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Dortmunder Missbrauchsopfer fühlt sich verhöhnt: „Ich glaube Benedikt kein Wort“
Ratzingers Entschuldigung
Vier Jahre hat der Dortmunder Wolfgang L. im Klosterinternat Missbrauch erlitten. Wie die aktuellen Äußerungen Joseph Ratzingers auf ihn als Opfer wirken, sagt er in deutlichen Worten.
„Ich glaube Papst Benedikt kein Wort.“ Für den Dortmunder Wolfgang L.* (70) hat die katholische Kirche nach dem Brief des emeritierten Papstes zum Missbrauchs-Gutachten jegliche Vertrauenswürdigkeit verloren. „Ein hochintelligenter und damals wie heute geistig fitter Mann, der nichts mitbekommen hat? Wer soll das denn glauben?“
Entschuldigung ist eine Verhöhnung
Benedikts Entschuldigung empfindet er als Verhöhnung. „Wie kann ihn jetzt nun plötzlich das Leid der Kinder schmerzen? Er hätte doch schon als Erzbischof seine Verantwortung wahrnehmen können und müssen - und tat es nicht.“
Eigentlich hat Wolfgang L. mit der katholischen Kirche schon vor mehr als einem halben Jahrhundert abgeschlossen. Vier Jahre seiner Kindheit war er neben anderen kleinen Jungen Missbrauchsopfer im Klosterinternat der Arnsteiner Patres in Werne an der Lippe. Seine Geschichte haben wir bereits an dieser Stelle erzählt.
Als die Taten im Jahr 2009 erstmals öffentlich bekannt wurden, kamen alle Erinnerungen wieder hoch und er schöpfte Hoffnung: „Hoffnung, dass die Kirche Verantwortung übernimmt für all das, was wir damals ertragen mussten.“ Aber es kam anders.
Die bisher kircheninterne Aufarbeitung wurde zur unendlichen Geschichte. Wie Wolfgang L. warten die meisten Opfer bis heute auf ein glaubwürdiges Zeichen der Verantwortungsübernahme und Wiedergutmachung.
Kirche gibt Kontrolle nicht aus der Hand
Die Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ äußert sich wütend und enttäuscht zum Brief von Benedikt: „Wir können es nicht mehr hören.“ Die Opfer sexuellen Missbrauchs stünden mit leeren Händen da: „Auch nach zwölf Jahren keine Anlaufstelle, kein Opfergenesungswerk, keine angemessenen Entschädigungen. Und noch immer will die Kirche die Kontrolle über die Aufarbeitung nicht aus der Hand geben.“
Bei der Frage der Entschädigung denkt Wolfgang L. auch an seine Eltern: „Sie haben damals im Glauben, ihr Kind im sicheren Hort der Kirche unterzubringen, viel Geld für das Internat aufbringen müssen. Und letztendlich haben sie ahnungslos auch noch bezahlt für die Bereitstellung eines Pools von Missbrauchsopfern.“
Und heute würden Beträge verhandelt, die nicht mal die Höhe der Internatskosten erreichten. Geschweige denn die Schädigungen ausgleichen würden, die viele Opfer lebenslang belasteten.
Ausrede soll Amt und Kirche schützen
Die Entschuldigung des emeritierten Papstes ist für Wolfgang L. nur Ausrede und missglückte Strategie zur Außendarstellung, aber nicht von echter Reue geleitet. Sie solle Kirche und Amt schützen, deren Wohl offenbar für die Würdenträger hoch über dem der Opfer stünde.
„Viele Priester in den Gemeinden mögen sich für das Versagen ihrer Institution in dieser Sache schämen, aber die obersten Würdenträger halten den sexuellen Missbrauch der Kinder doch nach wie vor für einen verzeihlichen Fehler“, ist der Dortmunder überzeugt – und sieht sich in dieser Einschätzung durch die Äußerungen des Bischofs von Regensburg bestätigt.
Öffentliche Ohrfeige wäre das Mindeste
Bischof Vorderholzer hatte auf einer Synodalversammlung geäußert, dass gerichtliche Vernehmungen der Kinder schlimmer seien „als die im Grunde harmlosen Missbrauchsfälle“. Damit hatte er große Empörung ausgelöst. Wolfgang L. sagt: „Ich habe mir sein Statement angesehen und dachte: Warum steht da jetzt keiner auf und knallt ihm eine? Eine öffentliche Ohrfeige ist doch das Mindeste für eine solche Ungeheuerlichkeit.“
Er selbst glaubt nicht mehr an ein ehrliches und faires Ende der Aufarbeitung: „Das Verfahren selbst ist eine unfassbare Frechheit gegenüber den Missbrauchsopfern. Du verschwendest ja jeden Tag Gedanken daran und es wird immer ungeheuerlicher, je mehr du darüber nachdenkst.“
*Name der Redaktion bekannt