Diese zwei Männer sollen die Wärmewende in Dortmund (mit) schaffen: Peter Flosbach, Technischer Geschäftsführer bei DEW21, und Siegfried Moritz, CFO, also Finanzchef, der Deutschen Gasrußwerke.
Die Gasrußwerke im Hafen stellen den Großteil der Fernwärme zur Verfügung – neben Wärmepumpen ist Fernwärme die Basis der Wärmewende. „Wir schreiben gemeinsam Geschichte in Sachen Dekarbonisierung“, sagt Peter Flosbach unmittelbar vor dem Gespräch mit unserer Redaktion. Er sieht DEW21 als Dienstleister. Sie soll den Auftrag des Rats - ein klimaneutrales Dortmund bis 2035 - umsetzen.
Mit der Erörterung der sogenannten kommunalen Wärmeplanung und einem sogenannten Energienutzungsplan beginnt nun die Wärme- und Energiewende in Dortmund. Ein zentraler Baustein ist der Ausbau der Fernwärme. Können Sie beziffern, wie teuer das wird?
Peter Flosbach: Das hängt schlussendlich vom Energienutzungsplan ab, aber wir gehen in der ersten Ausbaustufe von 1 bis 1,6 Milliarden Euro für die Fernwärme aus.
Wie hoch ist der Fernwärme-Anteil jetzt?
Wir haben heute ungefähr einen Anteil von 10 Prozent Fernwärme am gesamten Dortmunder Wärmebedarf. Mit dem ersten vorgeschlagenen Ausbaugebiet würden wir auf ungefähr 30 Prozent kommen. Das bedeutet eine deutliche Erhöhung der Anschlüsse auf bis zu 17.000.
Wie viele sind es jetzt?
700 - das sind vor allem große Immobilien wie das Dortmunder U, das Rathaus oder die DEW21 Hauptverwaltung. Wenn wir jetzt in die Fläche gehen, wird sich die Stückzahl deutlich erhöhen.
Von welchen Gebieten sprechen wir da?
Bis Ende 2025 haben wir konkret neun, innenstadtnahe Erweiterungsgebiete projektiert. Mittelfristig ist darüber hinaus ein Ausbau im Norden in Richtung Brechten und Eving wahrscheinlich. Im Süden soll die Fernwärme in der gesamten südlichen Innenstadt einschließlich Querung der B1 erweitert werden. Das Versorgungsgebiet umfasst dann auch die Messehallen und erreicht perspektivisch das Areal Phoenix West und den Stadtteil Hörde. Auch die Quartiere östlich der Innenstadt wie das Kaiserstraßen- und Kronprinzenviertel sollen weiter erschlossen werden.
Die größte Fernwärmelieferant sind die Deutsche Gasrußwerke. Wie viel liefern Sie zu und wie funktioniert das?
Siegfried Moritz: Unsere Abwärme deckt 80 Prozent des Fernwärmebedarfs. Die Verteilung übers Jahr ist natürlich extrem temperaturabhängig. Da wir 24/7 arbeiten – also rund um die Uhr Abwärme produzieren – haben wir das Interesse, möglichst breit ausgelastet sein. Wir würden gerne auch künftig die Basislast für die Erweiterung der Fernwärme zur Verfügung stellen.
Können Sie uns erklären, was Sie machen und warum Sie rund um die Uhr Wärme liefern können?
Wir produzieren unter anderem Ruße für die Reifenindustrie. Wir tun das schon seit über 80 Jahren hier am Standort. Unsere Reaktoren werden nonstop betrieben - es macht keinen Sinn, so einen Reaktor morgens um 8 anzufahren und abends um 17 Uhr auszufahren. So schaffen wir es auch, sehr energieeffizient zu sein. Es gibt kaum ein Werk dieser Art weltweit, das so effizient ist wie wir.
Sie setzen also möglichst wenig Energie ein, um möglichst viel Kohlenstoff zu produzieren?
Ja. Aber es geht auch darum, Energie – die sonst beispielsweise als Dampf in die Atmosphäre entweichen wurde – zurückzugewinnen und zurück ins System zu geben. Das ist dann eine Win-Win-Situation.
Weil diese Energie sonst ungenutzt verpuffen würde?
Absolut – in der Vergangenheit war das so. Heute wollen wir möglichst wenig Wärme in die Atmosphäre geben und das, was vorher über die Schornsteine rausgeblasen wurde, für unser Energiesystem hier in Dortmund nutzen. Deswegen beliefern wir seit 1994 die Stadtwerke, die heutige DEW21.
Wie soll es weitergehen?
Wir würden gern Leistung on Top legen. Darüber reden wir gerade und sind auf einem guten Weg.
Sie wollen gemeinsam mit DEW21 die Dekarbonisierung vorantreiben. Nun sind Sie als Gasrußwerke so carbonhaltig wie kaum ein anderes Unternehmen. Wie geht das zusammen?
Ja, wir sind Carbon per Definition. Aber unser Ehrgeiz ist ja nicht die CO2-Emission, sondern wir wollen den Kohlenstoff in Produkten binden. Und beispielsweise das Schweröl nicht als Schiffsdiesel auf hoher See verbrennen – was eine alternative Verwendung ist. Aber ja: Wir sind fossil und wir emittieren CO2.
Sogar relativ viel: 300.000 Tonnen pro Jahr.
Das stimmt – und dann wird gefragt: Ist das jetzt fossile Fernwärme? Ja, wir emittieren das CO2 zwar auf jeden Fall. Aber wenn wir unsere Abwärme ins Wärmenetz einspeisen und dadurch beispielsweise ein Kraftwerk in der Weißenburger Straße vom Netz genommen werden kann, ist das gut für die Dortmunder CO2-Bilanz.
Weil so in Dortmund in Summe weniger CO2 freigesetzt wird?
Ja, die CO2-Ersparnis ist da. Und zusätzlich arbeiten wir aktuell sehr stark daran, unsere Primär-CO2-Emissionen zu senken. Mittelbar sparen wir CO2 über die Bereitstellung von Fernwärme, aber wir werden auch unmittelbar bei uns im Werk CO2 sparen. Im Rahmen unseres Transformationskonzeptes arbeiten schon jetzt an gerade diesen Alternativen. Das wird ein fließender Übergang.
Klimaneutral ist es, kein CO2 zu produzieren. Man kann Klimaneutralität aber auch erreichen, indem man kompensiert, also Emissionsrechte kauft. Das tun Sie, oder?
Natürlich. Ich bin ein großer Fan dieses Zertifikate-Handels, weil er Anreize setzt, im Unternehmen das Richtige zu tun – nämlich CO2 und Geld zu sparen.
Allerdings haben DSW21 und die Gasrußwerke in meinen Augen beim Thema Klimaneutralität unterschiedliche Zeit- und Zielvorstellungen: Der Rat hat beschlossen, dass Dortmund bis 2035 klimaneutral sein soll. Daran ist auch die DSW gebunden. Die Gasrußwerke wollen erst 2050 klimaneutral sein. Wie geht das zusammen?
Peter Flosbach: Wir sind ein mehrheitlich kommunales Unternehmen und werden uns selbstverständlich an den Zielen der Stadt orientieren. Deswegen bin ich extrem froh, dass wir uns jetzt auf so breiter Ebene mit dem Thema kommunale Wärmeplanung befassen. Da gibt es viele Fragen und Antworten - in beide Richtungen. Über diese Punkte habe wir letztens im Umweltausschuss gesprochen: Was heißt das für die Investitionen, die wir tätigen müssen? Was bedeutet das in Bezug auf die Belastung der Stadt durch Baustellen? Wie sieht der Technologiemix aus? Als international agierendes Industrieunternehmen ist der Dekarbonisierungspfad der Gasrußwerke deutlich stärker von Entscheidungen aus Brüssel abhängig.
Es gibt immerhin eine Differenz von 15 Jahren zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Stadt klimaneutral sein will, und dem Zeitpunkt, an dem ihr größter Fernwärmelieferant klimaneutral sein wird.
Eine Option ist, dass es auch sogenannte Carbon-Negativ-Technologies gibt – also Stätten zur Lagerung von CO2. Da gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten-. Aber dieses Thema können wir nicht in Dortmund beantworten, das geht nur global.
Das heißt: Wir ermöglichen den Gasrußwerken weiterhin CO2-lastig zu produzieren und gleichen es anderweitig aus?
Es gibt kaum Fahrräder, in denen keine Kohlefaser genutzt wird. Das Gleiche gilt in der Automobilindustrie und der Fliegerei: Es wird immer mehr Kohlefaser verbaut – das Produkt wird also benötigt und hier in Dortmund haben wir einen Standort, wo Kohlenstoff mit deutlich weniger CO2-Emissionen produziert wird als im Ausland.
Siegfried Moritz: Es geht in Richtung Klimaneutralität. Das ist richtig und gehört sich auch so. Ich habe zwei Kinder und weiß, dass wir nur einen Planet haben. Aber auch das E-Auto und der Bus brauchen Reifen. Insofern ist die Nachfrage nach unseren Produkten da – die bedienen wir energieeffizient und dementsprechend viel CO2-ärmer eben lieber hier aus Dortmund. Wir werden dem Anspruch Klimaneutralität gerecht werden - in einem Transformationsprozess, der von heute bis ins Jahr 2050 ragt. Auf dem Weg dahin freuen wir uns, Dortmund mit unserer Fernwärme bei der Dekarbonisierung zu unterstützen.
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