Flughafen-Geschäftsführer zum Ryanair-Rückzug „Rechnen 2025 mit höheren Verlusten“

Ryanair-Rückzug vom Flughafen: Das sind die wirtschaftlichen Folgen
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Ludger van Bebber betritt einen der großen Konferenzräume in der zweiten Etage am Flughafen Dortmund. Auf der Startbahn, die aus dem Konferenzraum zu sehen ist, heben die Flugzeuge ab, auch die von Ryanair, die hier nur noch bis Sommer 2025 Passagiere transportieren. Van Bebber ist seit vier Jahren Geschäftsführer des Flughafens Dortmund. Es ist nicht der erste Rückschlag, den er erlebt, sondern nur einer von vielen.

Seit Jahrzehnten ist der Flughafen Dortmund ein verlustreiches Geschäft. Der Flughafen hat in den vergangenen 20 Jahren 354 Millionen Euro an Verlust eingefahren. Zuletzt konnte Geschäftsführer van Bebber das Minus aber auf 3,5 Millionen Euro drücken, was durchaus als Achtungserfolg für den Flughafen gilt, der häufig Verluste im zweistelligen Millionenbereich geschrieben hat.

Mit dem angekündigten Rückzug von Ryanair im Sommer 2025 erhält der Flughafen Dortmund nun erneut einen wirtschaftlichen Dämpfer. Dennoch gibt sich Geschäftsführer van Bebber optimistisch und will in zwei Jahren wieder drei Millionen Passagiere am Flughafen transportierten, eine Zahl, die der Flughafen 2024 wahrscheinlich erreichen wird. Doch van Bebber sagt auch: Die Verluste werden wieder steigen.

Flughafen Dortmund wurde vorab nicht informiert

Herr van Bebber, wo waren Sie als Ryanair seinen Rückzug vom Dortmunder Flughafen verkündet hat?

Am Flughafen Wien in einer Konferenz des Flughafenverbandes ADV.

Waren Sie da schon über den Rückzug informiert?

Keiner der betroffenen Standorte war vorher informiert.

Die Passagierzahlen von Ryanair sind 2024 im Vergleich zu 2023 bereits gesunken. War es absehbar, dass sich Ryanair zurückziehen wird?

Nein, aber wir haben natürlich mitbekommen, dass Ryanair seine Probleme mit dem deutschen Markt hat, und die hohen Standortkosten und Steuern kritisiert. Aber die finale Entscheidung, sich aus Dortmund gänzlich zurückzuziehen, war für uns nicht absehbar.

Ist das üblich, dass Sie darüber nicht informiert werden? Das ist ja ein kurzer Zeitraum, bis Ryanair im Sommer 2025 Dortmund nicht mehr anfliegt.

Bei Ryanair ist das nicht unüblich. Bei anderen Airlines haben wir eine andere Kommunikation.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Ryanair seinen Rückzug verkündet hat?

Schön ist das nicht. In dem Moment habe ich erstmal gedacht „Mist“, aber die Frage danach war, wie wir das Problem lösen. Was wir hier gesehen haben, passiert immer wieder. In Dortmund sind wir mal vor über 20 Jahren nach dem Neubau mit Eurowings als Regionalfluggesellschaft gestartet, mit easyJet haben wir bis zur Finanzkrise erfolgreich zusammengearbeitet, danach haben wir den Aufschwung und Niedergang von AirBerlin erlebt. Das Luftverkehrsgeschäft ist nichts für schwache Nerven.

Die Abflughalle im Dortmunder Flughafen.
Die Abflughalle im Dortmunder Flughafen. © Dennis Pesch

Sie sind mitten in der Corona-Pandemie hier als Geschäftsführer angetreten. Jetzt brechen Ihnen wegen Ryanair fast 18 Prozent ihres Passagieraufkommens laut dem Geschäftsbericht 2023 weg. Auch Eurowings streicht eine Linie nach München. Erinnert Sie das an die Einbrüche von damals?

Nein, das ist nicht vergleichbar. Während Corona waren die Einbrüche viel größer. Hier haben wir eine andere Thematik: Wir haben das Problem, dass Deutschland aufgrund der vom Staat erhobenen Steuern zu hohe Standortkosten für die Airlines hat und damit müssen wir jetzt umgehen.

Flughafen: Viel Umsatz fällt weg

Ryanair war 2023 die zweitstärkste Airline am Flughafen. Der durchschnittliche Umsatz pro Passagier liegt bei 9,30 Euro. Das wären rund fünf Millionen Euro Umsatz, die Sie mit Ryanair gemacht haben, die jetzt wegfallen.

Ich nenne keine wirtschaftlichen Details. Aber ja, wir verlieren in der Passagiergröße anteilig den Umsatz. Wichtig ist nur, dass wir zügig die Lücken füllen und kompensieren. Ryanair ist nicht vom Markt und bleibt nach wie vor ein potenzieller Partner. Zudem ergeben sich jetzt auch wieder Chancen für andere Airlines. Wir transportieren jährlich 380.000 Passagiere nach Kattowitz. Der Standort wurde zur Hälfte von Ryanair und zur Hälfte von Wizz Air bedient. Die Nachfrage ist unverändert, daher wollen wir die entfallenen Kapazitäten mit der Wizz Air zumindest teilweise kompensieren.

Zuletzt hatten Sie ja nicht nur schlechte Nachrichten zu verkünden. Sie hatten wieder ein leichtes Wachstum bei den Passagieren….

… Wir sehen derzeit eine gute Entwicklung, was das Passagieraufkommen mit der Wizz Air angeht. Viele Flugzeuge kommen aus der Wartung zurück, nachdem es die großen Probleme mit den Triebwerken von Pratt & Whitney gab. Das bedeutet, dass wir für den Rest des Jahres die Passagierprognose wieder angehoben haben und 2024 mehr als drei Millionen Passagiere haben werden.

Kompensiert WizzAir ab 2025 das Geschäft von Ryanair?

Einige Ziele werden wir voraussichtlich erstmal nicht mehr anfliegen, wie etwa Porto. Wir werden aber Ziele, bei denen Ryanair nach Osteuropa geflogen ist, versuchen noch stärker mit der Wizz Air anzufliegen. Unser ambitioniertes Ziel ist es, innerhalb von zwei Jahren wieder an die jetzige Entwicklung anzuschließen.

Zuletzt hatten Sie einen Achtungserfolg erzielt, als der Flughafen nur noch 3,5 Millionen Euro Verlust geschrieben hat. Das ist im Vergleich zu den Vorjahren niedrig gewesen. Drohen wegen des Ryanair-Rückzugs wieder Verluste im zweistelligen Millionenbereich?

Der Dortmunder Flughafen von Außen.
Der Dortmunder Flughafen von Außen. © Landes, Hans Juergen

Nein, so hoch werden die Verluste nicht sein, aber dennoch rechnen wir 2025 wieder mit höheren Verlusten als 2023 und 2024.

Wird der Ryanair-Rückzug Folgen für die Belegschaft haben?

Wir werden keine betriebsbedingten Kündigungen vornehmen. Trotzdem passen wir die Personalplanung im Rahmen der Fluktuation an, weil wir anhand der Passagierzahlen messen, wie viel Personal wir brauchen. Das sind aber ständig laufende Prozesse, die immer an die Prognose angepasst werden.

Flughafen will Osteuropa-Geschäft ausbauen

Sie sind jetzt schon sehr abhängig von WizzAir. Mit dem Rückzug von Ryanair wächst die Abhängigkeit weiter. Gibt es Pläne, neue Airlines für den Flughafen zu gewinnen?

Wir waren ja im vergangenen Jahr sehr erfolgreich und haben mit Condor und Pegasus zwei neue Airlines dazugewonnen. Und natürlich versuchen wir permanent neue Airlines nach Dortmund zu bringen. Dass eine Airline an einem Flughafen sehr dominant ist, ist in unserer Branche eher die Regel. Wir haben einen Wizz Air-Anteil in Dortmund, der vergleichbar ist mit dem Lufthansa-Anteil in Frankfurt.

Setzt Sie der Ryanair-Rückzug nicht unter Druck, noch mal konkreter zu suchen?

Es wäre ja eine Farce, wenn wir nicht ständig konkret suchen würden. Wir haben neue Airlines bekommen, allerdings muss man auch sagen: Die Konsolidierung im Luftverkehr schreitet immer weiter fort, die Zahl der ansprechbaren Airlines reduziert sich.

Trotzdem stehen Sie ja unter Druck.

Wir stehen primär unter Druck, die Passagierzahlen wieder schnell zu steigern. Das kann sowohl mit einer Steigerung unseres Osteuropa-Geschäfts als auch gerne etwa mit einem Ausbau des Türkei-Geschäfts erfolgen. Unsere Verbindungsqualität nach Osteuropa ist herausragend, wir fliegen viele Ziele als einziger Flughafen in NRW an. Dieses Geschäft ist sowohl aus Sicht der Arbeitsmigration als auch für den Austausch wirtschaftlicher Ballungsräume von essenzieller volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Das Interview führten Dennis Pesch und Marlene Körbel