Sabrina Wollscheid arbeitet als Dachdecker-Meisterin im Familienbetrieb ihres Vaters. Auf Instagram hat sie mittlerweile fast 13.000 Follower.

Sabrina Wollscheid arbeitet als Dachdecker-Meisterin im Familienbetrieb ihres Vaters. Auf Instagram hat sie mittlerweile fast 13.000 Follower. © Sabrina Wollscheid

Dortmunderin ist Dachdecker-Influencerin: „Am Anfang war das eine Katastrophe“

rnFrauen im Handwerk

Sabrina Wollscheid liebt die Arbeit auf dem Bau. Auf Instagram zeigt die Dortmunder Dachdeckerin ihren Alltag. Sie möchte vor allem Mädchen für das Handwerk begeistern - doch der Anfang war schwer.

Brackel

, 20.07.2022, 14:57 Uhr / Lesedauer: 3 min

Frauen sind im Handwerk noch immer unterrepräsentiert. Das belegen aktuelle Zahlen der Handwerkskammer: Der Frauenanteil in Ausbildungsverhältnissen beträgt im Kammerbezirk Dortmund nur 14,6 Prozent.

Die Brackelerin Sabrina Wollscheid (29) hat ihre Ausbildung im Dachdecker-Handwerk bereits hinter sich. Auch die Meisterschule hat sie abgeschlossen.

Sie hatte nie große Bedenken, als Frau ins Handwerk zu gehen. Ganz im Gegenteil: Ihr war relativ schnell klar, dass sie im väterlichen Betrieb mit anpacken möchte.

„Mein Papa hat mich nach der Schule oder in den Ferien oft mit auf die Baustelle und ins Büro genommen“, erzählt sie.

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Beim freiwilligen Ferien-Praktikum im Familienbetrieb habe sie dann erste praktische Erfahrungen auf dem Bau sammeln können. „Ich fand es auch einfach cool, mich mal dreckig zu machen“, erinnert sich Sabrina Wollscheid lachend zurück.

Lernen, mit blöden Sprüchen umzugehen

Auch das Schulpraktikum, das sie im Kindergarten absolvierte, konnte sie nicht vom Wunsch abbringen, irgendwann mal selbst den Familienbetrieb zu leiten. Also fasste sie in der zehnten Klasse den Entschluss, eine Ausbildung zur Dachdeckerin zu beginnen. Das ist jetzt 13 Jahre her.

Auf ihrem Instagram-Profil gibt Sabrina Wollscheid Einblicke in ihre Arbeit auf dem Dach. Die Fotos machen entweder ihre Kollegen oder sie selbst per Selbstauslöser.

Auf ihrem Instagram-Profil gibt Sabrina Wollscheid Einblicke in ihre Arbeit auf dem Dach. Die Fotos machen entweder ihre Kollegen oder sie selbst per Selbstauslöser. © Jähnichen

In dieser Zeit musste sich die Dortmunderin zwar den ein oder anderen Spruch von männlichen Kollegen anhören, es hielt sich aber alles in Grenzen, wie sie sagt. „Während der Ausbildung kamen oft von Mitschülern dumme Sprüche, aber da waren alle ja auch noch etwas jünger. Typen zwischen 16 und 19 eben“, erzählt sie.

Diese Zeit sei rückblickend nervig gewesen. Auch, weil sie sich damals noch vieles gefallen ließ, wie sie erzählt: „Ich war ein klassischer Ja-Sager. Damit es kein Theater gibt, habe ich zugestimmt oder nichts gesagt. Aber das kann man in so einem Job vergessen.“

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Den Sprüchen zu kontern, musste Sabrina Wollscheid erst lernen. Sie weiß, dass viele Kolleginnen diesen Weg noch vor sich haben. Mittlerweile lasse sie sich solche Kommentare nicht mehr gefallen. „Gerade wenn man selbst mal eine leitende Position einnehmen will, muss man lernen, sich zu behaupten“, sagt sie.

Fast 13.000 Follower auf Instagram

Um auch andere für das (Dachdecker-)Handwerk zu begeistern, teilt Sabrina regelmäßig Einblicke in ihren Berufsalltag auf Instagram. 12.600 Leute folgen ihrem Profil @dachdeckermeisterin_sabrina. Dabei war das ganze zunächst nur eine „Sonntagsidee“, wie sie erzählt.

„Ich hatte schon länger die Idee, meinen Beruf auch auf Instagram zu zeigen, aber dachte mir immer ‚das ist doch affig, wer will dir beim Arbeiten zusehen?‘. Eine Freundin meinte dann, dass es mir doch egal sein kann, was andere denken und da fing ich dann nochmal an zu überlegen“, erinnert sich die 29-Jährige.

Als dann immer deutlicher wurde, dass das Handwerk ein Nachwuchs-Problem hat, stand der Entschluss fest: Es geht los mit Dachdecker-Content auf Instagram. Das erste Posting vom Dach veröffentlicht Sabrina Wollscheid im Juli 2021.

Mittlerweile versuche sie, jeden Tag in irgendeiner Form auf ihrem Profil aktiv zu sein, sei es durch Storys, Umfragen oder einen Foto-Post. Jeden Tag ein Foto zu posten, sei für sie allerdings keine Option. Obwohl es genug Material gäbe.

„Das ist mir manchmal einfach zu doof“, erklärt sie, „wenn ich im Büro aushelfe, poste ich kein cooles Foto von der Baustelle.“

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Das sei ihr unangenehm vor ihren Kollegen, die schließlich wissen, dass sie gerade nicht auf dem Dach steht. „Die denken sich dann sicher auch: ‚Ja ja, die ist im Büro und macht einen auf Malocher‘“, lacht die 29-Jährige.

Junge Menschen fürs Handwerk motivieren

Viele ihrer Fotos werden sogar von den Kollegen geschossen. „Am Anfang war das eine Katastrophe. Da habe ich immer geguckt, dass alle weg sind und dann schnell ein Bild gemacht. Jetzt drücke ich das Handy einfach einem Kollegen in die Hand und er fotografiert mich,“ erzählt sie.

Auf ihrem Profil landet dann ein bunter Mix aus Fotos vom Dach, von Messebesuchen, aus dem Büro oder mit ihrem tierischen Kollegen, dem Golden Retriever Leo.

Damit wolle Sabrina Wollscheid einen Einblick in den abwechslungsreichen Berufsalltag einer Dachdeckerin geben und andere junge Leute dazu motivieren, den Weg ins Handwerk zu gehen.

Sabrina mag es, mit anzupacken. Deshalb war ihr schnell klar, dass sie im Handwerk arbeiten will.

Sabrina mag es, mit anzupacken. Deshalb war ihr schnell klar, dass sie im Handwerk arbeiten will. © Privat

Sie bekomme über ihren Account oft mit, dass viele Jugendliche von ihren Eltern in eine andere Richtung geschubst werden, obwohl sie eigentlich ins Handwerk gehen wollen.

Das könne sie nicht verstehen. „Ja, das Körperliche ist vielleicht manchmal schwierig, aber da wächst man rein und man hat immer Kollegen um einen rum, die einen unterstützen. Niemand erwartet, dass man als Frau das schwerste Werkzeug trägt“, sagt sie. „Und auch das Vorurteil, dass Handwerker schlecht bezahlt werden, stimmt ganz und gar nicht mehr.“

Die Dachdeckermeisterin rät allen, die Bock aufs Handwerk haben, diesen Weg zu gehen. Auch allen Mädchen. „Wer kein Problem damit hat, auch mal kräftig anzupacken, sollte den Versuch wagen.“

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