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Ein Wolf in Dortmund? Schäfer Christof May ist sich „zu 99 Prozent“ sicher
Tiersichtung in Dortmund
Gibt es in Dortmund nun einen Wolf? Ein Video aus Eving lässt dies vermuten. Dortmunds Schäfer haben Schutzvorkehrungen für ihre Herden getroffen. Sie haben eine Forderung an die Behörden.
Wanderschäfer Christof May ist sich ziemlich sicher, was das für ein Tier ist, das in einem zwischen den Dortmunder Stadtteilen Eving und Derne aufgenommenen Video vom 9. März durch die sozialen Medien streunt: „Das ist zu 99 Prozent ein Wolf.“
Zurzeit weiden knapp 300 von Mays Schafen in Dortmund beim Biohof Schulte-Uebbing in Kemminghausen, also nahe Eving. „Meine Herdenschutzhunde müssen jetzt aufpassen“, sagt der Schäfer. Drei imposante Pyrenäenberghunde sind mit auf der Weide.
150 Jahre war man froh, den Wolf in Westfalen nicht mehr zu sehen. Jetzt findet er auf eigenen Pfoten zurück. Nordrhein-Westfalen hat inzwischen vier ausgewiesene Wolfsgebiete. Immer mehr Wolfssichtungen werden bekannt. Gerade jetzt in dieser Jahreszeit, in der sich vom Rudel abgestoßene Jungrüden ein neues Revier suchen.
Wölfe sind Langstreckenläufer
Wolfssichtungen wurden in diesem Jahr neben Dortmund unter anderem schon aus Werne, Ascheberg und Waltrop gemeldet. Ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt, müssten erst die Experten der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf bestätigen, sagt Winfried Hardes, der für das Regionalforstamt Ruhrgebiet als Wolfsberater arbeitet: „Wir Wolfsberater geben keine Prognose ab.“

Auf diesem Foto aus Dortmund könnte ein Wolf zu sehen sein. Von Experten bestätigt ist das allerdings nicht. © privat
Wölfe sind Langstreckenläufer, legen zwischen 30 und 75 Kilometer am Tag zurück. Sie sind Opportunisten, die sich niederlassen, wo sie genügend zu fressen finden – und der Mensch sie leben lässt.
Auch wenn Isegrim scheu gegenüber Menschen ist und ihn schon gar nicht angreift, ist er kein Unschuldslamm. Schafe gehören zu seiner Beute. Die Begeisterung der meisten Schäfer über seine Rückkehr hält sich daher in Grenzen.
Wanderschäfer May setzt auf seine Herdenschutzhunde
„Selbst wenn nach der Rückkehr der Wölfe die wenigsten Menschen einem Wolf in freier Wildbahn begegnen werden, ändert sich für Schäfer und Halter anderer Nutztiere in den vom Wolf durchstreiften Regionen schon mehr“, erklärt auch Thomas Pusch, Sprecher des Landesfachaussschusses (LFA) Wolf im NABU NRW.
Wanderschäfer Christof May, der mit seinen Herden Landschaftspflege für die Stadt Dortmund macht, setzt voll auf seine Herdenschutzhunde, die er bereits seit zehn Jahren hat.
„Mich hat man früher ausgelacht, jetzt haben wir den Wolf öfter hier als uns lieb ist.“ Der werde es sich aber zweimal überlegen, ob er als Einzelner angesichts der Hunde in die Herde hineingehe, so May: „Die machen den fertig.“

Pyrenäenberghund © Lydia Heuser
Auch für Martin Rudack, der einen Schäfereibetrieb in Kurl hat, war es nur eine Frage der Zeit, dass in Dortmund ein Wolf gesichtet wird oder zumindest ein Verdachtsfall auftaucht.
Rudack hat auch schon lange Vorkehrungen getroffen. „Wir haben höhere Elektrozäune angeschafft und stärke Weidezaungeräte in der Hoffnung, dass es dem Wolf so geht, wie dem Hund, wenn er einen gewischt kriegt.“
Martin Rudack: „Auf den sauberen Zaunbau achten“
Wichtig sei, so Rudack, dass alle Leute, die Schafe haben, „auf den sauberen Zaunbau achten“. Die Netze dürften nicht durchhängen, und die Batterie dürfe nicht schlappmachen. Sonst lerne der Wolf schnell, über die Netze zu springen. Und da der Wolf schlau ist, findet jeder Wolf, der schon mal ein Schaf gefressen hat, das gut und frisst das nächste. Eine kleine zehnköpfige Schafsherde ohne Grundschutz sei für den Wolf ein McDonald’s, sagt Wolfsberater Hardes.
Normalerweise sind die Weidezäune 90 Zentimeter hoch. Sie lassen sich um 30 Zentimeter aufstocken. Über das Herdenschutzprogramm werden sie in Wolfsgebieten mit stationärem Wolfsrudel oder territorialem Einzeltier sowie in Pufferzonen von der Landwirtschaftskammer finanziell gefördert. Wolfsgebiete gibt es vier in NRW und eine Pufferzone.
Man dürfe die geförderten Netze aber nur dort nutzen, kritisiert der Dortmunder Schäfereibetreiber Bernd Hibbeln aus Grevel. Er selbst erneuere seine Netze alle drei Jahre, so Hibbeln. Entschädigungen vom Land gibt es im nachgewiesenen Schadensfall – zum Beispiel ein gerissenes Schaf – auch außerhalb von Wolfsgebieten.
Wolfsgebiete schneller ausweisen
Wie auch seine Kollegen May und Rudack ist Hibbeln der Meinung, dass Wolfsgebiete schneller als solche ausgewiesen werden müssten, damit Fördergelder schneller verfügbar seien, um den Wolf abzuschrecken. Seien erst einmal die ersten Schafe gerissen, wisse der Wolf, wie einfach das sei. Bei May sind die Hunde ein echter Kostenfaktor, bei Hibbeln und Rudack die Netze. Doch Dortmund ist kein Wolfsgebiet.
„Seit fünf Jahren wissen wir, dass sie da sind. Wir haben hier die durchlaufenden Jungtiere jedes Jahr“, sagt Hibbeln. Sie folgten alten Wolfsrouten bis ins Oberbergische Land. Das jüngst gesichtete Tier in Derne und Eving habe sich offensichtlich im Siedlungsraum festgelaufen. Wo er jetzt ist, sei nicht bekannt, sagt Hibbeln. Doch er wünsche sich auch bei Verdachtsfällen rechtzeitige Informationen von den Behörden. Aber das geschehe nicht.
Stiftungsfonds gegründet
Als unbürokratische Hilfe für Nutztierhalter hat der Naturschutzbund Deutschland (NABU) den Stiftungsfonds „Wolf“ gegründet und unterstützt damit etwa bei der Anschaffung von Schutzzäunen, Schutzhunden oder bei der Entschädigung von Wolfsrissen, wenn die staatliche Unterstützung nicht ausreicht oder gar nicht greift.
Für Christof May wäre eine andere Maßnahme vonnöten: „Normalerweise müsste ganz Nordrhein-Westfalen als Wolfsland ausgewiesen sein.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
