
In der Europaunion, im Förderverein der Zeche Zollern und in der Kirchgemeinde hat sich Ingeborg Thatje eingesetzt.
Kampf für die Zeche Zollern: Erinnerung an Ingeborg Thatje (95)
Serie: „Unvergessen“
„Sie war immer aktiv“, hört man von allen Seiten. Sie setzte sich für Europa ein und den Erhalt der Zeche Zollern. Ein Nachruf auf Ingeborg Thatje, die im Alter von 95 Jahren gestorben ist.
Es war eine Idylle, in die Ingeborg Thatje (geb. Pegel) am 24. Februar 1927 hineingeboren wurde. Osterode am Harz, umgeben von dunkelgrünen Bergen und bekannt eigentlich nur für seine Gipskarstlandschaft.
Dieses Idyll hat sie als junge Frau gegen den Dortmunder Malocher-Vorort Bövinghausen eingetauscht und wenn man darauf schaut, wie sie dort ihr Leben verbrachte, dann erkennt man: Sie hat diesen einst mit Kohlenstaub verdreckten Vorort innig geliebt. Hier hat sie eine Familie gegründet und sich ehrenamtlich für Bövinghausen engagiert.
Ein Leben in Bövinghausen und für Europa
Die Geschichte beginnt wie eine klassische Ruhrpott-Biografie: Ingeborg Thatje verlässt das pittoreske Osterode 1954, um ihrem Mann zu folgen. Der geht, auf der Suche nach Arbeit, ins Ruhrgebiet.
Ihr Mann schuftet erst auf der Zeche, später bei Opel in Bochum. Sie kümmert sich um den Haushalt und die Erziehung von Sohn Jürgen, obwohl sie ausgebildete kaufmännische Angestellte ist.
Es sind politisch bewegte Zeiten im Kalten Krieg. Da will Ingeborg Thatje nicht passiv bleiben. Sie schließt sich der Europaunion an. Einer deutschlandweiten Bürgerinitiative, die sich noch heute für ein friedliches, freies Europa einsetzt.
Über die Europaunion entdeckt das Paar das Reisen ins Ausland für sich. „Meine Eltern sind viel gereist“, erinnert sich Jürgen Thatje (75). Höhepunkt dieser Zeit ist eine Reise in den Osten, nach Russland. Das erleben nicht viele im Westen zurzeit den Kalten Krieges.
Kampf um Zeche Zollern
Und dann wird es plötzlich unruhig in Bövinghausen. Die Zeche Zollern, heute als Industriemuseum ein Glanzstück des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, soll abgerissen werden.
Die Bövinghausener wehren sich ab 1982 mit der Gründung des Fördervereins Zeche Zollern. Und Ingeborg Thatje ist dabei. Sie erkennt, dass die alte, scheinbar nutzlos gewordene Architektur identitätsstiftend und erhaltungswürdig sein kann.
Ingeborg Thatje hat bereits ein gesegnetes Alter erreicht, als sie ein weiteres Betätigungsfeld für sich entdeckt. Sie übernimmt die Seniorentanzgruppe der evangelischen Kirchengemeinde und hält sich und 15 weitere Senioren noch weitere 20 Jahre lang fit.
Mutter, Großmutter und Urgroßmutter
Die Mutter, Großmutter und Urgroßmutter verbrachte ihre letzten Jahre in einem Seniorenheim und starb unerwartet am 22. September 2022. Viele Menschen werden Ingeborg Thatje in Erinnerung behalten als die Frau, „die immer aktiv war“.
NACHRUFE AUF MENSCHEN, DIE DORTMUND PRÄGTEN
In der Serie „Unvergessen“ erinnern wir in unregelmäßigen Abständen an Dortmunder, die im Großen und im Kleinen in Dortmund gewirkt haben und die Stadt auch über ihren Tod hinaus zu dem machen, was sie ist.Holger Bergmann ist seit 1994 als freier Mitarbeiter für die Ruhr Nachrichten im Dortmunder Westen unterweg und wird immer wieder aufs neue davon überrascht, wieviele spannende Geschichten direkt in der Nachbarschaft schlummern.
