Gutschein-Boom zu Weihnachten - aber: „Bestimmt ein Viertel der Gutscheine bleibt auf der Strecke“, sagt ein Händler

Händler erleben Gutschein-Boom: „Das beliebteste Weihnachtsgeschenk“
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Mit dem Weihnachtsgeschäft ist Paul Spielhoff in diesem Jahr nicht so zufrieden. „Es war in Ordnung, aber mehr auch nicht“, sagt der Inhaber des Einrichtungsgeschäfts Wim Gelhard an der Schliepstraße in der City. Das Wort „gut“ will er nicht in den Mund nehmen. Das ändert sich, als er auf den Verkauf von Geschenkgutscheinen angesprochen wird. „Ja“, sagt er, „Gutscheine werden immer beliebter und die Höhe der Summen darauf wird auch immer größer. Das ist gut gelaufen.“

Seit Jahren schon stellt der Handelsverband Deutschland (HDE) fest, dass Gutscheine vor Weihnachten stark gefragt sind. „Sie sind - wie wir bundesweit sehen - auch in diesem Jahr wieder das beliebteste Weihnachtsgeschenk gewesen, gefolgt von Spielwaren, Büchern und Schreibwaren“, sagt Thomas Schäfer, in Dortmund Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen-Münsterland.

Rund ein Viertel der Geschenke auf dem Gabentisch, so schätzt man beim HDE, waren in diesem Jahr Gutscheine. Und das hat Vorteile nicht nur für den Verbraucher, sondern auch für den Handel. „Die zunehmende Zahl an Gutscheinen führt zu einer sinkenden Umtauschquote. Mittlerweile werden über alle Sortimente hinweg in der Regel weniger als fünf Prozent der Geschenke umgetauscht“, sagt Thomas Schäfer.

Aktuell viele Gutschein-Kunden

Anders als früher ist es jetzt in der City während der Ferientage zwischen Weihnachten und Neujahr also nicht mehr proppenvoll, weil geschenkte Pullis nicht passen oder die Spielwaren dem Kind nicht so gefallen, sondern weil Gutscheine eingelöst werden.

„Das ist so, die Einlös-Rate ist in diesen Tagen sehr hoch“, sagt Paul Spielhoff. „Ja, auch wir haben viele Gutschein-Kunden momentan“, bestätigt Matthias Hilgering vom gleichnamigen Weinhandel am Westenhellweg. Er löst nicht nur die in seinem Geschäft ausgegebenen Gutscheine, sondern auch die der Dortmunder Qualitätsroute und die Querschenker-Stadtgutscheine ein.

Axel Schroeder führt die Postergalerie an der Kampstraße in Dortmund. „Dass etwa 10 bis 13 Prozent der Gutscheine nie eingelöst werden, halte ich für realistisch“, sagt er.
Axel Schroeder führt die Postergalerie an der Kampstraße. „Dass etwa zehn bis 13 Prozent der Gutscheine nie eingelöst werden, halte ich für realistisch“, sagt er. © Peter Wulle

Axel Schroeder von der Postergalerie an der Kampstraße, der Querschenker.de vor einigen Jahren in Dortmund initiiert hat, stellt fest: „Die Querschenker-Gutscheine werden zunehmend genutzt. Generell gibt es auch nach meiner Beobachtung die Tendenz hin zu Geschenk-Gutscheinen. Wegen des anhaltenden Regens vor Weihnachten wurde das in diesem Jahr noch einmal deutlicher. Da hatten viele einfach keine Lust, ins Geschäft zu gehen.“

So können sich die Beschenkten nach Weihnachten nun in Ruhe das Kleid, das Smartphone, den Tisch, das Poster, den Whiskey oder die Schallplatte aussuchen. Das ist toll für den Beschenkten und auch für den Schenkenden, der nicht lange grübeln und nach dem passenden Geschenk suchen muss. Toll ist der Gutschein-Boom aus einem ganz besonderen Grund allerdings auch für den Handel.

Nie eingelöste Gutscheine

Denn gar nicht wenige Gutscheine werden nie eingelöst und verfallen in irgendeiner Schublade oder Jackentasche. Das bedeutet: Ein Händler nimmt Geld für eine Leistung ein, die er gar nicht erbringen muss. Offizielle Zahlen darüber, wie viele Gutscheine in Deutschland nicht eingelöst werden, gibt es nicht. Umfragen, die mal durchgeführt wurden, geben aber Annäherungswerte. Danach soll der Anteil der nicht eingelösten Gutscheine im gerade zweistelligen Prozentbereich liegen.

Thomas Schäfer vom Handelsverband Westfalen-Münsterland in Dortmund stellt fest, dass Gutscheine auf dem Gabentisch immer beliebter werden. „Und während der Ferientage nach Weihnachten werden sie eingelöst“, sagt er.
Thomas Schäfer vom Handelsverband Westfalen-Münsterland stellt fest, dass Gutscheine auf dem Gabentisch immer beliebter werden. „Und während der Ferientage nach Weihnachten werden sie eingelöst“, sagt er. © Handelsverband

Das deckt sich mit der Zahl, die ein Redaktionsmitglied jetzt an den Weihnachtstagen von einer befreundeten Restaurant-Besitzerin gehört hat. Sie hat ausgerechnet, dass bei ihr 13 Prozent der ausgegebenen Gutscheine bis zum Ende der Verjährungsfrist nach drei Jahren nicht eingelöst wurden. Das könnte für Dortmund ein insgesamt zutreffender Wert sein.

Während Matthias Hilgering und Axel Schroeder feststellen, dass nur „ganz vereinzelt“ mal Gutscheine nicht eingelöst werden und nur von einem sehr geringen Prozentsatz ausgehen, sagt Paul Spielhoff vom Einrichtungshaus Wim Gelhard: „Bestimmt ein Viertel der Gutscheine bleibt auf der Strecke. Wir sehen, dass ein Gutschein, der innerhalb eines Jahres nicht eingelöst wird, auch nach drei Jahren nicht eingelöst wird. Gutscheine geraten schnell auch mal in Vergessenheit.“

Frist darf nicht zu kurz sein

Tatsächlich werden Gutscheine vor allem deshalb nicht eingelöst, weil sie vergessen werden - nicht, weil sie verfallen. „Wer einen nicht ausdrücklich befristeten Gutschein unter dem Weihnachtsbaum liegen hatte, kann ihn im Geltungszeitraum von drei Jahren ab Ende des Kaufjahres einlösen. In diesem Jahr gekaufte, unbefristete Gutscheine können also bis zum 31. Dezember 2026 eingelöst werden“, sagt der Handelsexperte Thomas Schäfer.

Bei befristeten Gutscheinen, darauf weist die Verbraucherzentrale auf ihrer Homepage hin, gilt: Wenn die Frist, die nicht zu kurz bemessen sein darf, verstrichen ist, können Verbraucher diese zwar nicht mehr einlösen, haben aber einen Anspruch darauf, dass ihnen der Geldwert des Gutscheins (abzüglich des entgangenen Gewinns des Händlers) innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erstattet wird.

Weinhändler Matthias Hilgering freut sich in Dortmund nach Weihnachten über „viele Gutschein-Kunden“.
Weinhändler Matthias Hilgering freut sich nach Weihnachten über „viele Gutschein-Kunden“. © (A) Schaper

„Ärger mit Gutscheinen kommt bei uns nur selten vor“, sagt Ilona Schwieger von der Verbraucherberatung in Dortmund. „Es gibt mal die Frage, was man tun kann, wenn ein Gutschein nach drei Jahren verfallen ist. Wir raten dann dazu, auf den Aussteller des Gutscheins zuzugehen. In der Regel werden auch verfallene Gutscheine noch akzeptiert“, so die Verbraucherschützerin.

Als Händler begrüßen Matthias Hilgering und Axel Schroeder diesen Rat. „Unsere Gutscheine sind dauergültig“, sagt Matthias Hilgering. Und auch Axel Schroeder betont die Kulanz vieler Geschäftsleute und in seiner Postergalerie: „Mit der Einlösung von Gutscheinen haben wir noch nie Ärger gehabt.“

  • Das für viele Branchen so wichtige Weihnachtsgeschäft ist in diesem Jahr sowohl stationär als auch online nur für wenige Handelsunternehmen wirklich zufriedenstellend verlaufen. Trotz niedriger Erwartungen an die Umsatzentwicklung sind zwei Drittel der befragten heimischen Händler von dem Ergebnis enttäuscht, meldet der Handelsverband Westfalen-Münsterland.
  • Gründe für die Kaufzurückhaltung der Kunden gibt es laut Handelsverband viele, insbesondere die nicht abschätzbare Entwicklung bei den Energiepreisen und die ungeklärte politische Gemengelage: „In Zeiten von Multikrisen wächst die Unsicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, die offenbar auch für die nähere Zukunft bislang noch keine Wende zum Positiven erkennen“, meint Geschäftsführer Thomas Schäfer, „hinzu kam das gerade in der so wichtigen letzten Woche vor Heiligabend dauerhafte schlechte Wetter, das die Kauflust zusätzlich bremste.“

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