Der Ex-Krankenpfleger Niels Högel (l.) wurde wegen 85-fachen Mordes verurteilt. Der spätere Chef des Klinikums Dortmund, Rudolf Mintrop (r.), war mehrere Jahre als Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg Högels Vorgesetzter. Nun ist Mintrop wegen Beihilfe durch Tötung durch Unterlassung angeklagt.

Der Ex-Krankenpfleger Niels Högel (l.) wurde wegen 85-fachen Mordes verurteilt. Der spätere Chef des Klinikums Dortmund, Rudolf Mintrop (r.), war mehrere Jahre als Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg Högels Vorgesetzter. Nun ist Mintrop wegen Beihilfe durch Tötung durch Unterlassung angeklagt. © dpa/Menne (Archivbild)

Anklage hat Zweifel an Högel-Mord - Überraschung im Mintrop-Prozess

rnEx-Chef des Klinikums Dortmund vor Gericht

Eigentlich wird Rudolf Mintrop, Ex-Chef des Klinikums Dortmund, bei der Mordserie von Niels Högel Beihilfe zur Tötung in drei Fällen vorgeworfen. Doch bei einem Mord hat nun auch die Anklage Zweifel.

Dortmund

, 16.06.2022, 15:31 Uhr / Lesedauer: 2 min

Im Mammut-Prozess gegen Rudolf Mintrop, bis Ende 2021 Geschäftsführer des Klinikums Dortmund, rund um die Mordserie des Pflegers Niels Högel gibt es eine unerwartete Entwicklung.

Mintrop wird laut Anklage vorgeworfen, sich in seiner Zeit als Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg 2001 bei drei Morden des Massenmörders Niels Högel der Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen schuldig gemacht zu haben. Jedenfalls galt das bis zum Donnerstag (16.6.).

Zur Sache

Die Högel-Morde und der Mintrop-Prozess

  • Niels Högel ist verantwortlich für die größte Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte. 2019 wurde der Krankenpfleger wegen 85-fachen Mordes verurteilt. Von 1999 bis 2002 arbeitete er im Klinikum Oldenburg, danach im Klinikum Delmenhorst, wo er 2005 auf frischer Tat ertappt wurde.
  • Während Högels Zeit in Oldenburg war Rudolf Mintrop Geschäftsführer des Krankenhauses. Ihm wird vorgeworfen, spätestens ab Ende Oktober 2001 den Verdacht gehabt zu haben, dass Högel für den Tod von Patienten verantwortlich sein könnte, aber aus Sorge vor einem Skandal nicht eingeschritten zu sein.
  • Durch dieses Unterlassen, so die Anklage, sei es Högel möglich gewesen, weiter zu morden.
  • Neben Mintrop sind im laufenden Prozess sechs weitere Ex-Vorgesetzte von Högel aus Oldenburg und Delmenhorst angeklagt.
  • Das Urteil gegen Högel von 2019 darf jedoch nicht dem laufenden Verfahren zu Grunde gelegt werden. Die Todesfälle, bei denen den Angeklagten Beihilfe zur Tötung vorgeworfen werden (bei Mintrop sind es drei), müssen neu aufgerollt werden.

Denn bei der Erörterung des Verfahrensstands - einer Art Zwischenbilanz des bisherigen Prozesses - teilte die Vertreterin der Anklage, Staatsanwältin Gesa Weiß, am Donnerstagvormittag überraschend die Zweifel der Verteidiger an einem der fraglichen Morde.

Ohne Mord ist auch keine Beihilfe möglich

Es geht um den Tod von Franz H.. Der damals 60-Jährige war am 20. November 2001 mit einem Herzinfarkt ins Klinikum Oldenburg eingeliefert worden. Högel, damals Pfleger auf der Intensivstation, hatte im laufenden Prozess ausgesagt, H. das Medikament Amiodaron gespritzt zu haben, das nicht von einem Arzt verordnet worden war. H. erlitt drei weitere Herzinfarkte und wurde dreimal reanimiert. Er starb kurz darauf am 21. November.

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Seit Prozessbeginn bezweifelt die Verteidigung, dass Högel tatsächlich für die drei Todesfälle verantwortlich ist, für die nun auch Mintrop zur Verantwortung gezogen werden soll. Ihre Strategie: Wo es keinen Mord gibt, kann es auch keine Beihilfe zur Tötung geben.

In dem gemeinsamen Antrag fassten die insgesamt 18 Verteidiger der Angeklagten - neben Mintrop sind noch weitere Ex-Vorgesetzte angeklagt - am Donnerstag ihre Zweifel an der bisherigen Beweisführung an allen drei Fällen nochmals zusammen: Mal sei Högl zum fraglichen Zeitpunkt noch gar nicht im Dienst gewesen, mal stellten sie die Erkenntnisse der ärztlichen Gutachter in Frage.

Im Fall von Franz H. bekamen die Verteidiger anschließend unerwartet Zuspruch von Staatsanwältin Weiß.

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Die Staatsanwaltschaft, so Weiß, schließe sich in diesem Fall der Argumentation der Verteidigung „vollumfänglich“ an: Einen Mord sehe man nach den Aussagen der ärztlichen Gutachter im Prozess nicht mehr als „ausreichend erwiesen“ an. Es sei „nicht auszuschließen“, dass die Medikamentengabe medizinisch indiziert, also erforderlich, gewesen sei.

Fällt einer von drei Mordvorwürfen weg?

Bei den anderen beiden Fällen, um die es vor Gericht geht - den Tod von Hermann K. und Maria T. (beide 72) - hat die Staatsanwaltschaft aber weiterhin keinerlei Zweifel, dass es sich um Morde von Niels Högel handelt. Bei beiden gebe es laut Gutachtern „sichtbare Hinweise auf eine Kalium-Vergiftung“ - ein Wirkstoff, den Högel häufig bei seinen Morden benutzt habe.

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Welche Auswirkungen der Wegfall eines der drei im laufenden Prozess relevanten Mordvorwürfe auf den Ausgang des Prozesses hat, ist noch nicht bekannt. Der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann kündigte an, dass das Gericht voraussichtlich an den Verhandlungstagen am 4. und 5. Juli eine „erste rechtliche Bewertung“ abgeben werde: Da wolle man dazu Stellung nehmen, was Verteidigung und Staatsanwaltschaft am Donnerstag gesagt haben.

In den Verhandlungstagen bis dahin sind jedoch noch mehrere Zeugenaussagen geplant, unter anderem vom damaligen Chef der Anästhesie des Klinikums Oldenburg und mehreren Kollegen Högels.

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