Peter und Birgitt Harder sind Rentner. Beide waren Arbeitnehmer, er Kfz-Meister, sie hat Immobilien verwaltet – keine schlecht bezahlten Jobs. Sie haben sich Geld zurückgelegt, können von ihrer Rente und den Rücklagen heute gut leben. Doch ab 2025 könnte sich am hart erarbeiteten Lebensstandard des Ehepaars etwas ändern. Denn sie werden deutlich mehr Grundsteuer zahlen.
Ihr Haus liegt im Dortmunder Stadtbezirk Hombruch, ein vor einigen Jahren saniertes großes Haus steht auf einer 623 Quadratmeter großen Wohnbaufläche. Dahinter erstreckt sich ein prachtvoller Garten von 1457 Quadratmetern und daneben noch ein weiteres Gartengelände von 679 Quadratmetern. Dass das Ehepaar hier wohnen kann, kann man einen Glücksfall nennen.
Grundsteuer stört Ruhestand
Hier zwitschern Vögel, der Rasen und die Bäume blühen auf und hinten im Garten steht noch ein Häuschen, in dem Peter und Birgitt Harder auch mal ihren Lebensabend verbringen. Es ist ein Ruhestand, wie er auch mal wunschhaft in Romanen beschrieben wird. Doch der wird nun von der Grundsteuerreform gestört.
Der Fall zeigt, was diese für einige Hauseigentümer und Mieter bedeutet und warum so viele Bürger verunsichert sind. Dem Ehepaar in Hombruch droht eine jährlich Grundsteuer von 1561,12 Euro statt wie bislang 340,62 Euro – „das ist fast eine gesamte Monatsrente“, ärgert sich Birgitt Harder. Über die Höhe entscheidet auch die Politik. Denn der Dortmunder Stadtrat muss die Höhe des Hebesatzes festlegen.
Die Finanzämter haben kürzlich eine Berechnung für die möglichen Hebesätze vorgelegt, mit denen die Stadt genauso viel Geld einnehmen würde wie 2024. Die Grundsteuer könnte dann einen Hebesatz von 785 Prozent haben. Wenn der Landtag ein neues Gesetz zur Differenzierung zwischen Wohngebäuden und Nicht-Wohngebäuden beschließt, könnte der Hebesatz für Wohngebäude bei deutlich niedrigeren 615 Prozent liegen.
Grundsteuererhöhung von 1500 Prozent
Für Peter Harder und Birgitt Harder ist es wichtig, ob sich der Dortmunder Stadt für eine Unterscheidung zwischen Wohn- und Gewerbe entscheidet. Dennoch werden sie deutlich mehr Geld an den Staat abgeben müssen. Peter Harder sagt: „Es fühlt sich sehr ungerecht an.“
Besonders extrem ist es für Birgitt Harder. Sie besitzt den kleineren Garten. Ihr droht eine Grundsteuererhöhung von 1508 Prozent. Statt wie bislang 36 Euro würde sie bei einem Hebesatz von 785 Prozent 579 Euro pro Jahr zahlen. Peter Harder würde nicht 304 Euro, sondern 981 Euro zahlen, eine Erhöhung um 222 Prozent. Da beide zusammen ihr Leben bestreiten, müssten sie nächstes Jahr insgesamt 1220 Euro mehr zahlen.

Schon der geringere Hebesatz von 615 Prozent bei einer Unterscheidung zwischen Wohn- und Gewerbe würde die beiden belasten. Insgesamt drohen im niedrigsten Fall 1223 Euro jährliche Grundsteuer – immer noch eine Erhöhung von 259 Prozent gegenüber den 340 Euro, die sie heute zahlen. Bei gleichbleibender Rente und sinkenden Rücklagen wird die Belastung jährlich stärker.
Gartenland wie Bauland bewertet
Der Grund für die Erhöhung ist, dass es bei der neuen Grundsteuer statt Einheitswerten nun Grundwerte gibt. Diese wurden von den Finanzämtern festgelegt, nachdem die Hauseigentümer dort umfangreiche Unterlagen zu ihren Grundstücken einreichen mussten. Das Ehepaar hat die Umstellung hart getroffen, denn das Gartenland, das bis heute mit 15 Euro pro Quadratmeter bewertet wurde, ist nun mit 320 Euro pro Quadratmeter wert.
Peter Harder ärgert sich darüber: „Wie kommt es, dass Gartenland so hoch bewertet wird? Wenn das Bauland wäre, wäre das was anderes.“ Weil ihr Fall so extrem ist, betreut der Anwalt Christian Kretz von Haus & Grund in Dortmund sie: „Dass der eine mehr zahlt und der andere etwas weniger, ist okay. Aber bei der Familie Harder zieht es uns schon den Schuh aus.“
Ein Versprechen vom Bundeskanzler
Solche Fälle haben auch bundesweit Relevanz, denn diese könnten auch vor Gericht verhandelt werden und damit Präzedenzcharakter bekommen. Und die Kritik richtet sich auch gegen den heutigen Bundeskanzler und damaligen Finanzminister Olaf Scholz. Anwalt Kretz sagt: „Wir Bürger haben es so verstanden, dass wir nicht mehr bezahlen müssen als vorher.“

Gemeint ist damit, dass Scholz Aufkommensneutralität versprochen hat. Das heißt: Die Kommunen sollten die Hebesätze der Grundsteuer so gestalten, dass sie nicht mehr Geld einnehmen als zuvor. In Dortmund wurden diese tatsächlich nicht angehoben. Doch ab 2025 ist es laut Berechnungen der Finanzämter notwendig, fünf Prozentpunkte mehr zu nehmen. Denn die Aufkommensneutralität sieht auch vor, dass die Kommunen genauso viel Geld im Haushalt haben wie vorher.
Der Ärger bei Familie Harder ist enorm. Birgitt Harder sagt: „Alles wird ja teurer, Strom, Gas, Öl, Lebensmittel. Wir leben zwar von unserer Rente, aber schon auch von unseren Rücklagen. Wenn wir uns etwas leisten, bezahlen wir das davon. Wenn jetzt noch die Grundsteuer so angehoben wird, wird es wirklich schwierig für uns.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 11. Juli 2024.