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Dortmunder Kinderschutz-Ambulanz „läuft über“: dramatische Corona-Folgen
Familien in der Corona-Pandemie
Viele Eltern haben Angst vor einer Infektion und Long Covid, aber auch vor den Folgen der sozialen Isolation ihrer Kinder: Der Chef der Kinderklinik Dortmund ordnet ein - und nennt dramatische Beispiele.
Die Corona-Pandemie bringt für viele Eltern einen großen Zwiespalt mit sich: auf der einen Seite die Angst vor einer akuten Infektion oder Long Covid als langfristige Folge. Auf der anderen die Sorge, wie sich lange Phasen der sozialen Isolation, Quarantäne, Distanzunterricht auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken.
Ein Zwiespalt, der auch Prof. Dominik Schneider, Direktor der Kinderklinik in Dortmund, sehr bewusst ist: „Wir sagen seit April 2020, dass die Einschränkungen, die wir Kindern aufbürden, um die Älteren zu schützen, massive Auswirkungen auf die geistige und soziale Entwicklung haben.“
Dramatische körperliche und psychische Folgen
Und die Folgen der langen Zeit, in der das Sozialleben vieler Familien extrem eingeschränkt war, zeigen sich in der Dortmunder Kinderklinik teils anhand dramatischer Schicksale. Eine sehr schlimme Phase habe es im Frühsommer gegeben, in der man „jeden Tag ein Kind mit Suizidversuch“ gehabt habe, so Prof. Schneider.
Aktuell habe sich das beruhigt, jedoch: „Die Kinderschutzambulanz läuft über. Wir sehen, dass die Familiensysteme am Ende ihrer Kraft sind.“
Körperliche und psychische Folgen der sozialen Einschränkungen zeigen sich ganz konkret: Man erlebe extreme Essstörungen - Magersucht auf der einen, aber auch extremes Übergewicht auf der anderen Seite. Man habe einen 8-Jährigen in Behandlung gehabt, der innerhalb von drei Monaten 15 Kilo zugenommen habe, so Prof. Schneider.
Schulbetrieb ist wichtig, Infektionsschutz auch
Sehr problematischer Medienkonsum, große Probleme beim Spracherwerb, insbesondere in Haushalten, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist, nennt Schneider als weitere Folgen.
„Kinder brauchen ein soziales Umfeld, um in ihrer sozialen und geistigen Entwicklung weiterzukommen.“ Daher begrüße er sehr, dass die Schulen wieder geöffnet seien. Ziel müsse es sein, Kindern wieder eine bessere Teilhabe zu ermöglichen, und nicht in einen „Tangoschritt aus Schule und Quarantäne“ zu verfallen.
80 Kinder mit Covid-19 oder PIMS in der Kinderklinik
Wichtig sei dabei aber, Kinder weiterhin vor Infektionen zu schützen. Elementar sei dafür ein schlüssiges Testkonzept für die Einrichtungen, um eine „Durchseuchung“ der jüngeren Generation zu verhindern, so Prof. Schneider.
Zwar sehe es weiterhin so aus, dass Kinder seltener schwer an Covid-19 erkranken als Erwachsene. In der Dortmunder Kinderklinik mussten bisher während der gesamten Pandemie 65 Kinder und Jugendliche mit Covid-19-Infektion stationär behandelt werden, so Prof. Schneider. Die Erkrankung sei aber gut behandelbar und die jungen Patienten schnell wieder entlassen worden.
Hinzu kommen 15 Kinder, die mit der Folgeerkrankung „PIMS“ behandelt werden mussten.
Wenige Kinder mit Long-Covid-Verdacht
Was Long Covid angeht, habe man bislang etwa ein halbes Dutzend Kinder zur Abklärung in der Kinderklink gehabt. „Bei einem Teil der Kinder stellte sich heraus, dass sie vorher gar keine Covid-Infektion hatten, das Beschwerdebild mit Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche, einer geringen Belastbarkeit unabhängig davon auftrat.“
Denn neben Long Covid gebe es eben auch Long Lockdown mit teils ähnlichen Symptomen. Daher gelte es, „eine maßvolle Balance zu finden, die vor Infektionen schützt, aber auf der anderen Seite ein gutes soziales Leben, Freundschaften, Freizeitaktivitäten ermöglicht“.
Neben Hygieneregeln und sinnvollem Testkonzept ein weitere Baustein, um Infektionszahlen gering zu halten: „Wichtig ist, dass wir Erwachsenen uns impfen lassen.“
1983 im Münsterland geboren, seit 2010 im Ruhrpott zuhause und für die Ruhr Nachrichten unterwegs. Ich liebe es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und vor allem: zuzuhören.
