Dirk Tenzer beerbte Rudolf Mintrop als Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg. In einem Telefonat konnte sich Mintrop nicht an Besonderheiten rund um Högels Zeit in Oldenburg erinnern.

Dirk Tenzer beerbte Rudolf Mintrop als Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg. In einem Telefonat konnte sich Mintrop nicht an Besonderheiten rund um Högels Zeit in Oldenburg erinnern. © dpa (Archivbild)

Högel-Morde: „Mintrop konnte sich nicht erinnern, dass da was gewesen war“

rnMintrop-Nachfolger Tenzer

Rudolf Mintrop, Ex-Chef des Klinikums Dortmund, leite das Klinikum Oldenburg, als dort Niels Högel mordete. Hatte er einen Verdacht? Nun sagte Mintrops Nachfolger im Prozess gegen ihn aus.

Dortmund

, 05.07.2022, 05:35 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es war ein aufgeräumter Auftritt, den Dirk Tenzer am Montagnachmittag (4.7.) im Zeugenstand beim Mintrop-Prozess in Oldenburg hinlegte. Was bemerkenswert ist, ging es dort doch um die wohl schwierigste Krise, die er in seiner beruflichen Karriere erlebt hat.

Tenzer, heute 50 Jahre alt, trat 2012 die Nachfolge von Rudolf Mintrop als Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg an. Während Mintrop in Dortmund in den folgenden Jahren das dortige Klinikum sanierte, hatte Tenzer in Oldenburg bald alle Hände mit einer schrecklichen Altlast aus der Zeit seines Vorgängers zu tun.

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In Mintrops Amtszeit startete der damalige Krankenpfleger Niels Högel die größte Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte. Am Klinikum Oldenburg und später am Klinikum Delmenhorst tötete er 85 Patienten - wobei dies nur die Fälle sind, die ihm nachgewiesen werden konnten und wegen derer Högel verurteilt wurde.

Aktuell läuft am Landgericht Oldenburg ein Prozess gegen Mintrop und andere Ex-Vorgesetzte von Högel. Der Vorwurf: Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen. Mintrop soll laut Anklage Högel zwar verdächtigt haben, aber die Behörden aus Angst vor einem Skandal nicht eingeschaltet haben.

Rudolf Mintrop ist wegen Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen angeklagt.

Rudolf Mintrop ist wegen Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen angeklagt. © Dieter Menne (Archivbild)

Während das Gericht am Montagvormittag in einer Zwischen-Bewertung des Verfahrens ziemlich deutlich machte, dass es nach Stand der Dinge wohl keine Verurteilung Mintrops geben werde, zeigte Tenzers Aussage, dass Mintrops Rolle rund um die Högel-Mordserie durchaus mit Widersprüchen behaftet ist.

Tenzer erfuhr laut eigener Aussage erst im September 2014 aus der Presse von Högels Morden, von denen zu der Zeit erst die Delmenhorster Fälle bekannt waren. Da damals erste Berichte über mögliche Morde in Oldenburg aufkamen, stieß Tenzer eine großangelegte interne Untersuchung an. Zwei Monate später sollte er auf einer großen Pressekonferenz verkünden, dass Högel auch am Klinikum Oldenburg getötet habe.

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Ziemlich am Anfang dieser Untersuchung, bevor der hauseigene Gutachter auf die ersten Högel-Morde in Oldenburg stieß, rief Tenzer seinen Vorgänger Mintrop an. Er habe Mintrop gefragt, ob er ihm helfen könne, ob er sich an etwas erinnern könne. Es sei nur ein kurzes Telefonat gewesen, sagte Tenzer: „Er konnte sich nicht erinnern, dass da was gewesen sei.“ Auch in der Personalakte sei nichts vermerkt gewesen.

Die weiteren internen Untersuchungen, die bei Tenzers Befragung vor Gericht zur Sprache kamen, standen dieser Aussage aber entgegen. Sie brachten zwei interessante Dokumente zu Tage.

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Da wäre zum einen die berühmte Strichliste der Pfleger, die bei Reanimationen im Dienst waren und auf der Högel mit Abstand am meisten Striche hatte. Der damals leitende Pfleger der Intensivstation 211 - der die Liste erstellt hatte und im aktuellen Prozess einer von Mintrops Mitangeklagten ist - habe Tenzer 2014 gesagt, dass er damals die Liste den Behörden übergeben wollte.

Er sei aber von seinen Vorgesetzten (mutmaßlich auch Mintrop) davon abgehalten worden. Die Begründung: Es gebe ja nicht genug Anhaltspunkte gegen Högel.

Niels Högel ist wegen 85-fachen Mordes verurteilt.

Niels Högel ist wegen 85-fachen Mordes verurteilt. © dpa (Archivbild)

Und da wären auch noch die Gesprächsprotokolle des Betriebsrats von einem Treffen mit Mintrop rund um Högels Abschied aus dem Klinikum Oldenburg, in denen von vielen Verdächtigungen gegenüber Högel die Rede ist. Auf ihn hätten die Protokolle glaubhaft gewirkt, sagt Tenzer.

„Es gab viel Gerede, auch unerklärliche Zwischenfälle in der Endzeit in der Anästhesie, deswegen wollte man sich von Högel trennen“, so fasste Tenzer am Montag den Eindruck zusammen, den er während der Untersuchung über die Zeit rund um Högels Weggang 2002 gewonnen hatte. „Letztendlich hatte man aber wohl nichts Konkretes gegen ihn.“

Im Telefonat mit Tenzer hatte Mintrop von all dem nichts erwähnt.

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