
© Jörg Harnisch
Im Ruhrgebiet sind in diesem Jahr zwei Wölfe gesichtet worden – mindestens
Wolf-Ansiedlung
Im Juni werden mehrere Wölfe im Ruhrgebiet gemeldet: zwei in Bochum, einer in Dortmund. Dass das Raubtier hier angekommen ist, daran zweifeln Experten. Ausschließen wollen sie es aber nicht.
Dass Wölfe durch NRW streifen, ist keine Neuigkeit. Nachdem 2000 die ersten Wölfe von Polen aus nach Sachsen wanderten, gibt es die Raubtiere wieder in Deutschland. Neun Jahre später wurde der erste Wolf in Nordrhein-Westfalen gesichtet, in Höxter. In den Jahren 2016 und 2017 häuften sich die bestätigten Sichtungen, im April 2018 wurden Schafe in Schermbeck gerissen. Speichelproben zeigten dann: Hier hatte ein Wolf Beute gemacht.
Meist in ländlichen Regionen
Höxter, Schermbeck oder auch südlich von Siegen: Es waren meist ländliche Regionen, in denen es zu Sichtungen kam. Im Ruhrgebiet, da waren Meldungen bisher Mangelware. Zu dicht besiedelt das Land, zu zerschnitten durch Straßen.
Doch inzwischen gibt es auch hier vermehrt Meldungen, alleine im laufenden Monat sind es drei: Am 16. Juni will eine Frau einen Wolf im südlichen Bochumer Stadtteil Eppendorf gesehen haben. Am 7. Juni berichtete dann ein Jäger von einer Wolfssichtung im ebenfalls südlich gelegenen Bochumer Stadtteil Stiepel in der Nähe der Ruhr, am 1. Juni ging eine Meldung aus Dortmund ein. Hier will eine Frau um 5.30 Uhr am Morgen einen Wolf im Bereich Wellinghofen/Höchsten gesehen haben.
Es gibt lediglich Bilder, keine Beweise
Was an den Meldungen dran ist, ist schwer zu bewerten: Ein Mitarbeiter des Regionalforstamtes Ruhrgebiet mit Sitz in Gelsenkirchen schätzt die Aussage des Jägers als „zuverlässig“ ein, ein Beweis ist sie nicht. Von der zweiten Sichtung in Bochum liegen beim Regionalforstamt Bilder vor. Sie wurden gegen 23.30 Uhr aufgenommen, auf ihnen erkennt der Mitarbeiter ein „hundeartiges Tier mit wolfsähnlichem Schwanz“.
Zu sehen sei auch eine Einkerbung hinter dem Kopf, das „könnte auch ein Halsband gewesen sein“. Was es letztlich für ein Tier war, das da fotografiert wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, auch ein Husky oder eine Rückzüchtung seien möglich. Und von der Meldung in Dortmund gibt es nur eine vage Beschreibung – auch das kein Beweis.
Auffällig ist, wenn man sich die Sichtungsorte auf einer größeren Karte anschaut: Sie sind durch Wald- oder Grüngebiete miteinander verbunden und liegen alle in verhältnismäßiger Nähe zur Ruhr. Der Fluss gilt als Wanderkorridor für Wildtiere, gut möglich, dass es sich bei den Sichtungen um ein und dasselbe Tier handelt.
Entlaufenen Husky hielt man für einen Wolf
Birgit Kaiser de Garcia arbeitet beim Lanuv, dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Auch dort hat man von den Sichtungen gehört. Aber es gebe eben keine hundertprozentigen Spuren, also zum Beispiel Kot, Fell oder Speichel.
Es gebe im Moment in NRW einzelne Jungtiere, die durch das Land streifen und sich ein neues Revier suchen, da sie in der Regel zwei Jahre nach ihrer Geburt von dem Leitwolf vertrieben würden – das würde vom Zeitraum her passen. Doch laut Kaiser de Garcia habe es in der jüngeren Vergangenheit häufiger Wolfsmeldungen an der niederländischen Grenze gegeben – letztlich habe sich das Tier als entlaufener Husky entpuppt.
Heinrich Beckmann war Stadtoberförster in Dortmund, er weiß aus seinen Berufsjahren, dass es Menschen gibt, die einen Fuchs sehen und den dann für einen Wolf halten. Wobei er auch weiß: „In der Natur ist alles möglich, theoretisch kann auch ein Wolf durch das dicht besiedelte Ruhrgebiet ziehen.“ Es war im Januar oder Februar 2016, da fand Beckmann in seinem Garten eine Rehfährte.
Der Garten liegt an einem Waldrand. Die Klauen waren breit gespreizt, ein Zeichen, dass das Tier auf der Flucht war. Dahinter die Fährte eines großen Hundes. Oder eines Wolfes. Beckmann ist sich bis heute nicht sicher, was da in seinem Garten auf der Jagd war.
Mensch passt nicht ins Beuteschema
Sollte es ein Wolf gewesen sein, würde sich Beckmann keine Sorgen machen. Er hatte in seiner Zeit als Förster einen älteren Mitarbeiter, der war rund fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft und hatte dort gelernt: Der Mensch passt nicht in das Beuteschema des Wolfes.
„Ein Wolf hat Angst vor dem Mensch und zieht sich zurück“, sagt auch Wilhelm Deitermann vom Lanuv. NRW sei bisher immer noch Wolfserwartungsland. Erst wenn sich ein Wolf in NRW ansiedeln würde, würde sich das ändern. Im Jahr gingen beim Lanuv rund 200 Wolfsmeldungen ein. Etwas mehr als die Hälfte seien Falschmeldungen, der überwiegende Rest bliebe unbestätigt.
Rund fünf Meldungen würden sich durch einwandfreies Bildmaterial oder DNA-Proben sicher bestätigen lassen. So wie zum Beispiel der Wolf, der in Schermbeck die Schafe riss. Oder das Tier, das Ende Februar 2018 in eine Wildkamera schaute. Die stand in den Rheinauen bei Duisburg-Walsum und sollte eigentlich Waschbären aufzeichnen.
Ich wurde 1973 geboren und schreibe seit über 10 Jahren als Redakteur an verschiedenen Positionen bei Lensing Media. Als problematisch sehen viele meiner Kollegen oft die Länge meiner Texte an. Aber ich schreibe am liebsten das auf, was ich selber bevorzugt lesen würde – und das darf auch gerne etwas länger sein.
