Zufällige Begegnungen und spontane Entscheidungen haben das Leben von Horta Kemper in völlig neue Bahnen gelenkt. Recht kurzentschlossen verließ sie mit 24 Jahren ihre Heimat, um als Au-pair in Deutschland herauszufinden, was sie wirklich vom Leben will.
Ursprünglich kommt Horta Kemper aus São Paulo, ihr ganzer, sehr wohlklingender Name ist Hortência Da Silva Santos Kemper. Doch für Freundinnen und Freunde ist sie einfach Horta – und Freundschaften schließt sie schnell. „Das ist bei uns Brasilianern einfach so, wir kennen jemanden eine Minute und sind gleich befreundet“, sagt sie und strahlt dabei übers ganze Gesicht.
Als Au Pair auf Sinnsuche
Vor gut sechs Jahren war Horta an einen Punkt angelangt, an dem sich in ihrem Leben grundlegend etwas ändern musste. Sie arbeitet zu dieser Zeit als Politik-Journalistin und in der Mode-Industrie, „aber ich hatte keine Vision von meiner Zukunft und war unglücklich“, erinnert sie sich.
Sie lernt zufällig eine junge Frau kennen, die als Au-pair nach Brasilien gekommen war, und denkt sich: „Das mache ich auch!“ Kurzum meldet sich Horta bei einer Agentur, macht einen Deutsch-Grundkurs und ist bereits wenige Monate später in Dortmund.
Acht Monate bleibt sie bei der Dortmunder Familie, möchte anschließend eigentlich in ihre Heimat zurückkehren. Doch sie verliebt sich in ihren Nachbarn – und bleibt in Dortmund.

Was sie in ihrer neuen Heimat mit ihrem Leben anfangen soll, ist der jungen Einwanderin damals noch nicht klar. Sie ist zwar glücklich verliebt, doch Arbeit findet sie nicht. „Mein Abschluss in Journalismus wurde hier nicht anerkannt, zudem war mein Deutsch nicht genug. In der Mode-Branche hatte ich zwar Erfahrungen, aber keinen Abschluss“, erzählt die inzwischen 30-Jährige.
Sie versucht sich als Mitarbeiterin in einem Café. „Ich dachte, das wäre genau mein Ding, aber ehrlich gesagt habe ich es gehasst“, sagt sie und lacht. Immer wieder lacht Horta herzlich im Gespräch, besonders, wenn sie sich an solche Tiefschläge erinnert. Auch das liegt an ihrer brasilianischen Kultur, sagt sie: „Wir Brasilianer beschweren uns nicht, wir jammern nicht, sondern machen viele Witze über uns selbst und lachen ständig.“
Hässliches Geschirr ersetzen
Und dann, wieder zufällig, wird ihr Leben allmählich in die richtigen Bahnen gelenkt. Sie zieht mit ihrem Freund – inzwischen Ehemann – zusammen, das meiste Hab und Gut in der gemeinsamen Wohnung stammt von ihm. „Er hatte wirklich sehr hässliches Geschirr, das ich unbedingt austauschen wollte“, so Horta.
Doch in den Geschäften findet die Brasilianerin nichts, was ihr gefällt, und beschließt daher, selbst tätig zu werden. „Das war schon sehr selbstbewusst von mir“, sagt sie lachend, „zu glauben, ich könnte einfach neue Teller und Tassen herstellen.“

Mit Glück ergattert sie einen der begehrten Töpfer-Kurse an der VHS. „Ich war aber wirklich schlecht und meine Stücke mindestens genauso hässlich wie das Geschirr meines Mannes“, gibt sie gerne zu. Doch einfach aufgeben? Das liegt nicht in Hortas Naturell. „Ich habe mir nicht erlaubt, so schlecht im Töpfern zu sein“, sagt sie augenzwinkernd.
Zumal das Töpfern und die Arbeit mit Ton etwas in Horta wecken, was bislang unbemerkt in ihr schlummerte. „Meine Familie hat zwar nie mit Keramik gearbeitet, aber immer handwerklich“, erklärt Horta. Fernab der Heimat fühlt sich Horta ihrer Familie wohl auch ein Stück näher, wenn sie aus Ton etwas herstellt.
Unterricht in Lissabon
Da eine Freundin von ihr zu eben jener Zeit in Portugal Keramik studiert, besucht Horta sie. Sprachliche Barrieren hat sie dort nicht, sondern kann in ihrer Muttersprache in Lissabon Unterricht nehmen – und wird schnell sehr viel besser.
„Meine Lehrerin hat mich motiviert, weiterzumachen“, erzählt Horta. Und das macht sie zurück in Dortmund auch. In ihrer Wohnung richtet sie sich in einem Zimmer eine Art Töpferei ein, stellt Teller, Tassen und Krüge her und bietet sie über ihre Internetseite zum Verkauf an.

„Irgendwie hat mich dann ein Geschäft gefunden und gefragt, ob ich für sie mehrere Stücke produzieren kann“, berichtet Horta. „Ich habe dann tatsächlich mit meinem Hobby Geld verdient.“
Doch nach rund zwei Jahren Töpfern zu Hause, fühlt sich Horta, die immer gerne unter Leuten ist, allein. „Ich wollte mich mit Leuten vernetzen, die auch etwas mit Keramik machen“, erinnert sie sich. Sie schreibt drei Keramik-Studios in Köln, Düsseldorf und Münster an, fragt, ob sie dort mitarbeiten oder unterstützen kann. „Ich habe auch angeboten, dort nur sauberzumachen, ich wollte einfach raus und unter Leute“, sagt sie lächelnd.
Job-Angebot als Lehrerin
Von allen drei Studios erhält sie schnell eine Antwort, unabhängig voneinander schreiben alle drei das Gleiche: „Sie haben mir eine Stelle als Lehrerin angeboten“, ist Horta auch heute noch überrascht. „Niemand hatte mir bislang in Deutschland einen Job angeboten, doch nun wusste ich, dass ich gut genug bin.“
Im März 2023 beginnt sie also, Töpfern zu unterrichten, und stellt weiterhin eigene Stücke her. Sie arbeitet auch im Studio einer Freundin mit, das diese nach zwei Jahren allerdings aufgibt. Für Horta ist klar: Sie übernimmt die Räume.
In der Orensteinstraße 2 in Dorstfeld richtet sie schließlich ihr eigenes, gemütliches Studio ein und eröffnet es im Sommer 2024. Inzwischen produziert sie hier auf Bestellung, teilweise sind es mehrere hundert Stücke pro Auftrag. Sie kooperiert mit bestimmten Marken und verschiedenen Cafés, darunter auch das „Neues Schwarz“ in der Kaiserstraße, verschickt ihre Stücke häufig auch ins Ausland. Zusätzlich bietet Horta in ihrem Studio Kurse an.

Die Arbeit mit Ton ist ein langer und mitunter auch sehr schwieriger Prozess. „Ton ist ein sehr ehrliches Material“, beschreibt Horta und gibt zu, was sie vor ihren Schülerinnen und Schülern nie sagen würde: „Es ist sehr hart, damit zu arbeiten.“
Denn jede Unkonzentriertheit, jede Anspannung rächt sich. „Für die Arbeit an der Töpferscheibe braucht es die richtige, entspannte Körperhaltung und den Fokus auf die Arbeit“, erklärt Horta. Ihren Schülerinnen und Schülern vermittelt Horta das auch durch ihre unbefangene, lockere Art, durch ihren Humor und ihre Herzlichkeit. Fehler sind erlaubt, aus ihnen sollen die Kursteilnehmer lernen.
Geduld ist beim Töpfern ebenfalls eine elementare Tugend. Auf die Frage, wie lange sie für eine Tasse oder einen Krug braucht, antwortet Horta bestimmt: „Einen Monat!“ Jedes Stück muss von Hand geformt und veredelt werden; hinzu kommen lange Trocknungszeiten. Auch das Brennen nimmt zwei volle Tage in Anspruch, manche Stücke werden sogar zweimal gebrannt. „Ob ich ein Stück herstelle oder 100, es dauert immer einen Monat“, erklärt Horta.
Freiheit für Kreativität
Was aus der Not heraus entstand, um die hässlichen Teller im Haushalt zu ersetzen, wurde geliebtes Hobby und schließlich Profession. Raum für eigene Kreativität nimmt sich Horta dennoch und betont: „Ich produziere zwar auf Bestellung, aber meine Kundinnen und Kunden müssen meinen Stil mögen und mir Freiheit für kreatives Arbeiten geben.“
Nach jahrelanger Sinnsuche und vielen Rückschlägen, mit viel Ehrgeiz und Humor hat Horta es geschafft: Sie ist angekommen, hat ihren Platz gefunden.
„Horta Ceramics“
Orensteinstraße 2
44149 Dortmund
hortaceramics.com
Kurse (in Englisch) können direkt über die Internetseite gebucht werden.
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