Serienmörder Högel: Chefermittler belastet Ex-Klinikums-Chef Mintrop schwer
Mintrop-Prozess
Der Ex-Krankenpfleger und Serienmörder Niels Högel ist längst verurteilt. Jetzt hat der Chefermittler vor Gericht ausgesagt - und Rudolf Mintrop, langjähriger Chef des Klinikums Dortmund, belastet.
Inwieweit haben Ärzte, Pfleger und Klinikleitung von den Verbrechen des verurteilten Patientenmörders Niels Högel in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst gewusst? Darum geht es im laufenden Prozess vor dem Landgericht Oldenburg. Die Aussage des Chefermittlers der Polizei im Fall Niels Högel dürfte Mintrop und seinen Mit-Angeklagten überhaupt nicht gefallen haben.
Vor Gericht muss sich unter anderem Rudolf Mintrop, bis Ende 2021 acht Jahre lang Geschäftsführer des Klinikums Dortmund, wegen Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen in drei Fällen verantworten. Es geht um Morde, die im November 2001 im Klinikum Oldenburg verübt wurden, als Mintrop dort Geschäftsführer war.
Unregelmäßigkeiten sind „sehr wohl aufgefallen“
Dass es Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem damaligen Pfleger Högel gab, sei „sehr wohl aufgefallen“, sagte am Donnerstag der Chefermittler der ehemaligen Sonderkommission „Kardio“, Arne Schmidt, als Zeuge im Prozess vor dem Oldenburger Landgericht. Der 51 Jahre alte Beamte schilderte über mehrere Stunden die einzelnen Ermittlungsphasen und referierte Zeugenaussagen, Statistiken und Protokolle aus Betriebsratssitzungen.
In dem Verfahren will das Gericht klären, ob sich Vorgesetzte Högels gegebenenfalls durch Unterlassen mitschuldig machten. Ihnen wird in unterschiedlichem Umfang Beihilfe zur Tötung von Patienten durch Unterlassen vorgeworfen. Das heißt nichts anderes, als dass sie Hinweise auf das verbrecherische Treiben des Niels Högel ignoriert haben sollen. Angeklagt sind neben Mintrop drei Ärzte und drei leitende Pflegerinnen und Pfleger.
Schmidt berichtete unter anderem von Abgleichen von Dienstplänen mit den Todesfällen auf den Intensivstationen bei den Ermittlungen. Die Sonderkommission „Kardio“ arbeitete von Oktober 2014 bis August 2017. Für die Ermittlungen wurden mehr als 130 Leichname exhumiert.
Schmidt erklärte, die Klinikleitung habe sich sehr wohl mit dem Fall Högel befasst. Mintrop habe erleichtert auf den Wechsel Högels Ende 2001 vom Klinikum Oldenburg ins Klinikum Delmenhorst reagiert. Mintrop selbst habe auf ein Ausscheiden Högels gedrungen. Und wenn er nicht freiwillig gehen wolle, dann habe Mintrop ihm kündigen wollen, erklärte Schmidt.
Nach Angaben des Soko-Chefs habe die Klinikums-Spitze in Oldenburg sehr wohl geahnt, dass Högel Patienten schädige. Die Soko habe aber keinerlei Hinweis gefunden, dass man die Vorfälle habe untersuchen lassen. Mintrop habe sich dagegen entschieden, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Das Motiv sei wohl die Angst um die Reputation der Klinik gewesen.
Nach einem Wochenende mit besonders vielen Reanimationen am Klinikum Oldenburg wies beispielsweise ein Arzt den Leiter des Pflegedienstes laut Schmidt an, eine Strichliste zu führen. Dort wurde die Zahl der Reanimationen und der beteiligten Pflegerinnen und Pfleger vermerkt. In der Liste, die dem Gericht vorlag, waren mit 18 Reanimationen die meisten bei Ex-Pfleger Högel verzeichnet. Diese Liste sei den Ermittlern erst später bekannt geworden, schilderte Schmidt. Demnach habe die Klinikleitung Sorge, um den „Ruf des Hauses“ gehabt.
Echte Erinnerungen oder nur Schein-Erinnerungen?
Die Verteidiger befragten Schmidt intensiv zur Ausgabe eines Laptops an Högel vor Vernehmungen, auf dem komprimierte Fallakten gespeichert waren. Offen ist, ob Högel sich bei Befragungen an die Taten und Umstände tatsächlich erinnerte oder sich seine Erinnerungen nur auf die ihm zur Verfügung gestellten Krankenakten stützten.
Aus Sicht der Anklage hätten sie Mordtaten Högels mit an „Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ verhindern können. Dem widersprechen die Verteidiger (mit Material von dpa).