„Das geht gar nicht!“ Warum viele Drogensüchtige die möglichen Konsumraum-Orte ablehnen

Das sagen Drogensüchtige zu den möglichen neuen Drogenkonsumraum-Orten
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Die Frage, wohin der Drogenkonsumraum „Café Kick“ umziehen soll, wird eines der großen lokalpolitischen Themen des Jahres in Dortmund. Seit Monaten läuft in der Stadtverwaltung, den Ratsfraktionen und der Stadtgesellschaft eine teils heftig geführte Diskussion über die möglichen neuen Standorte für Deutschlands größten Drogenkonsumraum.

Bisher sind vier Vorschläge öffentlich geworden: die von der Stadtverwaltung favorisierte Küpferstraße zwischen Märkischer Straße und Löwenstraße und die von der CDU ins Spiel gebrachte Treibstraße nördlich des Hauptbahnhofs für den neuen Hauptstandort. Und zwei kleinere geplante „Satelliten“-Zweigstellen an der Bornstraße und der Rheinischen Straße kurz vor Dorstfeld.

Eine Stimme fehlt jedoch bisher in der Debatte: jene der unmittelbar Betroffenen, der Drogensüchtigen. Was halten die Nutzer des Drogenkonsumraums von den möglichen neuen Standorte des „Café Kick“?

Wir waren in den vergangenen Tagen mehrmals im Drogenkonsumraum und dessen unmittelbaren Umfeld unterwegs und haben mit Drogenkonsumenten gesprochen. Oder versuchten es zumindest. Denn viele Drogensüchtige wollten nicht mit uns reden - zu groß ist manchmal das Misstrauen gegen die Presse, andere Male ist es der Druck, möglichst schnell an die nächste Dosis zu kommen, der ein Gespräch verhindert.

„Es ist ruhiger, weniger zentral“

Besonders vor der Einrichtung am Grafenhof in der südwestlichen Ecke der City sind die Menschen bei unserem ersten Besuch rastlos. Adnan ist einer von ihnen. Als wir ihn ansprechen, schielt der 38-Jährige immer wieder zu einem Mann ein paar Meter weiter, bei dem er offenbar Drogen kaufen will. Trotzdem kommt ein kurzes Gespräch zustande.

„Das ist gut“, sagt er, als wir ihm auf einer Karte den geplanten Standort an der Küpferstraße zeigen. „Es ist ruhiger, weniger zentral.“ Die anderen Orte interessieren ihn schon gar nicht mehr: „Die Leute kommen für die Drogen überall hin.“ Dann entschuldigt er sich höflich und geht zu seinem „Bekannten“.

„Für die Leute wäre das schlecht, wenn es noch weiter rausgeht“

Eine ältere Frau, die eben aus dem Tor zum „Café Kick“ herausgekommen ist, hat unseren Wortwechsel mitbekommen und schaut interessiert auf die Karte. Bei den beiden „Satelliten“-Standorten in der Nordstadt und kurz vor Dorstfeld winkt sie ab. „Wie sollen die Menschen denn da hinkommen?“ Da werde „die ganze Schwarzfahrerei“ mit der Stadtbahn nur noch schlimmer. „Für die Leute wäre das schlecht, wenn es noch weiter rausgeht.“

Etwas später gelingt es uns, zwei ältere Männer abzufangen, die zielstrebig das Eingangstor des „Café Kick“ ansteuern. Einer der beiden, den sein Kumpel „Dirk“ nennt, bleibt kurz stehen. „Die Küpferstraße wäre super, der Wall ist da ja gerade um die Ecke.“ Aber der Standort an der Rheinischen Straße? „Auf keinen Fall!“

Ferit steht in der Nähe des "Café Kick" in Dortmund an einer Straße.
Ferit ist regelmäßig im "Café Kick". Er hätte kein Problem damit, wenn der Drogenkonsumraum aus der Innenstadt verschwinde. © Thomas Thiel

Etwas abseits steht Ferit. Der 62-Jährige lehnt an der Fassade der Thier-Galerie und hört Musik. Er sei gerade aus dem „Café Kick“ geflogen, es habe einen Streit gegeben. „Die Standorte sind gut“, sagt er. „Hauptsache raus aus der Innenstadt.“

Die Leute würden das auch hinkriegen, da hinzukommen. Und der City würde es guttun. „Ich finde, dass Leute, die nichts damit zu tun haben, auch nichts davon mitbekommen sollten.“

„Die hängen sowieso alle in der Innenstadt ab“

Als wir ein drittes Mal an einem Tag vor dem Drogenkonsumraum stehen, spricht uns ein Drogensüchtiger an. „Komm, wir gehen um die Ecke“, sagt der Mann, dort könne man ruhiger reden. Seinen richtigen Namen will er nicht sagen, wir sollen ihn „Joe“ nennen. „Warum sollen die [das „Café Kick“, die Redaktion] schon wieder umziehen?“, fragt Joe. „Das kostet nur Steuergelder.“ Der Drogenkonsumraum ist erst 2020 an den Grafenhof gezogen, vorher lag er wenige hundert Meter weiter östlich, am Eisenmarkt hinter dem Theater.

Joe glaubt nicht, dass ein weiterer Umzug die Situation in der City verbessern werde: „Egal, wo sie versuchen, die Leute hinzubringen, es bringt nix! Die hängen sowieso alle in der Innenstadt ab.“ Der Standort an der Rheinischen Straße sei „am Arsch der Welt. Wenn ich da hinsoll, muss ich schwarzfahren.“ Damit habe er schlechte Erfahrungen gemacht. Einmal sei er wegen Schwarzfahren sogar in Haft gekommen, erzählt er.

Auch der Standort an der Bornstraße in der Nordstadt kommt bei ihm nicht gut weg. „Die haben da schon genug Probleme.“

„Die Kinder kriegen das ganze Treiben mit“

Bei unserem nächsten Besuch gehen wir in Drogenkonsumraum selbst. Dort treffen wir auf Jean-Vinh-Phuc. Der 44-Jährige mit vietnamesischen Wurzeln hat eine klare Meinung zum Standort an der Küpferstraße: „Bei den ganzen Schulen?“, fragt er mit Blick auf die drei Gymnasien, die rund um den geplanten Standort liegen. „Das geht gar nicht!“ Er habe selbst Kinder, daher wolle er das nicht. „Die Kinder kriegen das ganze Treiben mit, das ist nicht förderlich.“

Der von der CDU ins Spiel gebrachte Standort an der Treibstraße am Hauptbahnhof sei auch nicht besser, findet er, besonders die geplante Unterbringung des „Café Kick“ in Containern: „Das sieht dann aus wie ein Flüchtlingslager, da will man nicht rein.“

Jean-Vinh-Phuc plädiert dafür, den Standort am Grafenhof zu behalten. „Hier sind viele Ärzte um die Ecke, die Kliniken, viele soziale Einrichtungen. Die Leute haben dadurch kurze Wege und sind nicht so in der ganzen Stadt verstreut.“

Dennis in den Räumen des Drogenkonsumraums in Dortmund.
Dennis findet die Anbindung des Drogenkonsumraums an das Gesundheitsamt wichtig. © Thomas Thiel

Das sieht auch Dennis so. Der 48-Jährige konsumiert schon viele Jahre Drogen, er kommt gerade aus dem Raucherraum. Er betont, wie praktisch es sei, dass der Drogenkonsumraum räumlich direkt am Gesundheitsamt liegt. An den Wochenenden gebe es dort die Substitutionsstelle, wo Drogensüchtige Ersatzpräparate statt echter Drogen bekommen. Außerdem sei der Sozialpsychiatrische Dienst im Gesundheitsamt beheimatet, der Süchtigen beim Ausstieg aus der Sucht helfe.

Letzten Endes sei es den Süchtigen aber egal, wo der Drogenkonsumraum liege, meint er. „Die Leute brauchen einen Raum zum konsumieren. Sie werden also dorthin gehen, wo er liegt.“

Nico Kartte sitzt an seinem Arbeitsplatz im Drogenkonsumraum in Dortmund.
Nico Kartte arbeitet seit 2018 im Drogenkonsumraum. Ein generelles Meinungsbild unter den Drogensüchtigen zu ermitteln, sei sehr schwer. © Thomas Thiel

Die Spanne der Meinungen unter den Drogensüchtigen ist also groß. Ein konkretes Bild zu gewinnen, was die Mehrheit der Drogenkonsumenten zu den Umzugsplänen und den möglichen Standorten denkt, sei grundsätzlich schwierig, sagt Nico Kartte. Der 33-Jährige arbeitet seit 2018 im „Café Kick“ und hat täglich Kontakt mit den „Klienten“, wie die Drogensüchtigen intern genannt werden. Bei unserem Besuch hat er die Aufsicht beim Raucherraum.

„Bei Leuten, die tagtäglich vollkommen mit ihren alltäglichen Problemen beschäftigt sind, sind zukünftige Probleme nicht relevant“, sagt er. „Deshalb beschäftigen sie sich nicht damit.“ Dazu gehöre auch die Frage, wo sie zukünftig vielleicht hinmüssen, um ihre Drogen in einer sicheren Umgebung nehmen zu können.

Doch selbst jene Drogensüchtigen, die nur von Dosis zu Dosis denken, hätten von der Umzugsdebatte rund um das „Café Kick“ am Grafenhof mitbekommen. „Im Prinzip wollen sie nur ihren Frieden haben. Und sie merken, dass sie hier immer weniger Frieden haben.“

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 15. Januar 2025.