
Ran an die weißlich-grünen Stiele! Es gibt sie nur zweimal im Jahr, einmal ist jetzt. Das ist der Frühjahrsschnitt, sagt Koch Günther Overkamp. Sie werden sehr klein geschnippelt und bei Overkamp mit Tafelspitz serviert. © Overkamp
Günther Overkamp: Diese unscheinbare Rübe ist ein echtes deutsches Superfood
Kolumne „Overkamps Lecka-reien“
Günther Overkamp hat es eine unscheinbare Rübe angetan: „Die weißgrünen Stiele sind Superfood“, findet der bekannte Dortmunder Gastronom. In seiner Kolumne zeigt Overkamp sein Lieblingsgericht.
An sich ist an der weißen Rübe ja nix Besonderes. Außer, dass sie eine der wenigen Pflanzen ist, von der man tatsächlich alles essen kann. Und noch weniger besonders sehen die langen weißlich-hellgrünen Stiele aus, an denen oben die Blätter der Rübe wachsen. Aber genau diese optisch nichtssagenden Stiele, die sind’s. Daraus machen wir nämlich unser lecka Stielmus.
Warum verbreite ich mich gerade jetzt über weiß-grüne Stiele? Es gibt sie nur zweimal im Jahr. Und einmal ist jetzt. Das ist der Frühjahrsschnitt, der nächste ist dann im September/Oktober. Und noch ein Grund, den praktisch keiner kennt: Stielmus ist Superfood.
Overkamps Lecka-reien
Warum ist westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber schreibt der Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne „Overkamps Lecka-reien“. Hier gibt es alle bisher erschienenen Folgen.Die Stängel sind nämlich ein bisschen säuerlich und enthalten einen sehr sehr hohen Anteil an Vitamin C. Der Vitaminpillen-Schlucker kennt das als Ascorbinsäure. Vitamin C regelt den Phosphor- und Calcium-Haushalt und gilt damit als Antioxydantium, das auf die Jagd nach Bakterien im Körper geht.
Aber der feinsäuerliche Geschmack ist einfach auch sehr speziell und lecka und passt sehr gut zu geräuchertem Fleisch, Schweinebäckchen oder Mettwurst. Oder wie wir es machen: zu Tafelspitz.
Wir kennen Stielmus ja im Wesentlichen mit Kartoffeln vermengt als Stielmus-Durcheinander. So haben wir es ewig und drei Tage bei Dortmund à la carte angeboten. (Die Kombination mit Tafelspitz ist übrigens eine Erfindung meiner Schwiegermutter.)
Ich bin ja ein großer Liebhaber der Eintöpfe. Wobei ein Topf in diesem Falle nicht stimmt, weil in zwei Töpfen gekocht wird. Sonst kriegt man ihn nicht richtig lecker hin.
Warum er Knisterfinken heißt
So geht’s: Stielmus in kleine max. ein Zentimeter große Stückchen schneiden, Blätter wegschneiden (für die Kaninchen oder als Salat). Wichtig: gründlich waschen! Dass das Stielmus bei den vornehmen Münsterländern „Knisterfinken“ heißt, liegt nämlich daran, dass viel Sand dazwischen ist und so schön knirscht beim Essen. Auch ganz wichtig: erst blanchieren, also ganz kurz aufkochen.
In der Zwischenzeit könnte man Kartoffeln kochen, am allerbesten in Brühe, wenn man hat. Je nachdem, was später für ein Fleisch dazu kommt. Im Tafelspitz-Fonds schmeckts besonders gut. Dann die Kartoffeln stampfen. Aber nur grob, nicht wie Püree! Das blanchierte Stielmus darunter geben, zusammen aufkochen, 3 bis 4 Minuten. Dadurch halte ich es schön lindgrün.
Wir geben dann immer noch ausgelassenen Speck dazu. Nicht viel. Hebt den Geschmack, passt gut zum Säuerlichen. Und natürlich Salz, Pfeffer und Muskat. Ist einfach, aber man muss erstmal schnippeln. Und man muss vorher zum Markt. Und das liebe ich ja.
Es geht auch ohne Kartoffeln
Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Wir haben hier in Dortmund einen der schönsten Märkte, die man sich vorstellen kann. Auch Schwerte ist schön: Flanieren, fachsimpeln, nicht nur über Stielmus.
Übrigens geht’s auch ohne Kartoffeln. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Stielmus als Gemüse gekocht sehr gut zu Fisch passt. Zum Beispiel zum Zander. Da kann man jetzt die ganze Pflanze nehmen. Man schneidet die Stiele und die Blätter extra.
Am besten mit Dortmunder Landrahm
Stiele blanchieren und dann klitzeklitzekleine Zwiebelchen anschwitzen mit bisschen Butter, dann blanchierte Stiele drauf und dann geschnittene Blätter. Das Ganze durchheben mit ein klein bisschen Dortmunder Landrahm. Übrigens ein mega Produkt, laktosefrei. Ich liebe Dortmunder Landrahm auf Brot. Nehme ich auch statt Crème fraîche.
Also: Ob Stiel, ob Blatt, ganz lecka! In diese Sinne: Bis denne!
In Fredeburg im schönen Hochsauerland 1968 geboren, wurde Günther Overkamp Wahl-Dortmunder durch die Liebe. Er ist Mitgeschäftsführer und Mitglied der in über 300-jähriger Tradition stehenden Gastro-Familie Overkamp. Kulinarisch bezeichnet er sich als „Westfälisches Trüffelschwein“. Er lebt mit Ehefrau Dina und drei Kindern auf dem Höchsten.