
© Oliver Schaper (Archivbild)
Krieg und Preis-Schock treiben Menschen zur Tafel – die kommt kaum noch hinterher
Armut in Dortmund
Der Krieg in der Ukraine hat große Auswirkungen auf die Arbeit der Dortmunder Tafel. Die Nachfrage ist riesig, doch die Kapazitäten sind begrenzt. Gleichzeitig werden Lebensmittel knapper.
Die Tafeln unterstützen in ganz Deutschland bedürftige Menschen mit Lebensmitteln aus Spenden oder Überproduktion. Der Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen stellen jetzt vieles in Frage.
Dortmund bildet da keine Ausnahme. „Wir kommen gerade nicht hinterher, die Anfragen überhaupt aufzunehmen“, sagt Ansgar Wortmann, Sprecher der Dortmunder Tafel.
4000 Tafel-Ausweise sind aktuell an Kundinnen und Kunden in Dortmund herausgegeben. Rund 200 können kurzfristig zusätzlich geschultert werden. Ein zusätzlicher Einkaufstag war schnell wieder ausgebucht. Die große Nachfrage ist kaum zu erfüllen.
Geflüchtete aus der Ukraine machen großen Teil aus
Sie speist sich laut Wortmann zum einen aus Menschen, die aus der Ukraine nach Dortmund geflüchtet sind.
In den ersten Wochen gab es eine Nothilfe für alle Geflüchteten mit ukrainischem Pass. „Das mussten wir wieder einstellen, denn es wurde zu viel. Auch Menschen aus der Ukraine müssen jetzt Anträge auf einen Ausweis stellen“, sagt der Dortmunder Tafel-Sprecher. Rund 5400 ukrainische Geflüchtete leben aktuell in Dortmund.
Zudem steigt laut Ansgar Wortmann auch die Zahl der Anträge von Menschen, die bereits hier leben. „Viele, die bisher das Gefühl hatten, über die Runden zu kommen, entschließen sich jetzt bei den steigenden Preisen dazu, diese zusätzliche Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen.“
Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, hatte zuletzt angesichts deutlich leererer Regale in den Ausgabestellen in einem öffentlichen Aufruf für Spenden von Unternehmen und Privatleuten geworben. „Jede Packung Nudeln und jeder Euro helfen“, so Jochen Brühl.
Dortmund hat mehrere Vorteile
Die Lieferknappheit ist Dortmund nicht so ein akutes Thema wie in anderen Regionen, was an einigen Besonderheiten dieses Tafel-Standorts liegt. So gibt es laut Ansgar Wortmann etwa viele Kontakte zu Industriebetrieben, deren Überproduktion direkt zur Tafel geliefert wird. Dortmund ist ein Verteilzentrum, hinter dem eine komplexe Logistik steht.
„Wir haben in Dortmund das Glück, dass wir immer noch einiges mitgeben können“, sagt er. Die Großstadtlage mache sich hier bemerkbar.
Dennoch sei auch hier schon seit längerem die Preisentwicklung spürbar, die auch die Kalkulation der Einzelhändler beeinflusse, die weniger einkaufen. Die „Art des Warenkorbs“ verändere sich, statt frischer Ware nehmen haltbare Produkte einen immer größeren Platz ein.
Die Tafeln verstehen sich nicht als Vollversorgung, sondern als Ergänzung für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln. Ein Einkauf bei der Tafel kostet pauschal 2 Euro.
Überfluss wird kleiner - darunter leiden die Ärmsten
Ihr Angebot ist nur durch den Überfluss in der Konsumgesellschaft möglich. „Wenn der Überfluss kleiner wird, verhindert das zwar auch Lebensmittelverschwendung. Aber die Menschen, die zu uns kommen, leiden darunter“, sagt Ansgar Wortmann.
Hinzu kommt: Auch in Dortmund belasten die gestiegenen Sprit- und Energiekosten den Betrieb zusätzlich. Es gibt acht Filialen der Tafel in Dortmund. Die Zentrale befindet sich an der Straße Osterlandwehr in der Nordstadt.
Alles in allem ist es eine sehr herausfordernde Zeit für die meist ehrenamtlichen Verantwortlichen der Tafeln und auch vergleichbarer Hilfseinrichtungen.
Mehr Menschen sind während der Corona-Pandemie finanziell bedürftig geworden. Nun erzeugen Inflation, Preissteigerungen und unvorhersehbare Energiekosten täglich weitere Notfall-Situationen.
Der Deutschland-Chef der Tafeln, Jochen Brühl, fordert die Bundesregierung deshalb zu konkreter und schneller Hilfe für armutsbetroffene Menschen auf. „Ehrenamtsorganisationen können nicht das auffangen, was seit Jahren schief läuft in unserem Land.“
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
