
Sonja Vernholz und ihre Töchter Aiyala und Filiz (v.l.) haben den Tod ihres Ehemanns und Stiefvaters noch nicht verkraftet. Die Familie braucht Unterstützung. © Uwe von Schirp
Dortmunder Familie verzweifelt: Tumor reißt 45-Jährigen aus dem Leben
Schicksalsschlag
Ein Gehirntumor hat das Leben einer Familie zerstört. Nach dem Tod des Vaters ist das Haus eine Baustelle, Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Ein Hilferuf.
Christian Vernholz stand mit seinen 45 Jahren mitten im Leben. Seit 20 Jahren arbeitete er bei MAN als Kraftfahrzeugmechatroniker. Als der BVB Deutscher Meister wurde, fuhr er einen der Trucks auf dem Jubel-Corso durch die Stadt.
Vielen Menschen im Dortmunder Westen ist er durch sein ehrenamtliches Engagement bekannt: als Vorsitzender der Tanz-Sport-Gemeinschaft (TSG) Dortmund 1999, als Vorstandsmitglied der Genossenschaft Dorstfelder Bürgerhaus oder als Aktiver im Arbeitskreis der Interessengemeinschaft Lütgendortmunder Vereine und Verbände. Am 30. Juni 2022 starb Christian Vernholz zu Hause in Dortmund-Marten.
Exakt drei Monate zuvor hatte eine Diagnose das Leben der Familie Vernholz aus den Fugen gerissen: ein Gliobastom Grad 4. „Das ist der aggressivste Gehirntumor, den es gibt“, erzählt Sonja Vernholz.
Der 30. März: Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr wie zuvor. Zwei Wochen vorher hatte ihr Mann über Kopfschmerzen und Müdigkeit geklagt. Dann die schreckliche Diagnose im Klinikum Nord. „Was das heißt, hat uns aber erst unsere Hausärztin erklärt“, sagt die Witwe.
Familie rückt noch näher zusammen
„Eigentlich kann man damit noch 15 bis 24 Monate leben.“ Aber schon Ostern drückt der Tumor auf das Sprachzentrum. „Mein Mann konnte uns nichts mehr mitteilen.“ Es folgen eine linksseitige Lähmung, Mitte Mai ein erster epileptischer Anfall. Chemotherapie und Bestrahlungen halten die Krankheit nicht auf.

Ein Bild aus noch glücklichen Tagen zeigt Familie Vernholz mit Ehemann und Vater Christian. © privat
Zur Familie gehören der gemeinsame Sohn Leandro sowie Filiz (22) und Aiyana (18) aus Sonja Vernholz‘ erster Ehe. Die Fünf rücken in der Ausnahmesituation eng zusammen. Filiz zieht wieder zu Hause ein, um ihren Eltern und Geschwistern beizustehen. Sonja Vernholz kündigt ihren Teilzeitjob in einem Gesundheits- und Fitnesscenter.
„Wir wollten ihm das Leben schön machen und haben uns Ziele gesetzt“, erzählt sie. „Wir waren Cocktails trinken und sind zu Mario Barth nach Berlin gefahren.“ Arbeitskollegen von MAN reparieren den VW-Bus, damit Christian Vernholz aus dem Haus kommt. Spaziergänge sind nur noch im Rollstuhl möglich.
Während die Krankheit rasant fortschreitet, ziehen sich Genehmigungsverfahren für medizinische Hilfsmittel in die Länge. Logopädin Kathrin Hobrecht kann die Schluckstörungen noch therapieren. In aller Eile organisiert sie einen Sprachcomputer. Der trifft erst spät ein. „Ich liebe dich“, sagt Christian Vernholz seiner Frau ein letztes Mal – per Computer.
Kostenvoranschlag bleibt aus
Das Pflegebett kommt nicht. Der Schwerstkranke muss auf der Ausziehcouch im Wohnzimmer im Erdgeschoss schlafen. „Das Schlimmste war, mein Mann hat alles mitgekriegt“, berichtet die Witwe. „Christian war ein Duscher. Drei Monate nicht zu duschen, war eine Qual.“
Ein Urlaubsbekannter plant daraufhin den Umbau der Gästetoilette und eines Teils des Flures zu einem kleinen Bad. Die Familie nimmt das Angebot an. Auf Anraten des Bekannten reißt der Freund von Tochter Filiz mit einem Kumpel eine Wand ein. Sie mauern die bisherige Tür zu, setzen ein Ständerwerk für die Wände, bauen eine Schiebetür ein.
Doch zum eigentlichen Bad-Umbau kommt es nicht. Denn der für den Zuschuss der Pflegekasse erforderliche Kostenvoranschlag des Bekannten bleibt aus. „Von ihm habe ich nichts mehr gehört“, sagt die Witwe.

In der Badezimmer-Baustelle verstarb der Familienvater. Sonja Vernholz möchte den ursprünglichen Zustand als Gästetoilette wieder herstellen. © Uwe von Schirp
Ein Drama, denn: Als ihr Mann stirbt, ist die Pflegekasse nicht mehr zuständig. Die Baustelle ist bis heute nur eine Toilette. Und auf genau dieser Toilette ist Christian Vernholz am 30. Juni gestorben. „Chrissi hat gekämpft bis zuletzt und ich mit“, erzählt sie. Und kämpft auch jetzt, fast drei Monate nach dem Tod ihres Mannes weiter. Aber: „Wir haben es nicht verkraftet.“
Psychologische Hilfe für die Kinder
Immer wieder fließen Tränen, als wir bei Sonja Vernholz zu Gast sind. Logopädin Kathrin Hobrecht hat den Besuch vermittelt. Sie kümmert sich mit ihrer Chefin und der Hausärztin um die Familie. „Wir haben eine unfassbare Verbindung“, erklärt sie ihre Hilfe.
Für Leandro und Aiyana hat sie psychologische Hilfe organisiert. „Sie galten nicht als Notfälle“, erklärt Mutter Sonja. „Mir ist am wichtigsten, dass es meinen Kindern wieder gut geht.“
Dazu gehört auch das Beseitigen der Baustelle im Bad – die Erinnerung an die Todes-Situation. Das Bad soll zur ursprünglichen Gästetoilette zurückgebaut und der Flur renoviert werden. „Fliesen und anderes Baumaterial haben wir zum Teil schon“, sagt die Witwe. Es fehlt ein Handwerker, der die Arbeit zeitnah und preiswert übernimmt.
Witwe sucht eine Vollzeit-Arbeitsstelle
Zum 1. Januar sucht Sonja Vernholz einen Arbeitsplatz. Diese Zeit will sie sich nehmen, um in der Trauer den Neustart für sich und ihre Kinder zu organisieren. „Eine Vollzeitstelle“ wünscht sich die gelernte Bauzeichnerin, die 30 Jahre aus ihrem Beruf heraus ist. „Eine Tätigkeit am Empfang einer Firma oder eine andere Bürotätigkeit wären gut.“
Die verbleibenden drei Monate könne sie finanziell überbrücken – mit Gehaltsfortzahlungen, die MAN ihr wegen der langjährigen Betriebszugehörigkeit ihres Mannes zahle. „Und ich bin dankbar, dass mich meine Mama in dieser Phase unterstützt.“
Auf der anderen Seite stehen die Kosten. Witwen- und Halbwaisen-Rente seien noch nicht bewilligt. „Die Krankenkasse möchte eine Vorleistung, weil noch nicht klar ist, ob ich überhaupt Rente bekomme“, erklärt Sonja Vernholz. Nicht zuletzt ist da das Haus. „Ich möchte es halten, damit meinen Kindern nach dem Vater nicht auch noch das Zuhause genommen wird.“
Leserinnen und Leser, die Sonja Vernholz unterstützen möchten, können sich per E-Mail (do-west@lensingmedia.de) an unsere Redaktion wenden. Wir stellen den Kontakt her.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
