder Fragezeichen gibt, ist das frühere HSP-Areal, bekannt auch als Smart Rhino. Haben Sie die Hoffnung, dass sich das auch ohne die Fachhochschule bald entwickeln lässt?
Die Planung mit einem Mischkonzept aus Wohnen, Arbeiten und Erholungscharakter wird fortgeschrieben. Dieser Dreiklang der Nutzungen wird auch weiterhin Zielsetzung bleiben. Ich gehe davon aus, dass man auch hochwertiges Gewerbe dort ansiedeln kann. Die Mischung ergibt sich ja auch ein bisschen aus der Topografie. Die Stadt an der Rheinischen Straße wird weitergebaut, im Norden gibt es Flächen, die mehr Gewerbe vertragen können. Die Fläche bietet unheimlich viel Potenzial für den Dortmunder Westen.

Gibt es weiterhin Gespräche mit der Thelen-Gruppe als Eigentümerin?
Wir haben eine Arbeitsgruppe gebildet, mit der wir mit Herrn Thelen den Prozess fortsetzen wollen.
Am Hafen ist jetzt erstmal abwarten angesagt, ob die FH dort angesiedelt werden kann oder nicht?
Abwarten ist vielleicht etwas zu kurz gegriffen. Der Bebauungsplan-Entwurf für die nördliche Speicherstraße aus dem ursprünglichen Konzept heraus wird ja jetzt in der Politik beraten. Im Hintergrund läuft die Arbeitsgruppe mit Land und FH, um das Szenario der Fachhochschule zu prüfen. Dem muss man sicherlich auch einen gewissen Zeitraum für die Machbarkeitsprüfung einräumen. Das geht gar nicht anders. Aber unser Wunsch ist, dass der Prozess der Baurecht-Schaffung nicht unendlich aufgehalten wird, sondern dass der parallel weiter läuft.
In gut einem Jahr könnte der Bebauungsplan beschlossen sein und theoretisch gebaut werden.
Wenn die FH-Planung in ihrer Machbarkeit weiter gediehen ist, kann man sicherlich noch ein stückweit anpassen. Im Laufe des Jahres 2024 werden wir schon sehen, was dann noch notwendig ist.

Aber der hochgelobte Entwurf des Architekturbüros Cobe soll weiterhin Grundlage sein?
Genau. Auch die Fachhochschule hat ja erklärt, dass das für sie ein überzeugender Entwurf ist, mit dem man die Fachhochschule hervorragend präsentieren kann.
Ein anderes großes Thema ist der Klimaschutz. Sie haben bei ihrem Amtsantritt das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 für Dortmund als größte Herausforderung bezeichnet. Jetzt wurde schon eingeräumt, dass das Ziel wohl nicht zu erreichen ist. Woran liegt es?
Ich sehe es weiterhin als Herausforderung, das tatsächlich zu schaffen. Es geht ja nicht nur um den politischen Auftrag, das Klimaziel 2045 umzuschreiben auf den Zeitraum bis 2035, sondern vor allem um die Zielerreichung von Klimaneutralität.
Neuer Abschnitt für RS1
Ein Problem ist, dass viele Verkehrswende-Projekte innerhalb der Stadt nur sehr langsam vorankommen. Bestes Beispiel ist der Radschnellweg Ruhr (RS1).
Da gibt es viel Abstimmungsbedarf auch mit den übergeordneten Behörden. Die Strecke ist mit 24 Kilometern entsprechend lang. Eine konkrete Linie über die Gesamtstrecke existiert noch nicht. Die Linienbestimmung ist Hoheitsaufgabe des Landes. Dieses Jahr soll noch ein Antrag für die Linienbestimmung eines Abschnittes eingereicht werden. Es wird zeitgleich in der Detailplanung weitergearbeitet. Zu dem nächsten Abschnitt in der Sonnenstraße soll es bis Ende des Jahres einen Vorentwurf geben, der der Öffentlichkeit Anfang 2024 vorgestellt werden soll.
Thema City. Hier gibt es ja gleich mehrere Baustellen im übertragenen Sinne. Es soll ein Citymanagement eingerichtet werden. Wann ist damit zu rechnen?
Wir haben das Citymanagement ausgeschrieben, der Vorgang läuft. Wir wissen, dass wir in diesem Jahr damit nicht mehr starten können und den Arbeitsbeginn auf 2024 verschieben müssen.

Ein wichtiges City-Projekt ist der „Boulevard Kampstraße“. Wenn man über Klimaschutz und mehr Grün in der City spricht, sind dann Pläne für ein mehrere Meter breites Pflasterband, wie sie die 25 Jahre alten Pläne des Architekturbüros Fritschi und Stahl vorsehen, noch zeitgemäß?
Der Rat der Stadt hat sich letztes Jahr noch einmal dazu bekannt, das weiterzubauen, auch wenn das Wasserband ja aufgegeben wurde. Aber es finden nach wie vor auch immer weiter Überlegungen statt, ob das noch der Weg der Zukunft ist. Ich denke, es wird dazu noch mal einen Austausch geben. Aber bislang hat der Stadtrat sich ja eigentlich entschieden.
Die Frage ist aber auch, ob man denn weiter auf Fördermittel zählen kann? Da spielen bei der Vergabe inzwischen Klimaschutzaspekte eine wichtige Rolle.
Dazu muss man feststellen, dass der Platz von Netanya erst einmal der letzte Abschnitt ist, der gefördert wird – als Teil eines Sanierungsgebiets, dessen Aufhebung der Rat jetzt beschlossen hat. Weitere Bauabschnitte werden erst einmal nicht förderfähig sein, weil es die Grundlage nicht mehr gibt.
Richtig ist, dass die Förderbedingungen stark dadurch aufgewertet wurden, dass man Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in den Stadträumen realisieren möchte. Ich sagte schon, dass eine Begrünung auch aufgrund der unterirdischen Leitungslage außerordentlich schwierig ist. Da muss man sehr vorsichtig sein mit dem, was man verspricht und was man am Ende halten kann.
Natürlich ist das Konzept Boulevard Kampstraße von Nikolaus Fritschi kein Durchgrünungskonzept. Das ist damals nicht Gegenstand seiner planerischen Idee gewesen. Und inwieweit man das noch um diesen Aspekt ergänzen kann, muss man vielleicht noch einmal prüfen. Dann braucht es eine neue Geschäftsgrundlage zwischen der Verwaltung und dem Stadtrat, um zu bestätigen, dass wir noch einmal neu denken oder weiterdenken sollen.
Nachdenken über Boulevard-Pläne
Bislang ist aber geplant, den zentralen Abschnitt des Boulevards ab 2025 zu bauen. Kann man dafür denn dann noch mit Fördermitteln rechnen?
Wir arbeiten jetzt nach dem Auslaufen des Sanierungsgebiets an einem neuen sogenannten Integrierten Handlungskonzept, das erst 2024 in die Gremien gehen wird. Aus diesem Handlungskonzept heraus werden Einzelmaßnahmen noch einmal weiter durchdacht und geplant werden müssen, um diese auch finanziell abschätzen zu können. Und auf dieser Grundlage würde man dann erst einen neuen Förderantrag aus den Programmen der Stadterneuerung stellen können.
Das heißt, da sind wir auf gar keinen Fall vor Ende 2025 zu Fördertatbeständen aussagefähig. Das ist jetzt schon sehr ehrgeizig gedacht. Ich gehe eher davon aus, dass es 2026 sein wird, weil man für die Maßnahmenentwicklung mit Kostenbetrachtung einen Zeitraum einplanen muss. Ob man in der Zwischenzeit andere Bauabschnitte mit eigenem Geld weiterbaut, wird der Stadtrat dann für sich entscheiden müssen.
Und es ist ja auch nicht so, dass es eine Logik ist, wenn ich einen Förderantrag stelle mit ganz vielen Maßnahmen, dann bekomme ich auch für alle diese Maßnahmen Fördergeld. Die Bezirksregierung hat zwar angedeutet, dass sie sich vorstellen kann, weitere Abschnitte zu fördern. Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Projekten in der Stadt und auch im Wettbewerb mit anderen Städten und Gemeinden, die auch gefördert werden wollen. Konkret werden Antworten auf Förderanträge erst mit Förderbescheiden gegeben.

Das heißt, für einen Weiterbau 2025 gibt es keine Fördermittel?
Das wird definitiv nicht möglich sein. Man kann weiterbauen, aber dann ohne Fördermittel.
Ob man das dann will, ist dann wieder eine politische Entscheidung.
Genau.
Raus aus der City: Ein wichtiges Projekt auch in Sachen Förderung ist in den nächsten Jahren die Internationale Gartenausstellung (IGA) mit dem Zukunftsgarten an der Kokerei Hansa in Huckarde. Wie sehen Sie da den Stand der Dinge?
Mehr Geld vom Land für IGA
Da sind wir sehr gut im Fluss. Der Zeitplan wird gehalten. Was wir nicht im Griff haben, ist sicherlich die Kostenentwicklung bei den Bauaufgaben. Da wird man immer wieder überrascht. Denn die Ausschreibungsergebnisse können wir nicht hundertprozentig vorhersehen.
Sie haben schon gesagt, dass die Festbetragsförderung des Landes ein Problem ist, weil sie mit der aktuellen Preisentwicklung nicht Schritt halten kann. Haben Sie denn die Hoffnung, dass sich da beim Land was bewegt?
Ja. Es hat sich schon was bewegt beim Land. Das Land hat kürzlich erklärt, die Festbetragsförderung für die Städte der IGA 2027 zu erhöhen. Damit will das Land auf die Baupreisentwicklung reagieren. Die Ankündigung muss allerdings durch den Landeshaushalt erst noch bestätigt werden.
- Als Dezernent ist Stefan Szuggat seit dem 1. März 2023 zuständig für das Umweltamt, das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, das Vermessungs- und Katasteramt, das Amt für Wohnen und das Amt für Stadterneuerung.
- Stefan Szuggat, 1967 in Kiel geboren, hat an der Uni Dortmund Raumplanung studiert, arbeitete später u.a. in Münster, Bielefeld, Neuss und Hemer. Zuletzt war er zwölf Jahre lang Leiter des Amtes für Stadtplanung und Mobilität in Dresden.
- Szuggat ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt mit seiner Familie seit über 30 Jahren in Dortmund.
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