Wie sich Dortmunds Schäfer für die Ankunft des Wolfs wappnen
Schutz für Schafsherde
Der Wolf kommt näher. In Lengerich, 103 Kilometer von Dortmund entfernt, könnte er ein Schaf gerissen haben. Was dagegen hilft: ein gerissener Hund - auf den auch Dortmunds Stadtschäfer setzt.

Ein Wolf steht im Verdacht, rund 100 Kilometer von Dortmund entfernt ein Schaf gerissen zu haben. © dpa / Bernd Thissen
Der Dortmunder Gerd Schrader hat Heidschnucken, mögliche Wolfsbeute, – und ist trotzdem Wolfsbotschafter; denn Nordrhein-Westfalen ist Wolfs-Erwartungsland, seit Wölfe Ende der 90er-Jahre in Deutschland wieder heimisch wurden.
Und das sehen manche mit gemischten Gefühlen. Der Wolf hat nicht allein wegen Rotkäppchen und den Sieben Geißlein einen schlechten Ruf. Vor allem die Schäfer werden unruhig, wenn Isegrimm näher kommt. Im Frühjahr 2016 wurde er nahe Haltern gesichtet, in diesem Monat ist ein Wolf verdächtig, in Lengerich ein Schaf gerissen zu haben.
Schutzhunde werden in Schafsherde hinein geboren
Gerd Schrader bereitet in Dortmund das Terrain diplomatisch vor. „Schäfer“, sagt der 72-Jährige, „haben wesentlich mehr Arbeit, wenn der Wolf da ist. Das muss man ausgleichen und ihnen finanziell unter die Arme greifen.“ Bei der Bezirksvertretung Arnsberg zum Beispiel liegen hohe Elektro-Herdenschutzzäune für Schafsherden einsatzbereit auf Lkw.
Der Dortmunder Stadtschäfer Christopher May ist auf Wanderschaft mit seinen Schafen und baut 600 Meter Zaun pro Tag auf – aber allein darauf will er sich nicht verlassen. Er setzt vor allem auf seine fünf Herdenschutzhunde. Die Pyrenäenberghunde, große weiße Hunde mit dichtem Fell, sind echte Arbeitstiere. Sie bleiben rund um die Uhr draußen bei den Schafen, werden sogar schon in der Herde geboren.

Einer der fünf Herdenschutzhunde von Schäfer Christopher May im Morgennebel bei der Arbeit.May © Christopher May
Immer mit dem Rücken zur Herde
Anders als Hütehunde wie Bearded Collies, die Herden von einer Weide zur anderen treiben und immer von außen den Blick auf die Herde gerichtet haben, um sie zusammenzuhalten, sind Herdenschutzhunde ausschließlich zur Verteidigung von Schafen da. „Ein Herdenschutzhund liegt anders als ein Hütehund immer mit dem Rücken zur Herde und schaut, ob von außen ein Feind kommt“, erläutert Gerd Schrader.
„Ein Herdenschutzhund, der in der Herde geboren wurde und in ihr aufwächst, fühlt sich wie ein Schaf“, sagt Schäfer May. Pyrenäenberghunde sind auch so groß wie ein Schaf und haben ein ausgeprägtes Revierverhalten. Neben den fünf Herdenschutzhunden hat May fünf Hütehunde, die die Herden von einer Weide zu anderen treiben. Vor Ort passen dann die Herdenschutzhunde auf. Zwei braucht man für eine Herde mit etwa 500 Tieren. May hat zwei Herden.
Einzelwolf hat gegen Herdenschutzhunde keine Chance
„Ein Einzelwolf“, sagt er, „hat gegen die Herdenschutzhunde keine Chance. Da muss erst ein Rudel kommen.“ Wolfsbotschafter Schrader weiß, dass Wölfe Feiglinge sind: „Der Wolf geht dem Kampf aus dem Weg. Der kloppt sich nicht gern. Einen Hund nennt man ängstlich, einen Wolf scheu.“ Die Hunde sollen die Wölfe mit ihrer Größe und ihrem Gebell verjagen.
Mays Pyrenäenberghunde, eine Taskforce auf vier Pfoten, haben keine Namen, „nur betriebsintern“, sagt er. Damit niemand am Herdenschutzzaun mitbekommt, wie sie gerufen werden und sie möglicherweise mit Fressen lockt.
Kein Freund des frei lebenden Wolfes
Panik vor Wölfen hat Schäfer May nicht. Noch nicht. „Die krieg‘ ich, wenn der Wolf da ist.“ Wegen der Menschen. „Wenn eine 500-köpfige Herde auf der Flucht vor dem Wolf auf die Autobahn läuft und sich einer totfährt... Erst dann werden die Politiker wach.“ Im Gegensatz zu Gerd Schrader ist Christopher May kein Freund des frei lebenden Wolfes: „Ich weiß nicht, ob wir dieses Tier hier brauchen. Dafür sind wir zu eng besiedelt.“